MARTINA
RUTSCHMANN
QU: Basler Zeitung 31.07. 2006
Samuel Althof von der «Aktion Kinder des Holocaust»
(AKdH) findet es falsch, dass am 1. August keine Rechtsextremen
aufs Rütli dürfen.
Viele Menschen
haben ein falsches Bild von Samuel Althof (50). Sie denken, der
Basler Jude und Gründer der «Aktion Kinder des Holocaust»
sei ein radikaler «Glatzen-Jäger». Ein Mann,
dessen Mission darin bestehe, die «braune Brut» auszulöschen.
Ein Extremist auf der Seite der Guten. Ist er nicht. Er verurteilt
Extremismus - egal, ob dieser religiöse Hintergründe
hat oder politische. Selber ist er weder religiös, noch möchte
er sich politisch einordnen.
Was rechtsorientierte
Leute angeht, so sagt er: «Wenn man das Problem bekämpfen
will, muss man den Gegner respektieren.» Das tut er. Respektiert
die Jugendlichen, die mit Hakenkreuz-Emblemen auf der Jacke herumlaufen
und proleten, alle Schwarzen und Türken gehörten ausgeschafft.
Althof redet mit ihnen. Dies mit dem Ziel, eine «Win-Win-Situation»
zu schaffen. Was oft gelingt. Dann läuft es Samuel Althof
kalt den Rücken runter. Wenn ein Jugendlicher ihm «Mein
Kampf» in die Hand drückt und sagt: «Das brauche
ich nicht mehr.»
INTERNETKONTAKT.
Die «Aktion Kinder des Holocaust» besteht seit 15
Jahren. Samuel Althof hat sie mit anderen Nachkommen von Überlebenden
des Zweiten Weltkrieges gegründet. Inzwischen ist aus der
Basler «Aktion» ein Verein gegen Antisemitismus, Rassismus
und politischen Extremismus geworden. Die Präventionsarbeit
der AKdH wurde schon vom Staat unterstützt. Inzwischen ist
der dafür vorgesehene Fonds aufgebraucht.
Die Polizei
schätzt Althof und seine Mitarbeiter als wertvolle Fachleute.
«Es kommt vor, dass wir uns für Auskünfte an den
Verein wenden oder umgekehrt, Herr Althof uns auf Missstände
aufmerksam macht», sagt André Auderset von der Basler
Polizei.
Mittels «Internet-Streetworking»
per Mail und Chat gehen Althof und drei ständige Mitarbeiter
auf Jugendliche zu. Für Althof ist es ein Halbtagesjob. Zielgruppe
sind «symptomatische» Neonazis. Jugendliche, denen
es weniger um politische Inhalte geht als um ein Ventil für
andere Probleme. «Mit diesen jungen Männern und vereinzelt
Frauen spreche ich nicht über Politik, sondern über
familiäre Probleme oder Sorgen beim Job», sagt Althof.
Als ausgebildeter psychologischer Berater mit eigener Praxis weiss
er, wo ansetzen. Das gilt nicht für «programmatische»
Neonazis, die in ihrer Ideologie verankert sind. «Da ist
es zu spät für Prävention», sagt Althof.
DESERTEUR.
Samuel Althofs Eltern haben zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs geheiratet. Neun Jahre später kam der kleine Samuel
als zweites von drei Kindern zur Welt. Eine Schwester lebt heute
in Israel. Althof war seit über dreissig Jahren nicht mehr
dort. Seit er als 18-Jähriger von der israelischen Armee
eingezogen wurde und anderthalb Jahre später desertierte.
«Wegen meiner Geschichte und meinen eigenen Erfahrungen
kann ich heute unterscheiden, was bedrohlich ist und was nicht»,
sagt er. Er kritisiert die Medien, die das Thema des Rechtsextremismus
«unverhältnismässig» aufbauschen. Die im
Vorfeld des morgigen 1. Augusts eine Okkupierung des Rütlis
durch Neonazis proklamierten - und unterstützten, dass die
«braune Brut» (Blick) mit der neu geschaffenen Identitätskontrolle
von der Bundesfeier ausgeschlossen wird. Althof ist der Meinung,
jeder habe das Recht, auf dem Rütli zu feiern: «Ich
bin der Ansicht, man löst das Problem nicht, indem man es
unterdrückt.» Er ist überzeugt, dass es zu «punktuellen
Störungsversuchen» kommt, die befürchtete Stürmung
des Rütlis durch Neonazis aber ausbleibt. «Was nicht
heisst, dass das Problem gelöst ist - es wird einfach anderswo
sichtbar werden.»
Althofs Nummer
steht im Telefonbuch, seine Adresse nicht. Eine Vorsichtsmassnahme.
«Es kommt vor, dass ich bedroht werde.» Angst mache
ihm das nicht. «Ich habe nur manchmal ein mulmiges Gefühl.»
Gegen seine Person gerichtete Hass-Mails von Neonazis überprüfe
er nach deren «Qualität». «Nicht selten
handelt es sich bei solchen Mails um pervertierte Versuche, Kontakt
aufzunehmen», sagt er. Das tut er dann. Manchmal enden diese
Beziehungen mit Geschenken - Althof hat schon viele Bücher
mit nationalsozialistischem Inhalt weggeworfen. Und er wird nicht
müde, es weiterhin zu tun. >www.akdh.ch
Prävention.
Samuel Althof geht auf Rechtsextreme zu. Foto Roland Schmid
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