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Berner Zeitung; 2003-10-18 Eine
neue Generation von Rechtsradikalen etabliert sich mit sanften
Tönen. Die alte Garde unterstützt sie kräftig und
sorgt für die Vernetzung - bis weit in die politischen Parteien
des Kantons Bern.
Von
Otto Hostettler
Die Bildmitteilung auf dem Handy hätte eindeutiger nicht
sein können: Neben dem Hakenkreuz stand die Abkürzung
für «Heil Hitler». Doch Handybesitzer und Holocaustleugner
Bernhard Schaub
aus Kreuzlingen, einer der wohl einflussreichsten Rechtsextremen
der Schweiz, hatte auch andere Mitteilungen auf seinem Handy nicht
mehr löschen können, bevor es ihm aus seinem Auto gestohlen
wurde. Antifa-Aktivisten hatten das Handy, Schaubs Adressbuch
und seine Agenda geklaut, als er im August in Hasle-Rüegsau
Exponenten der Partei National
Orientierter Schweizer (PNOS) treffen wollte. Abschriften
der im Handy gespeicherten Nummern und Mitteilungen sowie Kopien
des Adressbuches - die dieser Zeitung anonym zugespielt wurden
- lassen keinen Zweifel an der Authentizität der Informationen.
Aufschlussreich
ist neben den Telefonlisten vor allem das Adressbuch von Schaub.
Er wirkt quer durch die ganze Schweiz als Drehscheibe - mit besten
Kontakten zu deutschen Kameraden und mehreren deutsch-nationalen
Organisationen. In der Schweiz hat er die Napo (Nationale Ausserparlamentarische
Opposition) lanciert. Mitglied der Partei National Orientierter
Schweizer ist er aber explizit nicht, auch wenn er als deren Vordenker
gilt (PNOS-Selbstdefinition: «radikal - national - sozial»).
Der
Nationalrat
Schaubs
Adressbuch mit über 300 Einträgen (inklusive Handynummern)
listet neben der PNOS-Führungsgilde um den Basler
Jonas Gysin etwa die unverbesserlichen (und verurteilten)
Auschwitzleugner und Rassisten Jürgen Graf (Minsk/ Weissrussland)
und Gaston-Armand Amaudruz auf, aber auch eine ganze Reihe Personen
aus dem Kanton Bern. Darunter etwa Nationalrat und Schweizer Demokrat
Bernhard Hess (von Schaub als «Benno» bezeichnet).
Hess, der gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar
war, sagte kürzlich dem «Bund», er kenne Schaub
und sei «Duzis» mit ihm. Doch er betonte, nie den
Holocaust geleugnet zu haben. Gegenüber der «SonntagsZeitung»
gab Hess zu, zweimal Veranstaltungen der völkisch-heidnischen
Avalon-Gesellschaft besucht zu haben. Kern dieser Gruppe sind
der zum Islam konvertierte Achmed Huber aus Muri und der Worblaufner
Rechtsextremist Roger Wüthrich - beide ebenfalls in Schaubs
Adressbuch.
Laut
Huber erörtert Avalon regelmässig die «germanisch-keltische
Religion». Huber spricht über Hess von «meinem
Freund Benno» und beziffert die Zahl der Teilnehmenden auf
«manchmal 7, manchmal 20 Personen. An einer Sonnenwendefeier
seien es aber auch mal 150. Der rührige alt SPler nimmt die
Avalon-Teilnehmer in Schutz und meint lachend: «Ich mache
ihnen immer klar, dass Neonazi ein Blödsinn ist.» Er
stelle bei Jungen einfach eine «allgemeine Rückbesinnung
auf Heimat und traditionelle Werte fest».
Die
einstigen Flüchtlinge
Bei
Avalon gelegentlich mit dabei ist auch Jurij Schmidt. Zusammen
mit seinem Bruder Peter Hadjidimitrov sind die beiden ebenfalls
im Adressbuch des Rechtsextremisten Schaub aufgeführt. Beide
kamen in den 70er- Jahren als bulgarische Flüchtlinge in
die Schweiz. Der heute 55-jährige Schmidt nahm den Namen
seiner Frau an und hat in Lyss eine Arztpraxis. 1995 geriet Schmidt
in die Schlagzeilen, als der ärztliche Bezirksverein ihn
nicht aufnehmen wollte. Der Grund war Schmidts «Hobby»,
die Geschichte. Er äusserte mehr oder weniger offen Zweifel
an der Existenz der Gaskammern im Dritten Reich und engagierte
sich im Vorfeld der Abstimmung zum Antirassismusgesetz für
Revisionisten.
