Wie
selbst Thymian zum Politikum wird
QU: Solothurner Zeitung, 2001-04-10 Der Palästinenser Sami Daher engagiert sich in Solothurn für seine Heimat Sami Daher erinnert sich noch genau an jenen Tag. Er lag mit seiner heutigen Frau Sonja an einem Strand in Israel. Einige palästinensische Kinder spielten am Wasser. «Da ist ein israelischer Aufseher gekommen und hat die Kinder mit Stockhieben vertrieben.» Mit der lakonischen Begründung, sie hätte ja keine richtigen Badekleider. «Dabei waren sie einfach zu arm, um Badehosen zu kaufen.» Dies sei nicht der einzige Vorfall gewesen, den seine Frau miterlebt habe. «Für sie ist es darauf klar gewesen, dass sie nicht in Israel leben will.» 1980 sind sie zusammen in die Schweiz gekommen. Kennengelernt haben sich Sonja und Sami Daher in Nazareth, wo er 1959 geboren wurde und aufwuchs und wo Sonja in einem Kinderspital arbeitete. Heute sind sie selber Eltern dreier Kinder: Janine ist 19, Karim 16 und der Nachzügler Selim ist 6 Jahre alt. Die Familie lebt in Oberbipp. Sami arbeitete zuerst in einer Fabrik, dann im Altersheim, bevor er eine Ausbildung als Psychiatriepfleger machen konnte. 1989, nach Abschluss der Lehre, war er während acht Jahren als Pfleger in der psychiatrischen Klinik Solothurn tätig. Zudem half er beim Aufbau einer psychiatrischen Tagesklinik in Olten mit. «Nach dieser Erfahrung, die mir viel Eigeninitiative ermöglichte, wollte ich mich selbstständig machen.» Vor vier Jahren eröffnete er in der Theatergasse in Solothurn die «Pittaria», in der er orientalische Spezialitäten wie Falafel, Baklava oder Gewürztee anbietet. Wie erlebt Sami Daher seine Situation in der Schweiz? «Ich habe einige schmerzhafte Erfahrungen machen müssen.» Die seien nicht unbedingt rassistischer Natur gewesen; doch viele seien durch Vorurteile bedingt. Sami Daher setzt sich in der Schweiz für die Rechte des palästinensischen Volkes ein. Die «Gesellschaft Schweiz - Palästina» (GSP) wurde 1976 gegründet. Daher ist Kassier der Sektion Bern. Die GSP unterstützt den Kampf des palästinensischen Volkes für seine Rechte: auf Rückkehr der vertriebenen Flüchtlinge in ihre Heimat, auf Selbstbestimmung in einem unabhängigen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Sie unterstützt zudem soziale Projekte in den besetzten Gebieten und in den Flüchtlingslagern im Libanon. In der Schweiz unterhält die GSP Kontakte mit Politikern und Institutionen wie Amnesty international. Über die FdP-Ständerätin Christiane Langenberger, die 1998 mit einer Delegation in Palästina war, sagt Daher: «Eine gute Frau, Gott verlängere ihr Leben.» Ein weiteres Projekt, das Sami Daher unterstützt, ist das «Palästina-Aufbau-Projekt» (PAP), das von einem Israeli und einem Palästinenser gegründet wurde. Das erste Ziel dieses Vereins ist es, palästinensische Produkte zu fördern, zum Beispiel Thymian oder Olivenöl. «Thymian ist ein Politikum für sich», sagt Daher. In Palästina werde es zusammen mit Sesam, Sumach, einer sauren Beere, und Olivenöl gegessen. Diese Speise wird in Palästina mehrmals täglich genossen, zudem ist sie ein wichtiger Vorrat. Der Thymian wird wild gepflückt. Vor 15 Jahren habe Israel dann aber das Pflücken verboten mit dem Scheinargument, der Thymian müsse geschützt werden. Doch man habe nur die lästige Konkurrenz ausschalten wollen: Es sei darum gegangen, den von den Kibbuzim kultivierten Thymian besser verkaufen zu können und die Palästinenser von dieser Produktion abhängig zu machen . Ähnliches sei mit den Olivenbäumen passiert. Die Palästinenser hätten nie gesunde Bäume gefällt, wie es die Israeli gemäss Sami Dahers Darstellung getan haben. Auch bei seinem Schwager hätten sie uralte Bäume gefällt. Sei die Ernte besonders reich gewesen, hätten die Israeli durch Wirtschaftsblockaden deren Verkauf zu verhindern versucht. Die PAP bemühe sich nun darum, in der Schweiz die Grossverteiler für den Verkauf des Olivenöls zu gewinnen. Heute wird es bereits durch «Claro» in der Schweiz vertrieben. Was hält Daher vom kürzlich erfolgten Staatsbesuch von Bundesrat Deiss in Palästina/Israel? «Ich schätze es, dass sich die Schweiz so engagiert.» Dennoch: Deiss sei viel zu nett gewesen, man müsse doch explizit sagen, dass sich Israel aus den besetzten Gebieten zurückziehen müsse; und dass es ein Rückkehrrecht für die Flüchtlinge gebe. Überhaupt: Es sei ihm unverständlich, dass bei der Wahl Sharons zum neuen Premier niemand protestiert habe. Im Zusammenhang mit dem Name Sharon kommen bei Sami Daher offensichtlich heftigste Emotionen hoch. Es sei absurd, dass sich alle Welt um Haider Sorgen mache, dem Rassismus vorgeworfen werde. «Aber niemand hat gegen Sharon protestiert, der als Militärchef für Massaker mitverantwortlich ist.» SUSANNA
HOFER |