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  Seine allerletzte Chance. Aarau: Ex-Mitglied der Pnos vor Gericht
 

QU: Aargauer Zeitung, 25.04.2008

Wenn es der 30-jährige Familienvater nach dieser Verhandlung nicht erfasst hat, dann ist ihm wohl auch von Anwalt und Therapeut nicht mehr zu helfen: «Das ist Ihre letzte Chance. Wenn das Geringste passiert, hocken Sie alle Ihre bisherigen Strafen ab», wurde Gerichtspräsidentin Karin Gygax in der Urteilsverkündung deutlich. Das Bezirksgericht Aarau hatte es sich mit dem einstigen Pnos -Mitglied nicht leichtgemacht. Das belegen die lange Urteilsberatung sowie die Tatsache, dass kein einstimmiger Entscheid zustande gekommen ist.

Für das ehemals führende Mitglied der rechtsextremen Organisation ging es in dieser Verhandlung um viel. Der Staatsanwalt hatte den Mann wegen Rassendiskriminierung, Fahrens in angetrunkenem Zustand, Vernachlässigung von Unterhaltspflichten und Ungehorsam als Schuldner im Betreibungsverfahren für 18 Monate ins Gefängnis stecken wollen. Das als Gesamtstrafe, unter Berücksichtigung des Widerrufs früherer, bedingt erlassener Strafen.

Ist er «geheilt» oder nicht?

Für das Gericht ging es insbesondere um die Frage, ob und wie weit der 30-Jährige noch mit der rechtsextremen Szene vernetzt ist. Nach eigenem Bekunden will er damit seit 2003 nichts mehr zu tun haben. Das zwischenzeitliche Anbieten von nationalsozialistischen Emblemen, Links auf der privaten Homepage zu Seiten mit rassistischem Inhalt und das Absingen «wüster» Lieder an öffentlichen Anlässen liessen allerdings Zweifel an seiner tatsächlichen Gesinnung aufkommen. Ein Mitarbeiter der Aktion Kinder des Holocaust, der den Angeklagten beim Ausstieg aus der Szene betreut, sagte jedoch, der Mann sei reifer geworden, habe sich von früheren Freunden abgewendet, kümmere sich gut um seine fünfköpfige Familie und habe Leben und Finanzen insgesamt besser im Griff. Eine Gefängnisstrafe, argumentierte der Therapeut (und später auch der Verteidiger), würde den positiven Prozess gefährden.

Das Gericht erkannte mangels klaren Beweisen nicht in allen Anklagepunkten auf schuldig. Bezüglich Vernachlässigung der Unterhaltspflicht kam es zu einem Vergleich. Auf den Widerruf früherer, bedingt ausgesprochener Strafen wurde verzichtet. Mit 3 Monaten Gefängnis unbedingt, die er in 360 Stunden gemeinnütziger Arbeit absitzen kann, kam der Angeklagte recht glimpflich davon. (to)


© Aktion Kinder des Holocaust