Rassendiskriminierung im Internet
Sehr
geehrter Herr Althof,
Sehr
geehrte Damen und Herren der AKdH
Nachdem
ich von der Kantonspolizei Zürich im März dieses Jahres
wegen Rassendiskriminierung angezeigt worden bin, hat sich seither
sehr vieles bei mir geändert.
Ich
bin ein Multimediaelektronikerlehrling und vor etwa einem Jahr
habe ich mich entschlossen, mir mit meinem ersten Lehrlingslohn
einen Internetzugang einzurichten. Zu dieser Zeit war ich schon
ziemlich geübt im Umgang mit dem Computer. Ich fand mich
im Internet rasch zurecht und hatte innerhalb eines Monates
erste Kontakte zu anderen Usern im Internet. Im Sommerloch hatten
die Medien bis weit in den Herbst hinein vom braunen Sumpf
im Internet berichtet. Da ich täglich sowohl die nationalen
als auch internationalen Geschehnisse im Fernsehen und in der
Tageszeitung verfolgte, kam ich ebenfalls auf diese Themen,
die sich sowohl auf linksextreme als auch auf rechtsextreme
Aktivitäten bezogen haben.
Als
die Aktualität des Themas langsam wieder abflaute, begann
ich neugierig im Internet nach solchen Seiten zu suchen. Mich
nahm es wunder, wie rechtsextreme Gruppen es schafften, tagelang
das Medieninteresse auf sich ziehen zu können. Man sprach
von internationalen faschistischen Netzwerken, welche
sich durch das Internet verbinden würden. Aus reiner Neugier
suchte ich in den gängigsten Suchmaschinen nach solchen
Seiten. Doch ohne Erfolg. Wie ich heute weiss, hatte ich die
falschen Suchbegriffe eingegeben. Ich fand kaum interessante
Themen und Berichte zum Problem Rechtsextremismus. Das ganze
wurde für mich zu einer Herausforderung. Ich konnte nicht
verstehen, weshalb man keine solche Seiten finden konnte.
Ich
überlegte mir, wie ich dennoch auf solche Seiten kommen
könnte. Ich hatte zu dieser Zeit nämlich keine Ahnung,
was ich auf diesen Seiten antreffen würde. Ich versuchte,
von dem Gegenpol aus, nämlich den Linksextremisten, auf
solche Webseiten zu gelangen. Das war nicht schwer. In den Suchmaschinen
findet man rasch linksextreme Seiten. Diese führten automatisch
zu rechtsextremen Links. Hierauf verlor ich wieder
das Interesse an der Politik.
Ich
ging normal durchs Internet. Oft bewegte ich mich in einem kleinen
Chatraum, wo sich die meisten User unter verdeckten Namen kennen.
Doch dort störten mich häufig ausländische Chater
mit dummen Bemerkungen wie bünzli Schwiizer
oder Schweizer sind eingebildet. In meiner Wut und
meinem Leichtsinn, an die Anonymität des Internets glaubend,
gab ich mich als eine andere Person aus (mit einem anderen Chatnamen)
und sagte meine Meinung. Dies tat ich von nun an immer öfter,
so dass sich mit meinem Engagement solche Ereignisse häuften.
Eines ergab das andere.
Ich
merkte, dass viele User mit mir einverstanden waren, dass jemand
endlich etwas sagte. Ich machte dann auch Internetbekanntschaften
mit Rechtsextremen und chatete mit diesen Personen. Langsam
wuchs mein Interesse wieder an rechtsextremen Internetseiten.
Ich dachte wenn ich mich mit diesen Leuten gut vertrage, dann
hätte ich endlich auch einmal Einblick in das sogenannte
internationale Netzwerk von rechtsextremen Organisationen.
Ich
lernte von da an auch die Bedeutung der Wörter wie 88
und 28 kennen. Jede Zahl ist ein Buchstaben im Alphabet.
8 ist der Buchstabe H im Alphabet. 2
ist der Buchstabe B im Alphabet. 88
heisst in der Szene Heil Hitler und 28
bedeutet blood and honour.
Mit
diesen Suchbegriffen in den Suchmaschinen fand man sehr schnell
rechtsextreme Seiten. Sobald man eine Seite gefunden
hatte, war es hierauf nicht mehr schwer, weitere zu finden.
Das heisst, man findet oft Verweise zu anderen Seiten und diese
verweisen wieder auf weitere Seiten usw.
Als
ich einmal Einblick in diese Seiten hatte, liess mich das ganze
nicht mehr los. Das ganze fing mich an zu beeindrucken. Ich
wollten die Chatkontakte nicht mehr verlieren und chatete weiter.
Ich erzählte in meinem Chatkreis meine Entdeckungen im
Internet und bemerkte, dass viele das Vorhaben der Skinheads
unterstützen würden. Früher dachte ich immer,
dafür interessiere sich sowieso niemand. Aber die Chatgespräche
zeigten etwas anderes. Hierbei kam mir der Gedanke, ich könnte
meinen Chatfreunden die mühsame Arbeit ersparen, solche
Seiten im Internet zu finden und teilte Ihnen mit, wie die betreffenden
Adressen heissen würden.
Da
ich selber eine Homepage aufbaute und hierfür einen Themenkreis
benötigte, kam ich auf die rechtsextremen Themen. Zwar
nahm ich den Inhalt nie so richtig ernst, verkannte aber, dass
ich mit dem Aufbau meiner Homepage andere Leute verletzen könnte.
Auch verkannte ich, dass die anonymen Auseinandersetzungen im
Internet, auch wenn sich Ausländer über Schweizer
negativ geäussert haben, diese Ausländer nicht für
alle Ausländer Aussagen gemacht haben. Ich verlor jede
Differenzierung.
