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  Basler Skinhead besuchte Konzentrationslager
  «Ein Teil der Geschichte»
Begleitet wurde der Jugendliche von der Aktion Kinder des Holocaust.
QU: Baslerstab, 23. Mai 2002

Er ist 16 Jahre alt. Aussenstehende bezeichnen ihn als «Nazi». Er sieht sich als Nationalist. Vor einigen Wochen hängte er eine Hakenkreuzfahne aus seinem Fenster. Die Polizei nahm ihn fest. Als er aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, ging die Aktion Kinder des Holocaust (AKdH) mit ihm das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof besichtigen. Der Baslerstab unterhielt sich mit dem jungen Rechtsextremisten über diesen Ausflug.

Wie kamen Sie mit der AKdH in Kontakt?
Der erste Kontakt lief über das Internet. Später kam mich Samuel Althof (Sprecher der AKdH.
Anm. d. Red.) mal besuchen.

Jetzt haben Sie gemeinsam ein KZ besichtigt…
Sami Althof hat mich gefragt, ob ich Interesse hätte, ein Konzentrationslager zu besichtigen.
Da habe ich zugesagt.

Warum?
Ich hatte noch nie ein KZ besichtigt, obwohl ich geschichtlich sehr interessiert bin. Deshalb hatte ich auch immer vor, mal ein KZ zu besuchen.
Und ich möchte weiterhin unbedingt mal nach Auschwitz.

Wie haben Sie die Besichtigung in Natzweiler-Struthof erlebt?
Wir haben das gesamte Areal angeschaut. Auch die Gaskammern. Am meisten beeindruckt hat
mich das Museum mit den ganzen historischen Sachen. Da hingen Originalfotos, zum Teil mit Aufnahmen, die ich noch nie gesehen hatte.

Was haben Sie gefühlt?
Schwierig zu sagen. Es war Neugier. Ich denke,
da hat man die dunkelste Seite des National-sozialismus gesehen. Aber das ist so ziemlich das Einzige, was nicht in Ordnung gewesen ist. Ich betrachte ein KZ als einen historischen Ort wie Augusta Raurica. Es ist ein Teil der Geschichte. Mich persönlich hat das nicht wahnsinnig bewegt.

 AKdH: "Es zeigt Wirkung"


Der 16 Jahrige Rechtsextremist (links) und AKdH Sprecher Samuel Althof beim Interview.
Samuel Althof, Sie sind Sprecher der AKdH: Wieso besuchten Sie mit einem Neonazi ein Konzentrations-lager?

Wir wollten dem Jugendlichen damit ermöglichen, sich vor Ort ein Bild über die Konsequenzen der nationalsozialistischen Rassenpolitik und ihrer Greueltaten zu machen.

Und Sie glauben wirklich, dieser Besuch hatte eine Wirkung bei dem Jugendlichen?

Ja, wenn auch noch eine ambi-valente. Er sagt, er habe die dun-kelste Seite des Nationalsozialismus gesehen. Somit sieht er auch jene 'Schattierungen', die zu den dunkel-sten Seiten geführt haben. Nur zugeben kann er es nicht. Es ist schwere Arbeit, die Identifikation mit dem Aggressor, dem vermeintlich Stärkeren, aufzugeben.
Man ist jetzt mal selber da gewesen. Und die
Bilder kennt man ja aus der Schule und den Medien, die viel zu viel über diese Zeit berichten. Es ist Vergangenheit! Aber das ist meine persönliche Meinung, ich rede hier nicht für irgendeine Gruppe.

Ziehen Sie denn irgendwelche Schlussfolgerungen nach diesem Ausflug?
Viel verändert hat dieser Besuch eigentlich nicht.

Gibt es Plätze oder Dinge in diesem KZ, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Das Massengrab. Das war sehr gross und ein neuer Eindruck für mich. Ich habe noch nie vor einem echten Massengrab gestanden. Mich hat auch beeindruckt, dass der Heinrich Himmler persönlich in Natzweiler-Struthof war.

Woran haben Sie auf dem Rückweg gedacht?
Mich fasziniert, wie das Netz der Gefängnisse und KZ ausgebaut ist. Und ich habe Souvenirs gekauft: Einen Postkartenblock mit Fotos vom Eingangstor und dem Gefängnis.

Würden Sie anderen «nationalen» Jugendlichen einen Ausflug dieser Art empfehlen?
Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Also ich fands nicht schlecht…
Interview: Jan Fischer

Anm:
Die AKdH hat dem jugendlichen Rechtsextremisten einen promovierten Historiker zur Seite gestellt, mit welchem er alle ihn interessierenden historischen Themen, welche die Shoah betreffen, diskutieren kann.
Der Dialog wird dokumentiert.



© Aktion Kinder des Holocaust