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Basler Zeitung 16.10.2006
Von Hannes Hänggi
Der Revisionist Bernhard Schaub verteilt Flugblätter,
in denen er den Holocaust leugnet. Äusserungen Blochers hätten
ihn motiviert.
Was
Bewohner in Arlesheim und in Dornach vorgestern in ihren Briefkästen
fanden, verschlug den meisten die Sprache: In der Nacht verteilte
der Rechtsextreme Bernhard Schaub (Jahrgang 1954) ein vierseitiges
Pamphlet mit dem Titel: «Wie war das mit dem Holocaust?»
In einem zweiten Flugblatt macht Schaub zudem Werbung für
einen Vortrag, den er bei sich zu Hause in Dornach halten will.
Dann möchte Schaub zeigen, dass der Dichter Conrad Ferdinand
Meyer ein «überzeugter Vertreter des Reichsgedankens»
gewesen sei, wie es auf dem Blatt heisst.
Die
in Schaubs Pamphlet verbreiteten Gedanken sind haarsträubend:
So habe es im Zweiten Weltkrieg keine Gaskammern gegeben, die
Juden in den Konzentrationslagern seien an Fleckfieber-Epidemien
gestorben und das tödliche Blausäuregas «Zyklon
B» sei lediglich als Entlausungsmittel eingesetzt worden.
Eine Aufzählung, die den Rechtsextremismus-Experten Samuel
Althof von der Organisation Aktion Kinder des Holocaust ekelt:
«Bernhard Schaub greift immer wieder in die alte, stinkige
Revisionistenkiste» (siehe Interview). Denn mit immer denselben
Argumenten versuchten die Revisionisten, den Nationalsozialismus
zu rechtfertigen und den Völkermord an den Juden zu leugnen.
Schaub
versucht seine Gedanken seit Jahren unter die Leute zu bringen.
Zuletzt bei einer 1.-Mai-Kundgebung in Aarau. Nach dieser Hetzrede
wurde der ehemalige Lehrer an zwei Rudolf-Steiner-Schulen wegen
Verstosses gegen die Antirassismus-Strafnorm angezeigt, aber nicht
verurteilt.
Die
Polizei ermittelt. Dies könnte sich nun ändern. Denn
bereits prüfen die Juristen der Solothurner Kantonspolizei,
ob ein Offizialdelikt vorliegt, wie der Polizeisprecher Urs Eggenschwiler
sagt. «Liegt ein Verstoss vor, dann wird die Polizei Strafanzeige
einreichen.» Und dann würde die Polizei auch den öffentlich
angekündigten Vortrag verbieten, ergänzt Eggenschwiler.
Dass
Schaub sowohl den Vortrag öffentlich angekündigt hat,
als auch seine rechtsextreme Meinung öffentlich und erst
noch schriftlich verbreitet hat › «in vierstelliger
Zahl», wie Bernhard Schaub gegenüber der baz betont
›, könnte ihm diesmal zum Verhängnis werden. Bislang
entging er immer einer Verurteilung durch die Antirassismus-Strafnorm
› «vielleicht durch vorsichtige Wortwahl», vermutet
Althof. Im verteilten Pamphlet bestreitet Schaub aber nicht nur
die Existenz des Holocaust, sondern ruft die Leute sogar dazu
auf, «das vorliegende Schriftstück» zu vervielfältigen
und «grossflächig» zu verbreiten.
Das
Antirassismusgesetz stellt aber die Verbreitung von Ideologien,
den Aufruf zur Diskriminierung, das Leugnen von Völkermord
sowie solche Propaganda-Aktionen unter Strafe. «Theoretisch
kann man Schaub also sein Handeln verbieten», sagt Althof.
Ob eine Verurteilung Schaub aber beeindrucken würde, bezweifelt
Althof: «Die Einsicht fehlt, Schaub funktioniert in einem
hermetisch abgeschlossenen Gedankengefüge.»
Irrweg.
