Ich blickte auf
den bahnsteig und las "jedem das seine, gas für die juden"
Ich musste heute
zur passstelle für ausländer, und dafür musste ich mit
der ringbahn ganz ans andere ende fahren, irgendwo am ende von charlottenburg.
Ich kenne diese gegend nicht aber irgendwo geistert der geist meiner
grandparents vor auschwitz dort noch rum. Sie haben mir immer gesagt
das ich nie dort in diese gegend gehen soll denn dort würden sie
mich abholen.
Ich musste dorthin und die s-bahnfahrt war sehr anstrengend.Ich hatte
ständig mit meinen doppelbildern zu kämpfen, musste mir selbst
immerwieder sagen das die vielen gleise, die güterzüge die
vorbeifuhren, die schornsteine nicht auschwitz sind und wir das jahr
2000 haben und ich blickte auf den bahnsteig und las jedem das seine,
gas für die juden mit einem magen david (david stern).
Ich versuchte es
zu übersehen, versuchte verzweifelt auf dem boden zu bleiben und
zählte die stationen, denn ich war innerlich am ersticken. Endlich
draussen, stehe ich vor einem grossen bau der mich an einen nazi bau
erinnert, (wie ich dann durch einen historiker freund später erfuhr,
war der bau tatsächlich von speer, mein gefühl hat mich nicht
betrogen). Die kleinen vergitterten dunklen gänge waren horrormässig
und ich wollte nur schnell wieder raus. War noch nie in so einem ehemaligen
nazigebäude gewesen und ich dachte ich komm nie wieder raus. Ich
war fertig, wollte schreien und danken das ich wieder draussen war,
doch ich ging still, ständig am ersticken und es regnete.
Nass stieg ich in die s-bahn und fuhr die strecke zurück. Ich setzte
mich in eine ecke und lenkte mich mit dem buch 'my first sony' ab. Irgendwann
stiegen ganz normalaussehende jugendliche ein, und da die so unscheinbar
wirkten beachtete ich sie nicht.
Irgendwann sah ich aus dem fenster und sah rauchende schornsteine. Der
doppelbild schock sass und ich blickte mich ziemlich irritiert um.
Und dann fing diese merkwürdige unterhaltung von denen an die mir
gehörte. Sie fragten sich laut ob die cola die ich trank denn kosher
sei. ich checkte gar nichts, für mich war das noch ne ganz normale
frage. Es kamen sätze wie, die liest sicher ein buch von sechs
millionen zionistengeschichten, und mir lief es kalt den rücken
runter. Die sechs millionen sass.
Dann erzählten sie die texte von einer band in denen die restlichen
juden wieder ins gas fahren sollen, und wir kriegen sie alle, und irgendwas
mit ss, und ich tat so als würde ich kein deutsch verstehen, las
in meinem english buch weiter, schaute sie manchmal an, und erstickte.
Inzwischen sass ich alleine, die letzten sind paar sitzplätze weitergegangen.
Ich krallte mich an dem buch fest, sass ganz steif da und versuchte
ganz entspannt zu wirken, was aber anscheinend nicht gelang.
Sie sprachen das die juden wieder alles unter sich haben wie die nato,
alles gehört den juden. Es müsse wieder was passieren so wie
damals...... ich sass da und konnte mich nicht bewegen. Ich, die soldatin,
die gekämpft hat weil es meine verwandten nicht taten und konnten,
ich sass da und ertrug es.
Ich war zu feige aufzustehen und zu gehen. Ich war zu feige was zu sagen.
Ich blieb und ertrug alles. Ich fuhr an meiner station vorbei weil ich
nicht wollte das sie meinten ich steig nur wegen ihnen aus. Ich stieg
nach ihnen aus und fuhr die strecke wieder zurück.
Ich habe jämmerlich versagt. Ich werde meinen magen dawid (david
stern) nie wieder offen tragen. Ich werde meinen kleinen magen dawid
den ich zur bat mizwa (konfirmation) bekommen habe nie wieder offen
tragen.
Ich hatte noch nie so ein erlebniss in dieser dimension gehabt und möchte
kein weiteres haben. Und das alles im westen, in charlottenburg wo meine
grosseltern 1942 geholt wurden und sie mir, so lang ich sie kannte,
immer wieder gesagt haben , fahr nie dort hin, sie werden wieder kommen
und dich holen. Ich werde nie wieder hinfahren.
Meinen deutschen pass den ich mir verlängern lassen wollte soll
der geier fressen, ich werde in nicht abholen.
© Aviva Meir, Oktober 2000