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Basler Zeitung 30.09.2009
Von Susanna Petrin
Vor seiner
ersten Tagung steht das Baselbieter Jugendparlament schon in der
Kritik: Die Pnos soll fünf Sitze darin erhalten. Die Debatte
wirft Fragen auf: Wie soll man mit extremen Parteien umgehen?
Und wie gefährlich ist die Pnos?
Im Januar
dieses Jahres hat die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos)
in Gelterkinden eine neue Sektion Baselland und Basel-Stadt gegründet.
Seither war entgegen anfänglicher Befürchtungen von
der rechtsextremen Partei in der Öffentlichkeit nichts mehr
zu hören – bis Anfang Monat der Baselbieter Jugendrat
bekannt gab, dass die Pnos fünf Sitze im Jugendparlament
bekommen könne. Eine Mehrheit der am Pilotprojekt beteiligten
Jungparteien hatte sich für den Einbezug der Pnos ausgesprochen
(die BaZ berichtete). Die Jungsozialisten und die jungen Grünen
aber schlugen aus Protest ihre je fünf Sitze aus.
Dabei war
es nicht der ausdrückliche Wunsch des Jugendrates, die Pnos
einzubeziehen. Die Idee stamme von den Parteivertretern, die an
der konstituierenden Sitzung anwesend waren. Das sagt Jugendrätin
Lea Hungerbühler (parteilos): «Darum haben wir schliesslich
das gesamte Parteienspektrum eingeladen.» Nun wolle man
es mit allen probieren, die sich bis zum 7. Oktober für die
erste Parlamentssitzung vom 7. November anmelden.
Die Bedingung:
Alle Jungparlamentarier müssten sich an den Regelkodex halten.
«Wir dulden keine beleidigenden oder rassistischen Äusserungen»,
sagt Hungerbühler. Die Pnos hat sich also nicht aus eigenem
Antrieb um Sitze im Jugendparlament bemüht. Und der BaZ liegen
Informationen vor, wonach die Pnos Mühe bekundet, genug junge
Leute für die ihr grosszügig zugestandenen fünf
Sitze zu finden.
Für Gespräch.
«Die Pnos ist zwar nicht unproblematisch, sie hat aber weder
gesellschaftliche noch politische Relevanz», sagt Samuel
Althof von der Aktion Kinder des Holocaust in Münchenstein.
Zwar versuche die Partei immer wieder Fuss zu fassen, aber es
fehle ihr an Leuten und Macht. Um anziehender zu wirken, versuche
sie sich immer wieder aufzuplustern. Problematischer als die Pnos
sei der Rassismus im Alltag.
Der Rechtsextremismus-Experte
findet deshalb, dass es nicht schaden könne, wenn im Jugendparlament
«das schwierige Gespräch geübt wird». Er
kritisiert die Reaktion der linken Jugendparlamentarier als «dialogunfähig»;
deren sogenannt «antifaschistische Haltung» werde
der Situation nicht gerecht. «Wir sind nicht in Deutschland
anno 1933, in der Schweiz gibt es keinen Boden für extremistische
Politik.»
Eine ähnliche
Haltung nehmen Dieter Bongers, Leiter der Anlauf- und Beratungsstelle
für Rechtsextremismus beider Basel, und die Basler SP-Grossrätin
Tanja Soland ein. Sie hat in einer Interpellation die Basler Regierung
nach ihrer Strategie im Umgang mit Rechtsextremismus gefragt (Text
oben rechts). Zum Jugendparlament meint sie: «Ich bin für
die offene Auseinandersetzung, alles andere ist gefährlicher.»
Wichtig sei aber, dass man rechtsextremem Gedankengut die eigene
Meinung und die demokratischen Grundwerte entgegenhalte. Auch
Bongers ist für den Einbezug der Pnos, hält aber fünf
Sitze für «unangemessen». Er bedauert zudem,
dass der Streit unter den Jungparteien wohl werbewirksam für
die Pnos sei.
«Nicht
verhandelbar». Ganz anderer Meinung ist der Rechtsextremismus-Experte
und Luzerner Grossstadtrat Hans Stutz (Grüne). Er findet,
dass die jungen Linksparteien sich richtig verhalten hätten,
denn: «Demokratie und Menschenrechte sind nicht verhandelbar.»
Genau diese Grundsätze akzeptiere die Pnos nicht, weshalb
man mit ihren Exponenten auch keinen vernünftigen Dialog
führen könne. «Wer diese Werte nicht anerkennt,
den sollte man politisch möglichst ausschliessen»,
sagt Stutz.
Und was sagt
die Pnos? «Natürlich halten wir uns an demokratische
Grundsätze», schreibt Sektionschef Philipp Eglin in
einer E-Mail. Für die Natur und gegen das Gefälle zwischen
Reich und Arm wolle sich die Partei einsetzen. Und sie gedenke
am 7. November mit fünf besetzten Sitzen beim Jugendparlament
anzutreten.
Der Jugendrat
sucht noch parteilose Jugendliche, die Interesse daran haben,
mitzuwirken. Infos unter: > www.jugendratbl.ch
Sozialarbeiter
sollen sich mehr um Rechtsextreme kümmern
Niederschwellig.
