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  150 Rechtsextreme ziehen durch Langenthal 
 

QU: Solothurner Zeitung 03.05.2004

DEMO · Nach dem 1.-Mai-Umzug der rechtsextremen PNOS kommt es zu Ausschreitungen und einer Gegendemo

Am Samstagnachmittag zogen 150 Rechtsextreme, laut rassistische Parolen skandierend, durch Langenthal. Am Ende der unbewilligten Demo kam es beim Bahnhof zu Auseinandersetzungen mit Linksautonomen. Ein Polizist wurde verletzt.

Von Simon Schärer
Kurz nach Mittag waren die ersten Gerüchte zu vernehmen: 150 bis 200 Rechtsextreme kämen nach Langenthal. Treffpunkt: ein Kreisel eingangs Langenthal. Um 13 Uhr hatten sich bereits über 150 Anhänger der rechten Szene hinter dem Bahnhof abmarschbereit gemacht. Zur Demo aufgerufen hatte die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer (PNOS) (vergleiche Kasten).

Mit Transparenten und Fahnen ausgestattet, marschierte die Gruppe über die Jurastrasse und die St. Urbanstrasse Richtung Stadtzentrum. An der Spitze des Demo-Zuges führten mehrere Teilnehmer ein Transparent mit dem Slogan «Volksgemeinschaft statt Klassenkampf» mit. Wer zu dieser Volksgemeinschaft gehört, verdeutlichten die skandierten rassistischen Parolen. «Schweiz den Schweizern, Fremde heim», schrien die jungen Männer und Frauen aus vollen Kehlen. Durch Springerstiefel und kahlrasierte Schädel deutlich als Rechtsextreme erkennbar. «Schweizer Volkskultur statt lebensfeindliche Multikultur», fordert die PNOS auf einem Flugblatt.

Rechts kontra Kiener-Nellen

Zur gleichen Zeit, als Festrednerin SP-Nationalrätin Margret Kiener-Nellen im Festzelt in der Marktgasse mit ihrer Rede begann, formierte sich vis-à- vis, vor dem Hotel Bären, eine Gegenkundgebung. Während Kiener-Nellen über «Gleichheit und den sozialen Ausgleich» sprach, verunglimpfte der Anführer der Rechtsextremen in seiner Rede die linken Parteien und Gewerkschaften. «Sie haben den Schweizer Arbeiter bewusst oder unbewusst an die internationale Hochfinanz verraten», stand dazu auf dem verteilten Flugblatt. Im Zelt der SP ging die Feier derweilen weiter. «Nachdem wir zum ersten Mal informiert hatten, verliessen viele Menschen die Feier», beobachtete SP-Präsidentin Karin Habegger. Doch danach seien die Leute sitzen geblieben. «Wir haben keine Sekunde daran gezweifelt, dass wir hier bleiben», sagte Habegger.

Links kontra Rechts

Um 14.30 Uhr zogen die Rechtsextremen Richtung Bahnhof ab. Als sie diesen fast erreicht hatten, stürmten um 14.45 Uhr rund 60 vermummte Linksautonome, angereist per Zug aus Olten, auf die Demo zu.

Es flogen Flaschen und Steine. Mehrere Autonome feuerten Knallpetarden ab. Angesichts der Übermacht der Rechtsextremen flüchteten die Vermummten zurück in den Bahnhof und stiegen in den Zug Richtung Bern. Nun flogen vonseiten der Rechten Steine und Flaschen gegen den Zug. Dabei entstand grösserer Sachschaden. Ein Kantonspolizist wurde beim Versuch, die Autonomen am Verlassen des Zuges zu hindern, mit einem Stockschlag am Kopf verletzt. Er wurde ins Spital gebracht und ambulant behandelt, wie die Kapo Bern auf Anfrage mitteilte. Auch im linken und rechten Lager soll es Verletzte gegeben haben.

«Wir alle waren von der Demo überrascht», sagt Werner Meyer, als Gemeinderat zuständig für das Ressort öffentliche Sicherheit. Auch bei der Kantonspolizei Bern gab es keine Hinweise auf die rechtsextremen Aktivitäten.