Damit
meine Chatfreunde nicht eine aufwendige Suche unternehmen mussten,
wie ich es tat, sammelte ich mehr Material über Nazis und
Skinheads und stellte dieses Material auf meiner Homepage zur
Verfügung.
Ich
sammelte überall im Internet Bilder, Liedtexte, Witze und
sonstigen Müll. Das ganze legte ich auf meiner Homepage
an, zunächst nur in einem Ordner, den niemand, ausser meine
Chatfreunde, kannte. Sie konnten dort bequem Material downloaden
und besuchen. Ich baute die Seite immer mehr aus. Später
suchte ich hierfür nach einem Gratisanbieter für Webspeicher
und wurde bald fündig: www.webjump.com. Dieser ging im
September 2001 in Konkurs.
Ich
machte die Homepage eigentlich nur, weil ich ein begeisterter
Webdesigner bin. Ich bastle gerne an Homepages herum und die
Gelegenheit nützte ich aus. Über das Chaten lernte
ich zufällig Rechtsextreme und Skinheads im Internet kennen,
die Interessen an meiner Homepage zeigten. Deren Interessen
bestätigte die Webkünste meiner Homepage, die ich
alleine gemacht habe. Zwar wurde alles in der Mehrzahl geschrieben
(in der Wir- Form), jedoch nur, um die Seite als wichtig
erscheinen zu lassen.
Als
dann anfangs des Jahres 2001 in den Zeitungen stand, dass www.front14.org
nicht mehr aus der Schweiz aufrufbar sei, war ich wütend.
Ich glaubte an die unzensurierte Welt im Internet. Ich ärgerte
mich sehr darüber. Hierauf habe ich dann immer diskriminierendere
Sachen auf meiner Homepage festgehalten, ohne mir der Konsequenzen
bewusst zu sein. Ich stürzte mich in der Anonymität
des Internets in eine Sache, die ich heute bereue.
Einerseits
hatte ich erstmals eine Internetseite, welche gut besucht war
und wo ich Bestätigung fand, andererseits wollte ich mich
aber nie strafbar machen. Ich bekam in der Mailbox immer öfters
Meldungen von Mitgliedern, welche mir von der Sperrung von www.front14.org
berichteten. Folglich schrieb ich immer dümmere und unüberlegtere
Berichte. Doch die Reaktionen der Internetbesucher waren positiv,
es gab keine kritischen Stimmen, die mich zur Besinnung riefen.
Dennoch
hatte mich später ein schlechtes Gefühl gepackt und
ich löschte viele Texte aus der Internetseite. Ich machte
mir langsam ernsthafte Gedanken, was ich überhaupt mit
meiner Internetseite bezwecken wollte. Ich wollte bereits über
den Untergang meiner Seite im Chatforum diskutieren, doch es
kam nicht mehr so weit. Ich hatte schon lange kein Update der
Seite mehr gemacht, weil ich diese schliessen wollte. Dann kam
eines morgens die Polizei und nahm mich fest. Was dann passiert
ist, wissen Sie bereits.
Ich
machte mir in den vergangenen Monaten bis heute in vielerlei
Hinsicht Gedanken darüber, was ich gemacht habe. Und habe
heute ein schlechtes Gewissen. Ich empfinde es als schlimm,
was ich auf der Homepage verbreitet habe. Ich habe mir damals
zu wenig Gedanken darüber gemacht, wie schwer ich andere
Personen verletzen könnte. Meine Gedanken waren irregeleitet
von dem braunen Müll, welchen ich im Internet
gelesen hatte. Ich bin manipuliert worden, so dass ich mir überhaupt
keine freien Gedanken mehr über die Auswirkungen auf die
Gefühle anderer Menschen gemacht habe. Das schlimmste war
aber, dass ich eigentlich meine eigene freie Meinung und wahre
Identität verloren hatte. Heute möchte ich wieder
ein frei denkender Mensch sein, der ohne Voreingenommenheit
und ohne Ablehnung gegen Ausländer und gegen andere Glaubensrichtungen
kritisch sein kann, hinterfrägt, nicht aber unsachlich
und bösartig andere Menschen verletzt. Ich werde ganz gewiss
aus diesem Vorfall etwas gelernt haben, dass nämlich Verallgemeinerungen
gegen Gruppierungen, gleich welcher Art, immer verletzend sind
und nie gerechtfertigt werden dürfen. Ich gehe heute mit
fremden Menschen ganz anders um. Ich habe gelernt, wie leicht
jugendlicher Unsinn von anderen missbraucht und manipuliert
werden kann.
Ich
weiss, dass die verletzten Gefühle Ihrerseits nicht wieder
gutgemacht werden können. Ein Wort einmal ausgesprochen,
kann nie mehr zurückgenommen werden. Ich weiss auch, dass
das, was ich geschrieben und verbreitet habe, nicht mehr rückgängig
gemacht werden kann. Und es tut mir leid.
Ich
weiss, dass ich seit diesem Ereignis ein sehr viel kritischerer
Mensch mit viel mehr Sorgfalt gegenüber anderen Menschen
geworden bin, der mit anderen Menschen und Vorurteilen besser
umgehen kann. Ich werde nie mehr jemanden beschuldigen, nur
weil er eine andere Nationalität hat oder eine andere Glaubensrichtung
besitzt.
Ich
will mich mit diesen wenigen Zeilen bei all jenen entschuldigen,
die ich verletzt habe. Ich kann es leider nicht mehr rückgängig
machen, werde aber aus den begangenen Fehlern ganz gewiss lernen.
Ich
bitte aufrichtig um Verzeihung
Hans
B.