Etwas wünschen sich fast alle Rechtsextremismus-Experten:
mehr niederschwellige Prävention. So gibt es zwar eine Anlauf-
und Beratungsstelle für Rechtsextremismus beider Basel, doch
kaum ein Rechtsextremer meldet sich dort freiwillig. Die Stelle
kümmert sich vielmehr um betroffene Eltern sowie um die wenigen
verurteilten Rechten und jene, die von der Jugendanwaltschaft
zu einer Beratung verpflichtet werden. Auch der Staatsschutz hat
extreme Gruppierungen im Auge, doch er könne über seine
Aktivitäten «nicht mal informieren», sagt SP-Grossrätin
Tanja Soland. Sie ist deshalb nicht ganz zufrieden mit der Antwort
der Basler Regierung auf ihre Interpellation zum Thema Rechtsextreme
in der Region: «Es braucht mehr aufsuchende Arbeit, eignen
würden sich dafür Sozialarbeiter.» Diesem Anliegen
würde Michele Salvatore, Leiter der mobilen Jugendarbeit
Basel/Riehen, gerne vermehrt nachkommen. Seine Leute hätten
früher einen guten Draht zu rechtsextrem orientierten Jugendlichen
auf dem Theodorskirchplatz gehabt – bis diese von der Polizei
verscheucht wurden. «Die soziale Kontrolle war da»,
sagt er. spe
Rechtsextremismus
ist im Internet weit verbreitet
Strafrechtlich
relevant. Auf ihrer Website leugnet die Pnos-Sektion beider Basel
die Echtheit des Anne-Frank-Tagebuchs – obwohl unter Experten
unbestritten ist, dass es echt ist. Zudem stellt die Pnos im selben
Artikel den Holocaust infrage. Dass die Partei den Beitrag nicht
vom Netz nimmt, erstaunt Markus Melzl, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft:
«Normalerweise nehmen die Provider solche Inhalte runter.»
Verschwinden muss dieser Interneteintrag spätestens, wenn
ein rechtskräftiges Urteil wegen Verstosses gegen den Antirassismusartikel
vorliegt. Und solch ein Urteil, so lässt Melzl durchblicken,
werde es wahrscheinlich bald geben. Der Anne-Frank-Fonds hat im
Juni Anzeige erstattet, die Untersuchung läuft.
Im Internet
wimmelt es nur so von rechtsextremen Inhalten. Beim Bundesamt
für Polizei gibt es eine eigene Abteilung, die täglich
das Internet nach strafbaren Inhalten durchpflügt. Diese
Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität
meldet den Kantonspolizeien die Fälle weiter. In Basel-Stadt
träfen wöchentlich solche Meldungen ein, sagt Melzl.
Bisher
nicht strafbar gemacht hat sich die relativ neue Facebook-Gruppe
«Pnos Baselland». Allerdings ist ersichtlich, dass
der einstige Pnos-Gründer Sacha Kunz nach seinem
Szenenausstieg wieder aktiv ist (siehe
auch screenshot vom 02.10.20009*). Auch für andere
Mitglieder besteht die Gefahr der dauernden Stigmatisierung, wenn
sie sich mit Gesicht und Namen im Netz zu rechtsextremem Gedankengut
bekennen. Dieser «Stempel fürs Leben» sei ein
Problem bei der Nachbetreuung von Ausstiegswilligen, sagt Samuel
Althof von der Aktion Kinder des Holocausts: «Wir versuchen
diesen Leuten zu zeigen, wie sie damit umgehen können.»
spe
*anm
akdh: Sacha Kunz behauptet gegenüber der
akdh, in sich widersprechenden Aussagen, mit der Szene nichts
mehr zu tun zu haben. Nur 1/4 seiner Facebook
Kontakte seien "ehem. aus der Szene".
Nachweislich sind jedoch seine Kontakte zur PNOS
aber auch zu anderen Personen die aktuell (05.10.2009)
aktiv in der Szene sind, wie zum Beispiel Pascal
Trost. Dazu schreibt der Journalist Hans Stutz am 02.
September 2009 auf seiner Website: "Nun tritt der 28jährige
Aargauer Pascal Trost wieder an die politische Öffentlichkeit.
Allerdings ein paar Hundert Kilometer von seinem früheren
Wirken entfernt. Nämlich in der Kleinstadt Pössneck,
im deutschen Bundesland Thüringe, am "4. Fest der Völker",
organisiert von der rechtsextremen NPD und besucht von rund 500
Personen."
Ausstieg
aus der Szene:
Die
akdh erachtet den Ausstieg von Sacha Kunz aus der rechtsextremen
Szene für vorläufig (Oktober 2009) als gescheitert.
Eine der wichtigsten Kriterien eines erfolgreichen Ausstieges,
die absolute Szenenabstinenz und eine soziale neuorientierung,
ist nachweislich nicht oder bestenfalls teilweise erfolgt.
siehe
auch:
Sacha
Kunz bei Facebook (durch
mehmaliges Laden der facebook Seite kann der interessierte Leser
viele aktive Mitglieder aus der rechtsextremen Szene in der Schweiz
bei Sacha Kunz's Freunden erkennen. Eine Registrierung bei facebook
ist dazu nicht notwendig)
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