Gewaltbereitschaft extremer Gruppierungen
QU: Neue Zürcher Zeitung; 2001-12-31

Zahlen des Bundesamtes für Polizei

Bern, 30. Dez. (ap) In der Schweiz hat der harte Kern der rechtsextremen Aktivisten 2001 weiteren Zulauf erhalten. Eine drastische Zunahme wurde bei den Besucherzahlen von Skinhead-Konzerten registriert. Am anderen Ende des politischen Spektrums manifestierten Linksextreme ihre Gewaltbereitschaft vor allem bei Demonstrationen.

Der harte Kern der rechtsextremen Szene besteht nach der Einschätzung von Urs von Daeniken, Leiter des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) des Bundesamts für Polizei, heute aus 900 bis 950 Aktivisten. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine leichte Zunahme, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur AP sagte. Das Jahr war geprägt durch mehrere Veranstaltungen von Rechtsextremen mit bis zu 900 Besuchern. Dabei stammte bis zur Hälfte der Anwesenden aus dem benachbarten Ausland. Diese Zahlen sind laut von Daeniken auch im internationalen Vergleich hoch. Dem DAP wurden 55 Veranstaltungen mit rund einem Dutzend bis zu mehreren hundert Teilnehmern bekannt.

Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten weist dieses Jahr mit 39 registrierten Fällen (ohne Widerhandlungen gegen die Rassismusstrafnorm) eine leicht rückläufige Tendenz auf. Dem DAP wurden 94 durch Rechtsextreme ausgelöste Vorfälle bekannt, verglichen mit 134 im Vorjahr. 1999 waren es erst 41 Vorfälle gewesen. Als weitere besondere Entwicklung ist laut von Daeniken festzustellen, dass sich einzelne Gruppen von Gewalt zu distanzieren und eine politische Perspektive zu entwickeln versuchen. Im Vordergrund stehen die Nationale Partei Schweiz und die Partei national orientierter Schweizer. Mit den wenigen Dutzend bisher aktiver Rechtsextremisten seien jedoch keine grossen Erfolge zu erwarten. Die Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Szene bleibt laut dem DAP weiterhin unberechenbar.

In der linksextremen Szene manifestiert sich das Gewaltpotenzial vor allem bei Kundgebungen: Dies hat sich im laufenden Jahr etwa bei den Aktionen gegen das Weltwirtschaftsforum Davos, an der 1.-Mai-Feier in Zürich sowie an der Pfingst-Demonstration vom 2. Juni in Bern gezeigt. Im Gegensatz zur rechtsextremen Gewalt richtet sich die linksextreme Gewalt laut von Daeniken in der Regel gegen Sachen, wobei die Hemmschwelle niedrig ist. Ausgenommen sind Ordnungskräfte und Personen, die als «Faschisten» beurteilt werden. Über die Grösse der gewaltbereiten linksextremen Szene liegen keine verlässlichen Zahlen vor. Es ist von einem harten Kern von mehreren Dutzend Leuten auszugehen, denen es gelingt, mehrere hundert gewaltorientierte Aktivisten situationsbezogen vor Ort zu mobilisieren. Dieser lokale Zusammenschluss im «Schwarzen Block» stellt laut von Daeniken jeweils ein erhebliches Gewaltpotenzial und eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar.

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