Säen
und ernten?
QU: Fricktaler Zeitung, 27. November 2001 Die Abwesenden - eingeschlossen die Ängstlichen und von der Geschichte Geprägten - hatten Unrecht. Die Diskussion vom vergangenen Mittwoch in der Salme Schüre in Rheinfelden (Vgl. FZ vom 23.11.) zum Thema Rechtsextremismus war insofern aufschlussreich, als die werbespotartigen Botschaften von Exponenten einer rechten Gruppierung viele Befürchtungen nährten. Wie auch immer die Persönlichkeitsstruktur von "Rechtsstehenden" ausfällt, sie bilden eine homogene Gruppe, der mit rationalen Argumenten nicht beizukommen ist. Und die Erklärung des Fachmanns an der Veranstaltung in Rheinfelden in Bezug auf das Profil der Skinheads nützt herzlich wenig, wenn sie Menschen überall dort, wo sie ihr "zweifelhaftes Material" feilhalten oder/und rassistische Slogans äussern, den Schlaf rauben. Auch wer im Städtli zur geplanten Eröffnung eines Hooligan-Ladens meint "warum denn ausgerechnet bei uns?" muss jetzt zwangsläufig damit leben und sich tagtäglich mit einer vermeintlich zivilisierten Menschengruppe abgeben, die nicht sattelfest im Umgang mit Andersdenkenden ist. Die Verantwortlichen von Rheinfelden (Stadtväter, Parteiexponenten) glänzten durch Abwesenheit an dieser wichtigen Veranstaltung. Nur gerade die Präsidentin des Vereins Schüler-, Jugend- und Kinderkultur (Schjkk), Stadträtin Béa Bier, war anwesend und versuchte eine Diskussion in Gang zu bringen. Eine gegen Aussen adrett auftretende Mannschaft - unter ihnen ein Deutsch- und Geschichtslehrer in fortgeschrittenem Alter, welcher sich als bekennender Patriot outete - hat die Salme-Schüre-Runde in eineinhalb Stunden regelrecht verstummen lassen. Denn angesichts der Rhetorik von Aktivisten und einer Ansammlung ihrer gewohnheitsmässigen Mitläufer, die unter dem Kürzel PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) auftritt, muss daran erinnert werden: "Wehret den Anfängen." Die Ideologie der schwarz Gewandeten und gesinnungsmässig eher braun Gefärbten fördert deren innerliche Verzweiflung zutage. Wer lauthals verkündet "die Schweiz gehört mir, und diese verteidige ich bis zum letzten Blutstropfen" muss in seinem Leben etwas verpasst haben. Geschichtsunterricht und Schilderungen der Väter oder Grossväter, welche im Krieg standen oder sich in anderer Form gegen den Nazi-Gräuel wehrten, haben diese Nachkommenden verdrängt. Die Verdammung der Menschen aus anderen Kulturkreisen stellt Dreh- und Angelpunkt der PNOS-Exponenten dar. Die Wehrlosen, die als Wirtschaftsflüchtlinge, als Kriegsvertriebene oder Folteropfer Zuflucht in der Schweiz suchen, sind im Visier der Rechtsextremen schlicht und einfach "Pack". Die Ausländerfrage (welch grässlicher Ausdruck) greift tief in die angeblich "Heile-Schweiz"-Mentalität ein. Zugegeben, es wächst die Zahl der Kinder und Erwachsenen, die weder Deutsch noch Französisch, geschweige denn Italienisch oder Rätoromanisch verstehen oder lernen wollen und Sitten und Gebräuche ihres Gastlandes negieren. Integrationskurse finden vor leeren Stühlen statt, weil sich viele Fremde nicht angesprochen fühlen oder aus Gründen der Tradition und Herkunft das Schweigen verinnerlicht haben. Repräsentaten von Politik und Wirtschaft lassen sich allerdings auch allzu schnell vom Populismus leiten, anstatt Klartext zu reden und den Finger auf die Wunde zu legen. Die faschistische Rassenpolitik der Nazis könnte, ja muss im Schulunterricht und am Familientisch thematisiert werden. Nicht nur der Hooligans wegen. Die breite Diskussion in allen Bevölkerungsschichten würde der PNOS-Gruppierung deren Freude nehmen, auf der Klaviatur des Schockierens (aber nicht des vernünftigen Argumentierens) zu spielen. Mir dreht sich das Bibelwort "Sie säen nicht und ernten doch" als Gleichung im Kopf. Wer Hasstiraden und Hurrapatriotismus auf seine Fahne geschrieben hat, gibt mit seinen Produkten (im Ladengeschäft) wie auch den verbalen Schöpfungen Anlass, verunsicherte (vorwiegend) Jugendliche in das einfache Denkmuster (ich bin gut, der Fremde ist schlecht) einzubinden. Meine Pflicht und Schuldigkeit sowie die Rede- und Handlungsfreiheit gebieten es mir, auch jene Menschen wachzurütteln, welche die Skinheads als quantité négligable abtun oder sogar die Augen vor ihnen verschliessen. Eine unzufriedene Gruppierung von Wohlstands-Kids und -Erwachsenen kann die Problematik im Zusammenleben von verschiedenen Ethnien nicht lösen. Und wenn sie sich damit rühmen, absolut gewaltlos aufzutreten und die Polizei in Rheinfelden auffordern, angesichts der eingeschlagenen Schaufensterscheibe ständig durch die Geissgasse zu patroullieren, dann hat die Aufregung auch innerhalb der PNOS wohl einen Ursprung. Denn: Sie müssen ja ihre Artikel per Internet oder Laden an die Gutgläubigen oder Nichtsahnenden verkaufen, um ihr bedenkliches Netzwerk ausweiten zu können. Was sollen den Jammeriaden oder am geplanten Laden angebrachte Pamphlete über die ach so böse Presse? Richtig: Es wird über diese ungefähr 200 Männer umfassende Gruppierung geredet, man ängstigt sich und glaubt, es werde bald einmal eine Versammlungsecke von Rechtsextremen in Rheinfelden zur Institution, der nicht beizukommen ist. Eine öffentliche Diskussionsrunde in einem grösseren Kreis von PNOS- Repräsentanten oder generell rechten Bürgerinnen und Bürgern sowie jüngeren und älteren Menschen aus Rheinfelden und der Region ist dringend nötig. Der Schjkk-Anlass darf nicht als abgehaktes Thema im brand-gefährlichen Hooligan-Umfeld seinen vorläufigen Schluss gefunden haben. REGINA ERB |