Neonazis
obenauf Die NPD
hat die Regierung in der Hand Allzweckwaffe
der NPD Dank staatlicher Unterstützung ist die NPD nun, sieben Monate vor der Bundestagswahl, wieder obenauf. "Das ist das Schlimmste was uns hätte passieren können", gibt der Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner zu. "Wir bekommen es jetzt mit einer selbstbewussten, aggressiven Szene zu tun." Die ersten Anzeichen dafür gibt es schon: So kündigte der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz an, ein Jugendzentrum für eine verbesserte Anbindung des Nachwuchses erstehen zu wollen. Der Freundeskreis des führende neonatinonalsozialistischen NPD-Liedermachers Frank Rennicke rief - einmalig in der Parteigeschichte - zu einer Demonstration vor dem Haus eines ihm verhassten Staatsanwaltes auf. Geheimdienstchefs wie der niedersächsische VS-Präsident Rüdiger Hesse berichten von "Jubel" und "Aufbruchstimmung" in der rechten Szene - aber auch von einer gewissen Unsicherheit und Paranoia: Wenn nämlich die Führungskader der NPD abends beim Bier zusammensitzen, beginnt in letzter Zeit ein eigenartiges Ratespiel: Wer-ist-der-V-Mann? heißt es. Einer der Männer spricht einen Verdacht aus, die anderen steigen ein, bis aus dem Spiel irgendwann Ernst wird und jeder jeden beschuldigt, ein Spitzel des Geheimdienstes zu sein. Spät in der Nacht dann, wenn die Nationalisten auseinander gehen, sind sie, wie ein Funktionär berichtet, entweder heillos zerstritten oder flüchten sich in Galgenhumor: "Bei uns kommt der Verfassungsschutz locker auf eine Zweidrittelmehrheit."V-Männer
als Strafttäter - Landeschefs wie der am Freitag enttarnte Udo Holtmann, der eng mit dem Führer der rechtsextremistischern Terrorgruppe Europäische Befreiungsfront kooperierte; - Militante Neonazis wie Michael Grube, alias "Martin", der sich an dem Brandanschlag auf eine Pizzeria in Grevesmühlen beteiligte;- Antisemiten wie NPD-Gründungsmitglied Wolfgang Frenz ("Auschwitz ist die Machtergreifung durch das vernetzte Judentums"), dessen Enttarnung die Pannenserie im Innenministerium am Dienstag der vergangenen Woche einleitete; - Führungskader wie der Neonazi Tino Brandt, der mit seinem "staatlichen" Ho-norar (bis zu 100000 Euro) die rechte Szene finanzierte; - Komplette
Führungsmannschaften wie in Mecklenburg-Vorpommern, so dass nahezu
die gesamte Parteiarbeit in den Händen von V-Männern lag. Bizarre
Form der Arbeitsbeschaffung Dass noch weitere V-Männer in den Verbotsanträgen auftauchen werden, gilt unter Geheimdienstchefs als sicher. Zitieren jedoch lässt sich in diesen Tagen niemand. Auch der NPD war hinlänglich bekannt, dass Frenz und Holtmann und etwa hundert andere Spitzel in der NPD wirken, und so erarbeiteten Mahler und Parteiführer Voigt vor gut einem Jahr ihre fragwürdige, aber, wie man heute weiß, höchst wirkungsvolle Strategie. Sie suchten systematisch nach den Maulwürfen in der eigenen Partei, um diese dem Bundesverfassungsgericht als Agents provocateurs des Staates zu präsentieren.Amnestie
und Ausstiegsprämien Ins Internet stellte man Anleitungen zum Umgang mit V-Leuten ("Droht ihnen mit Strafanzeigen wegen Belästigung, wenn sie sich nicht verpissen wollen") und erzielte damit die gewünschte Wirkung: Eine "Verunsicherung der Szene und eine Erschwerung unserer Arbeit", wie Niedersachsens Verfassungsschutzchef Hesse heute feststellt. Der ganze Verbotsantrag gegen die NPD hat bisher nur einer Seite genützt: der NPD selbst. Während Verfassungsrechtler und Parteienforscher seit zwei Jahren die Vor- und Nachteile des Verbots abwägen, während Stoiber sich dafür ausspricht und Koch dagegen, Schröder dafür und Westerwelle dagegen, Schily einst dagegen und jetzt dafür, hat sich die NPD in aller Ruhe eine Strategie zurechtgelegt. Nach außen gibt sich die Parteiführung (mit Ausnahme Mahlers) moderat, um die Karlsruher Richter von ihrer Harmlosigkeit zu überzeugen. Sie setzt Parteidemonstrationen aus und schließt radikale Neonazis wie Steffen Hupka noch im Dezember 2001 aus der Partei aus. Auf Demonstrationen überdecken die Kader der Partei ihre tätowierten Hakenkreuze mit Pflastern, und die Chefideologen halten sich weitgehend an die Linie, wie sie Jürgen Schwab, Leiter des NPD-Arbeitskreises "Volk und Staat" darlegt: "Stand in meinem ursprünglichen Papier: Das System muss ersetzt werden, so wurde jetzt daraus "Das System muss reformiert bzw. verbessert werden."Solidarisierung
