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Basler Zeitung 02.07.2009
Wer öffentlich den Hitlergruss zelebriert oder ein Nazi-Abzeichen
trägt, soll in Zukunft bestraft werden. Dieser Vorschlag
kommt nicht nur bei der SVP schlecht an – sondern auch bei
Präventionsfachleuten und Szenebeobachtern.
TIMM EUGSTER
Ein Rechtsextremer
hängt eine Hakenkreuzfahne aus seinem Dachfenster, die Feuerwehr
holt sie runter – aber bestraft wird der Mann von der Basler
Justiz nicht. Begründung: Dazu fehle der nachweisbare Wille,
in der Öffentlichkeit für eine rassendiskriminierende
Ideologie zu werben. Geht es nach dem Willen des Bundesrats, wird
in einem solchen Fall künftig eine Busse ausgesprochen. Das
Verwenden und Verbreiten rassistischer Symbole in der Öffentlichkeit
soll durch eine Ergänzung des Antirassismusgesetzes grundsätzlich
verboten werden. Wer dieselben Symbole hingegen im Familien- oder
Freundeskreis braucht, soll weiterhin nicht bestraft werden.
Schlecht kommt
der Vorschlag des Bundesrats bei der SVP an: «Er sollte
das verunglückte Antirassismusgesetz besser abschaffen als
daran herumzubasteln», so Sprecher Alain Hauert. Als Justizminister
hatte Christoph Blocher das Gesetz in der Türkei kritisiert
und so für einen Eklat gesorgt. Der Bundesrat verhinderte
aber Blochers Plan, die Strafnorm abzuschwächen oder zu streichen.
Seine Nachfolgerin Eveline Widmer-Schlumpf will das Gesetz nun
verschärfen – wie das Parlament schon vor der Ära
Blocher gefordert hatte.
KONTRAPRODUKTIV.
Kritik kommt nun auch von unerwarteter Seite: «Ein Verbot
bringt wohl keine Vorteile – es könnte im Gegenteil
womöglich kontraproduktiv wirken», so Samuel Althof
, Sprecher der «Aktion Kinder des Holocaust». Die
Organisation besteht aus Nachkommen von Überlebenden des
Holocaust und betreibt Prävention und Jugendarbeit gegen
Extremismus. «Wenn man etwas bewirken will, muss man sich
mit den Protagonisten der Szene auseinandersetzen», so Althof
: «Bestrafung ohne Argumente entlastet die Gesellschaft
scheinbar von dieser Pflicht.» Ein Verbot führe zu
einer kontraproduktiven Dämonisierung von Jugendlichen und
liefere ihnen bloss mehr Möglichkeiten zur Provokation. In
Deutschland habe das Verbot, das der Bundesrat nun übernehmen
will, jedenfalls nicht zu weniger Rechtsextremismus geführt.
Auch Hans
Stutz, linker Journalist und langjähriger Beobachter der
rechtsextremen Szene, äussert sich skeptisch gegenüber
dem bundesrätlichen Vorschlag. «Für Prävention
wird praktisch nichts getan – dafür soll jetzt das
Strafrecht gesellschaftliche Probleme lösen», kritisiert
er. Ausserdem komme es praktisch nicht vor, dass sich Rechtsextreme
im öffentlichen Raum mit Nazi-Emblemen outeten. Anders sei
die Situation an Konzerten – aber dort greife die Polizei
heute praktisch nie ein, obwohl sie genügend Handhabe hätte:
«Die Rassismusstrafnorm wird weder konsequent noch effizient
angewandt.» Zudem, befürchtet Stutz, führe der
nun eingeläutete politische Kampf um den bundesrätlichen
Vorschlag zu einer unfruchtbaren Debatte. So hatte eine Parlamentskommission
während der langen Vorgeschichte des Gesetzesprojekts gefordert,
auch extremistische und gewaltverherrlichende Symbole von links
unter Strafe zu stellen.
Diesen Ball
nimmt jetzt die Junge SVP auf: «Die kommunistischen Systeme
haben mehr Menschenleben gefordert als das Dritte Reich»,
heisst es in einer Medienmitteilung. Die Jungpartei will indes
weder Hakenkreuz noch Hammer und Sichel verbieten.
Präventiv.
Der Bundesrat erhofft sich von einem Verbot eine präventive
Wirkung. Eine Bestrafung mit Busse ermögliche es den Behörden,
einzuschreiten, ohne dass die Betroffenen übermässig
angeprangert würden.
«Lonsdale»-Pullover
bleiben erlaubt
BESTIMMUNGEN.
Der Bundesrat verzichtet auf eine feste Liste der Symbole, deren
Verwendung, Verbreitung, Herstellung sowie deren Ein- und Ausfuhr
künftig mit einer Busse bestraft werden sollen. Als Beispiele
eindeutig rassistischer Symbole nennt er aber das Hakenkreuz,
den Hitlergruss oder die Doppelsigrune als Zeichen der SS, aber
auch die Abwandlung solcher Symbole wie der Kühnengruss (mit
drei Fingern). Nicht strafbar ist die Verwendung zu schutzwürdigen
kulturellen und wissenschaftlichen Zwecken – etwa in einer
Ausstellung oder in Kriegsfilmen. Erlaubt bleiben auch Pullis
der Marke «Lonsdale», deren Schriftzug bei entsprechender
Verdeckung durch eine geöffnete Jacke zu «nsda»
wird. te
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