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Von
Tomas Sager
QU: Blick
nach Rechts, 11. Dezember 2002
Bundespräsident
Johannes Rau warnte: Man dürfe das Internet "nicht denen
überlassen, die es als Informationsquelle vergiften und die
in ihm statt geistiger Nahrung Hass anbieten", sagte er Ende
November, als das von Jugendlichen gestartete Projekt "fairlink.de"
in Berlin seine Ergebnisse präsentierte. "Ekelerregend
und unakzeptabel" seien die Internetseiten, die von Hass
überquellen, in Lügen und Geschichtsklitterung schwelgen,
ja sogar zum Mord aufrufen oder Anleitungen zum Bombenbau liefern
würden, meinte Rau. Und er forderte: Das alles müsse
"international geächtet, verboten und bekämpft
werden".
Helfen
wollen die "fairlink"-Jugendlichen dabei unter anderem
mit einem von ihnen erarbeiteten, "fairnetz" genannten
Verhaltenskodex. Darin rufen sie dazu auf, Internetseiten mit
rechtsextremistischen Inhalten an die zuständigen Stellen
zu melden. In Deutschland empfehlen sie "jugendschutz.net",
eine von den Jugendministerien der Länder gemeinsam eingerichtete
staatliche Stelle. Doch was tun, wenn Neonazis ihre Seiten ins
Ausland verlagern? Eine neue Initiative könnte den Verfolgungsdruck
für sie erhöhen. Wo sich Rechtsextremisten mehr und
mehr über das Internet vernetzen, tun dies auch ihre Gegner:
In Amsterdam wurde das International Network Against Cyber Hate
(INACH) gegründet.
Mitmachen
können Initiativen und Einrichtungen, die sich gegen Rassismus
und Diskriminierung im Internet wenden. Eine staatliche Stelle
ist zwar dabei, es überwiegen aber die privaten Initiativen.
Organisatorischer Kern sind bislang vier Einrichtungen: in Deutschland
die Projektgruppe Rechtsextremismus im Internet von "jugendschutz.net",
in den Niederlanden die Stiftung Magenta, in Belgien das Zentrum
für Chancengleichheit und Opposition gegen Rassismus und
in der Schweiz die Aktion Kinder des Holocaust (AKdH).
Gemeinsam
ist ihnen, dass sie seit längerem Beschwerdestellen
unterhalten: Wer im Internet auf rechtsextremistische Seiten stößt,
findet auf den Homepages der beteiligten Organisationen Links
oder E-Mail-Adressen, um direkte Beschwerden gegen solche Inhalte
zu ermöglichen. "Die Idee, einen Verbund dieser Hotlines
zu bilden, entstand vor einem Jahr", berichtet Samuel Althof,
Sprecher der AKdH und Vorsitzender von INACH. Doppelarbeit soll
mit dieser Vernetzung unter anderem vermieden, ein besserer Informationsaustausch
möglich werden. Herzstück ist dabei eine Datenbank,
in der strafrechtlich relevante Seiten gesammelt werden.
Für
das Konzept interessieren sich schon weitere Organisationen. Drei
von ihnen sind "Kandidaten-Mitglieder". Sie wollen innerhalb
eines Jahres eigene Beschwerdestellen aufbauen. In Dänemark
ist dies das Dokumentationszentrum Rassismus und Diskriminierung,
in Polen die Initiative "Nie wieder" und in Schweden
"Expo", bekannt durch die gleichnamige Zeitschrift.
Althof: "Organisationen in Tschechien, Italien, Nordirland
und Russland prüfen ebenfalls die Möglichkeiten, in
naher Zukunft eine Beschwerdestelle einrichten zu können."
Dass dies letztlich aber noch nicht ausreicht in Zeiten, da deutsche
Neonazis ihre Seiten immer häufiger bei amerikanischen Providern
lagern und deren Foren für den Austausch von Nachrichten
immer wichtiger werden, weiß auch der AKdH-Sprecher. Langfristiges
Ziel sei denn auch ein globales Netzwerk, betont Althof.
Zum
Netzwerk gehört eine eigene Homepage, die sich zurzeit noch
im Aufbau befindet (www.inach.net). Sie soll neben Informationen
über die Initiative und Cyber-Hate im Allgemeinen auch Länderreports,
juristische Bestimmungen der verschiedenen Staaten und die neueste
Rechtssprechung zum Thema bieten. Dass gerade Lücken im Strafrecht
einiger Staaten es den Autoren von Hass-Seiten leichter machen,
ist den INACH-Organisatoren bewusst. Sie verstehen sich daher
auch als Lobby für eine internationale Gesetzgebung, die
Diskriminierung im Internet bekämpfen soll.
Die
Zahl der Homepages deutscher Rechtsextremisten war im Laufe des
ersten Halbjahrs 2002 nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für
Verfassungsschutz auf 920 gesunken, nachdem im Jahr zuvor mit
1300 ein Rekordwert verzeichnet worden war. Als Ursache für
den Rückgang nennen die Verfassungsschützer zum einen
die Verunsicherung der Betreiber durch Strafverfolgungsmaßnahmen,
zum anderen auch die Sperrung solcher Homepages durch kommerzielle
Provider. Für eine Entwarnung gibt es keinen Anlass: Inzwischen
steigt die Zahl der Neonazi-Seiten wieder.
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