Zusammen
mit seinem Bruder Peter Hadjidimitrov (Zahnarzt in Wabern) halfen
er einst, in Bern eine Revisionisten-Tagung zu organisieren. Hadjidimitrov
selbst vertrieb Videokassetten eines Auschwitz-Leugners und sorgte
später erneut für Aufsehen: Er heiratete die bulgarische
Botschafterin in Bern, Elena Kirtcheva, und erlangte dadurch diplomatische
Immunität. Doch seine Weltanschauung veranlasste die bulgarische
Regierung, ihre Frau in Bern zurückzubeordern (inzwischen
sind sie geschieden).
Der
Nationalratskandidat
In
Schaubs Adressbuch findet sich aber auch der in Forst wohnhafte
Martin Frischknecht, der mit seiner Gesundheitspartei in den Nationalrat
möchte. Frischknecht gehörte einst den Schweizer Demokraten
an und nahm Hörkassetten auf («Das Hitler-Projekt»),
die über das SD-Sekretariat vertrieben wurden. Heute betont
Frischknecht: «Ich bin kein Extremist.» Was ihn interessiere,
sei die Gesundheit. «Ich bin weder links noch rechts, ich
bin normal.»
Doch
auch Frischknecht wird seine Vergangenheit nicht recht los. Vor
Jahresfrist trat er bei der PNOS als Redner auf - vor rund 150
Personen. Das Thema: Gesundheit. Er habe den PNOS-Zuhörern
versucht, klarzumachen, dass man nicht «gegen etwas»
sein könne, sondern «etwas für die Menschheit
tun» müsse. Er kämpfe deshalb auch nicht gegen
das Gesundheitswesen, sondern dafür. «Ich habe Ideen
entwickelt, da würde die Pharmaindustrie zittern, wenn sie
es wüsste.» Frischknecht bezeichnet sich selbst als
«weltweit erster Mensch, der Hepatitis C heilen kann».
Er richte einfach die Moleküle neu aus, «wie ein Kristall».
Die
Jungpartei
Auch
wenn Nationalrat Hess jüngst die Beziehung zu Holocaustleugner
Schaub herunterspielte. Der Kontakt zwischen Schweizer Demokraten
und dem äussersten rechten Rand funktioniert: So verteilten
kürzlich Sympathisanten der vor allem im Raum Burgdorf/Bern
aktiven Nationalen Offensive SD-Werbematerial. Und der wirblige
Adrian Moser aus Aarberg, Kassier der Jungen Schweizer Demokraten
(JSD) und Nationalratskandidat, hinterliess auf der Homepage der
NO Spuren. Im Gästebuch warb er mit seiner Aarberger Postfachadresse
bei «allen national denkenden stimmberechtigten Leuten»
für die rechte Jungpartei und bedankte sich bei der NO «für
die Unterstützung in den letzten Jahren».
Die
Entwarnung der Polizei
Die
Verschiebung der rechten Szene in etablierte Kreise stellt auch
die Kantonspolizei fest. «Einzelne Gruppen möchten
sich als politische Kräfte etablieren», schreibt das
Polizeikommando in einer Stellungnahme. Dabei nennt sie neben
der PNOS (mit ihrer Postfachadresse in Aefligen) auch die Nationale
Offensive. Der Polizei seien zurzeit knapp 200 Rechtsextremisten
und Skinheads mit Wohnsitz im Kanton Bern bekannt. Gewalttätige
Auftritte seien «wesentlich zurückgegangen»,
ebenso Aktivitäten, die auf provokative Publizität ausgerichtet
seien. Fazit: «Der Rechtsextremismus bildet im gegenwärtigen
Zeitpunkt keine grosse Gefahr für die öffentliche Sicherheit.»
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