«Nach dem Mittag haben wir die Meldung erhalten, dass sich Mitglieder der rechtsextremen Szene versammeln», sagt Meyer. Danach seien sofort alle verfügbaren personellen Ressourcen aufgeboten worden, ergänzt Langenthals Polizeiinspektor Hanspeter von Flüe. Offenbar hatte die PNOS zuvor an drei Orten Demobewilligungen beantragt, diese wurden aber überall abgelehnt. Der Entschluss, nach Langenthal zu kommen, sei spontan gefallen, sagte Meyer. «Wir haben die Organisatoren ganz klar darauf aufmerksam gemacht, dass dies eine unbewilligte Demo sei und rechtliche Schritte zur Folge haben könne», erklärt von Flüe. Zusätzlich habe man ihnen klar gemacht, dass man die vorgeschlagene Route nicht dulden werde. An die vorgeschriebene Route, welche nicht wie geplant durch die Marktgasse führte, habe sich die PNOS laut Meyer aber gehalten.

Bis zum Ende der Demo standen rund 20 Mitglieder der Kantons- und Stadtpolizei Bern und drei Langenthaler Polizisten im Einsatz. Auf beiden Seite wurden laut Kapo rund 20 Demonstranten angehalten. Gestern Abend kam es in Langenthal zu einer Demo gegen den Aufmarsch der Skinheads (vergleiche Artikel links).

DIE PNOS

Innerhalb der rechtsextremen Szene versuchen sich verschiedene Gruppen als politische Kraft zu etablieren. Neben der Nationalen Partei Schweiz (NPS) ist vor allem die Partei national orientierter Schweizer (PNOS) aktiv. Gegründet wurde die Gruppierung Anfang September 2000 in Liestal von Aktivisten der Skinhead-Gruppe «Blood & Honour». Heute hat die PNOS Stützpunkte im Kanton Basel, Aargau, Bern, Freiburg sowie im Engadin. «Etliche Mitglieder der PNOS waren und sind aktive Skinheads», heisst es in den Erläuterungen zum Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda aus dem Jahr 2002. Das Bundesamt für Polizei (BAP) geht davon aus, dass die PNOS versucht, die unpolitischen Gruppen von Skinheads und Rechtsradikalen zu politisieren. Anzeichen für die Neuorientierung ist auch die Teilnahme an Wahlen. Bei den letzten Nationalratswahlen im Herbst 2003 beteiligte sich die PNOS im Kanton Aargau mit einem eigenen Kandidaten. Regelmässig veröffentlicht die Gruppe politische Stellungnahmen. Unter anderem bot sie dem linken Komitee für eine «soziale Einheitskrankenkasse» Anfang Jahr ihre Unterstützung bei der Unterschriftensammlung an. (ssr)

«Keinen Platz für Faschisten»
GEGENDEMO · Reaktion auf den Skinhead-Aufzug

Gestern um 18 Uhr formierte sich beim Bahnhof Langenthal eine spontane Kundgebung gegen den Aufmarsch der PNOS vom Samstag. Vom Bahnhof aus zogen rund 80 Demonstranten friedlich über die Bützbergstrasse zur Hasenmattstrasse, wo sich die Rechtsextremen am Vortag besammelt hatten. Danach ging es weiter Richtung Stadtzentrum. «Wir tolerieren es nicht, dass Skinheads frei durch unsere Strassen ziehen», meinte ein Redner. Zur Demo aufgerufen hatte ein «freies Demokollektiv». Man wolle zeigen, dass es keinen Platz für faschistische Demos gebe.

Gegen 19.30 Uhr löste sich die unbewilligte Demo beim Langenthaler Bahnhof auf. Während der ganzen Zeit war die Polizei vor Ort, musste aber nicht einschreiten. Man behalte sich auch hier vor, rechtlich gegen die Organisatoren vorzugehen, wie Hanspeter von Flüe erklärte. (ssr)



 



 


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