im rechten Lager - So fungiert Rolf Kosiek, zuvor Chefideologe der NPD und ehemals Abgeordneter seiner Partei im baden-württembergischen Landtag, als Vorsitzender der Gesellschaft für Freie Publizistik, der größten rechtsextremen kulturpolitischen Vereinigung Deutschlands; - So ist Deutschlands bekanntester Neonazi-Skin, Christian Hehl, NPD-Landesvorstandsmitglied in Rheinland-Pfalz, gleichzeitig auch prominentes Mitglied in der HNG (Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene), dem mitgliederstärksten Neonazi-Zusammenschluss der Bundesrepublik, wo auch andere Parteiführer wie der Vorzeige-Intellektuelle Jürgen Schwab zunehmend Einfluss gewinnen, wie aus einem internen Kongress-Protokoll hervorgeht; - In leitender Funktion bei der rassistischen "Artgemeinschaft-Germanische Glaubensgemeinschaft wesensmäßiger Lebensgestaltung e. V." ist laut einer internen Liste Edda Schmidt, Vorstandsmitglied des Landesverbandes der baden-württembergischen NPD und Leiterin des Amtes für "Volks- und Brauchtum";- Geschäftsführender Vorsitzender der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" ist Jürgen Schützinger, vormals Landesvorsitzender der baden-württembergischen NPD; - Rechtsbeistand der revisionistischen "Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur e.V. zur Förderung deutschen Lebens" ist laut der NS-apologetischen Zeitschrift "Huttenbriefe" der Vorsitzende des NPD-Bundesschiedgerichtes Wolf-ram Nahrath, letzter Führer der Wiking-Jugend vor ihrem Verbot im Jahr 1994. Aufruf
zum "Krieg mit dem System" Freie Kameradschaften verfügen über keine vereinsähnlichen Strukturen und zeichnen sich laut Verfassungsschutz durch eine "gesteigerte Gewaltbereitschaft bis hin zu terroristischen Ansätzen aus". Bereits im Dezember 2000 warnte das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass freie Kameradschaften Kontakte zur NPD und deren Jugendorganisation JN unterhalten und zum "Krieg mit dem System" aufrufen. Auch die Kontakte ins Ausland hat die NPD angesichts des drohenden Verbots ausgebaut. Nach Geheimdienstinformationen hielten sich im April 2001 die NPD-Bundesvorstandsmitglieder Distler, Pühse und Apfel zu Beratungen im Hauptquartier der National Alliance in West Virginia auf. Die NA ist die bedeutendste und mitgliederstärkste Neonazi-Organisation der USA und wird seit 1974 von William Pierce angeführt. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Bundes heißt es, Pierce versuche seinen Einfluss auf die europäische rechtsextremistische Szene auszudehnen und "nahm mehrfach an Kongressen der NPD und JN als Redner teil". 1978 veröffentlichte Pierce unter dem Pseudonym Andrew MacDonald das Buch "The Turner Diaries", in dem ein entführtes Flugzeug auf das Pentagon stürzt.Rechtsextremer
Islamist als Bindeglied Die NPD-Jugendorganisation JN baut zunehmend ihre Verbindungen zur "Nationalen Jugend Schwedens" aus. Mitglieder der schwedischen NJ ermordeten am 12. 10. 1999 im Stockholmer Vorort Sätra den Gewerkschafter Björn Söderberg. Besonders enge Kontakte pflegen NPD und JN auch zur rechtsextremen Forza Nuova in Italien, deren Gründungsvater Roberto Fiore der italienischen Terrororganisation "Terza Posizione" entstammt und bei der NPD häufig als Ehrengast referiert. In Italien wird seit Anfang 2001 ebenfalls über ein Verbot der Forza Nuova nachgedacht, weil Mitglieder der Partei an einem Bombenanschlag auf die Redaktion der Tageszeitung Il Manifesto beteiligt gewesen sein sollen. Auch beim lukrativen Handel mit NS-Devotionalien will die NPD angesichts des drohenden Verbots neue Strukturen schaffen. Der parteieigene Verlag, die "Deutsche Stimme" - längst die größte Propaganda-Produktionsstätte des rechten Lagers, die von SS-Büchern über NS-Parfüm bis zu Runen alles vertreibt, würde, rechtzeitig vor einer Beschlagnahmung, die Aktivitäten auslagern. - NPD-Vorstandsmitglied Jens Pühse besitzt einen CD-Versand und betreibt in Riesa einen Szeneladen; - Der Aufruhr-Versand in Gera wird von dem NPD-Landesvorstandsmitglied Jörg Krautheim geleitet und vertreibt sowohl rechte Musik (Oithanasie, Kampfzone) als auch NS-Bücher; - Inhaber des CD-Vertriebs Moin Moin Records in Leer ist Cord Pleis, laut Polizei stellvertretender niedersächsischer Landesvorsitzender der NPD, bei dem kürzlich Tonträger mit rechtsextremistischen Liedtexten beschlagnahmt wurden. Nur symbolischer
Wert Jan Christoph Wiechmann / Mitarbeit: Anton Maegerle
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