Rechte treten aus der Anonymität ans Licht
QU: Basler-Zeitung, 23.11.2001

Ein Vortrag zum Thema «Umgang mit Rechtsextremismus» in Rheinfelden zog auch rund 15 rechte Leute an. Ausschlaggebend zu diesem öffentlichen Anlass war die Unruhe in Rheinfelden, als bekannt wurde, dass Rechtsextremisten einen Laden in der Altstadt eröffnen wollen.

Gegner des Ladens zeigen ihr Missfallen auf handfeste Weise. Foto Beat Zimmermann

Rheinfelden. Der Polizeichef von Rheinfelden, Hans Glaser, wurde blitzartig aufmerksam, als am Mittwochabend immer mehr glatzköpfige Leute in die Salme Schüre in Rheinfelden strömten. Der Vortrag zum Umgang mit Rechtsextremismus schien auch die Angesprochenen zu locken. Und sie blieben nach dem Vortrag während der Diskussion nicht stumm, sondern wehrten sich vehement gegen «Vorurteile und Misstrauen, das uns entgegenschlägt», wie einer formulierte.

Weder ignorieren noch dramatisieren

Der Rheinfelder Trägerverein für Schüler-, Jugend- und Kinderkultur (Schjkk) hatte Franz Kohler, Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen als Referenten eingeladen. Grund für diesen spontan angesagten Abend war die Verunsicherung unter den Einwohnern von Rheinfelden. In der Geissgasse wollen Vertreter der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) einen Laden eröffnen, in dem Hooligan-Streetwear verkauft werden soll. Die Rheinfelderinnen und Rheinfelder reagierten darauf schockiert.
Kohler erläuterte in seinem Referat, dass weder Ignorieren noch Dramatisieren im Umgang mit der rechten Szene angebracht sei. «Wir brauchen einen Mittelweg, wir brauchen die Kommunikation», meinte er dazu. Er präsentierte dazu Studien, die er für die Kantone Baselland und Basel-Stadt erstellt hatte.
Er stellte fest, dass Rechtsextremismus kein Randgruppenphänomen sei. Stimulierende Faktoren für die jungen Leute mit rechtsextremer Gesinnung seien das Gruppengefühl, das Medieninteresse und nicht zuletzt Gefühle des Zukurzkommens. Oft fungiere die Gruppe als Familienersatz zwischen Herkunftsfamilie und Perspektive. Hinter Fremdenfeindlichkeit stehe oft auch ein Abgrenzungsproblem. Da unsere Gesellschaft dazu tendiere, wegzuschauen, fehle die Grenzziehung. «Wir müssen alle einzelnen Felder abstimmen. Polizei, Eltern, Jugendarbeiter, Politik, Sport und Schule müssen zusammenarbeiten», meinte er. Doch daneben sei eines ganz wichtig: «So schwer es uns fällt, wir müssen eine akzeptierende Grundhaltung leben. Das heisst nicht, dass wir alles gutheissen, was dort läuft, doch wir müssen die Integrität dieser Personen akzeptieren», machte er deutlich.
Im Anschluss an dieses Referat meldeten sich die Angesprochenen selbst zu Wort. Der Vizepräsident der Pnos, Jonas Gisin, etwa beschwerte sich, dass ihre Gesinnung in unserer Demokratie kaum Platz habe, ja die Gewalt würden sie öfters von der Gegenseite erleben. Unbekannte hätten beim Laden an der Geissgasse die Scheibe eingeschlagen und es seien Morddrohungen eingegangen. «Nur weil wir in Bomberjacken und mit Glatzköpfen herumlaufen sind wir noch lange nicht gewalttätig.» Der Mitbesitzer des Ladens, Sacha Kunz, versicherte, dass sich ganz gewiss niemand beunruhigen müsse, es werde alles mit rechten Dingen zugehen.

Embleme machen Angst

«Eine Zuhörerin meinte: «Ich fühle mich betroffen und sehr ängstlich, wenn ich diese Embleme und Kapuzen mit Schlitzaugen sehe, die da im Laden hängen.» Eine andere äusserte, sie habe Mühe, da sie viel Menschenverachtung aus der Gesinnung der rechten Szene spüre. Schliesslich meldete sich auch der Vermieter des Ladens, Hans Zoller, zu Wort: «Ich bin im Kleinbasel aufgewachsen und grundsätzlich für Ausländer. Doch oft wird es auch mir des Guten zu viel», meinte er. Er glaube an diese jungen Leute und könne sich nicht vorstellen, dass im Laden etwas Unrechtes verkauft würde.
Die Bilanz am Ende des Abends war gut. Zwar äusserten sich einige Anwesende nicht ganz beruhigt, doch war man froh, dass diskutiert worden war. Wohlwollen schlug den Vertretern der rechten Szene entgegen, weil sie das Gespräch gesucht und zum Anlass gekommen waren. Auch die Präsidentin des Schjkk, Béa Bieber, äusserte sich zufrieden: «Wir wünschen uns eine Normalisierung der Situation und sind froh, dass eine Plattform geschaffen wurde, die es ermöglichte, Unbehagen und Ängste ausdrücken zu können.» Man werde jedoch das Geschäft, dessen Angebot und Aktivitäten sehr genau im Auge behalten. Franziska Laur


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