Revisionisten leugnen die Existenz von Vernichtungslagern. Im
Bild: Das Konzentrationslager von Auschwitz. Foto Keystone
Angriff
auf das Antirassismusgesetz
Flugblätter.
Jahrelang mied Bernhard Schaub den Kontakt mit der Öffentlichkeit
und den Medien. Nach den Äusserungen von Justizminister Christoph
Blocher in der Türkei möchte Schaub jetzt aber eine
öffentliche Diskussion über die Gaskammern und das Antirassismusgesetz
in Gang bringen, wie er der baz sagte. Die von ihm «in vierstelliger
Zahl» verbreiteten Flugblätter sollen dazu beitragen.
hsh
«Rechtsextreme
sträuben sich gegen die Realität»
Holocaust-Leugner
Bernhard Schaub argumentiere immer geschichtlich-revisionistisch,
sagt Samuel Althof
Interview:
Hannes Hänggi
Schon seit Jahren beobachtet Samuel Althof von der Organisation
«Aktion Kinder des Holocaust» die rechtsextreme Szene
› unter anderen auch den Holocaust-Leugner Bernhard Schaub.
baz:
Herr Althof, verliehen die Äusserungen Christoph Blochers
in der Türkei den Rechtsextremen in der Schweiz Auftrieb?
Samuel
Althof: Das glaube ich nicht, zumindest nicht, was Bernhard Schaub
betrifft. Schaub ist eine Person, die wellenartig aktiv wird und
sich von der aktuellen Politik nicht besonders beeinflussen lässt.
Sie
glauben also nicht, dass Blocher Schaub massgeblich beeinflusst
hat?
Nein,
das kann ich mir kaum vorstellen. Wenn aber der Rechtsextremismus
politisch nicht delegitimiert wird, dann verleiht das den Rechtsextremen
natürlich Auftrieb.
Was
könnte dann die Flugblattaktion ausgelöst haben?
Schaub
zählt zu jenen programmatischen Geschichtsrevisionisten,
die schon seit Jahren versuchen, sich in der politischen rechtsextremen
Szene ein Standbein aufzubauen, zum Beispiel in der Partei National
Orientierter Schweizer (Pnos). Das gelingt ihm aber nicht. Weil
er von seinen Anhängern eine Art bedingungslosen Gehorsams
verlangt, der bei Jungen sofort zu einem Generationenkonflikt
führt.
Weil
Rechtsextreme eher jünger sind?
Ja,
Schaubs Umfeld besteht eher aus Personen ab 35 Jahren. Jugendliche
fühlen sich hingegen kaum zu ihm hingezogen.
Bei
der Pnos hat Schaub also keinen grossen Einfluss mehr?
Er
versucht zwar, innerhalb der Partei Einfluss zu nehmen, erlangt
aber nicht die Position eines Parteiprogrammatikers. Auch in der
rechtsextremen Szene ist Schaub keine «In-Figur».
Er hat aber Verbindungen zu Neonazis nach Deutschland und trifft
sich immer wieder unter anderem mit Exponenten der NPD.
Wie
lauten denn die Argumente der Holocaust-Leugner?
Die
von den Holocaust-Leugnern aufgegriffenen Argumente sind immer
dieselben. So greift auch Bernhard Schaub immer wieder in die
alte, stinkige Revisionistenkiste und behauptet, die Juden seien
in den Konzentrationslagern mit «Zyklon B» lediglich
desinfiziert und nicht vergast worden. Diese Argumente sind wissenschaftlich
längst widerlegt und nachweislich falsch. Der revisionistische
Rechtsextremismus sträubt sich gegen die wissenschaftliche
Realität.
Geht
denn in der Gesellschaft die Sensibilisierung für den Holocaust
vergessen?
Nein,
gar nicht. Denn es gibt viele Bemühungen, dem Vergessen entgegenzuwirken.
Wenn der Rechtsextremismus in der Bevölkerung verbreitet
und akzeptiert wäre, besässe er nicht dieses starke
Provokationspotenzial.
Foto
Roland Schmid
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