aktuell

archiv

home


 


 

Erfolgreicher Kampf gegen Nazi-Seiten im Netz
QU: Basler Zeitung, 7. März 2001
Von Roger F. Delle

Rechtsextreme Gruppierungen machten sich bisher ungestört das Internet zunutze, um ihre Hasspropaganda zu verbreiten und sich zu organisieren. Privater Initiative aus der Region Basel ist es zu verdanken, dass Hunderte von Nazi-Seiten von den Providern gesperrt wurden.



Gesperrt: Der rechtsextreme amerikanische Internet-Provider
Front14 ist nicht mehr erreichbar. Foto rfd

Basel. «Rassenkrieg», «Blutrausch», «Gaskammer»: Hunderte von widerwärtigen rechtsextremistischen Websites waren in der Schweiz über die Seite des amerikanischen Internet-Providers Front14 abrufbar. Damit ist jetzt Schluss, dank der Aktion Kinder des Holocaust (AKdH). Ihr Gründer, der Münchensteiner Samuel Althof, intervenierte bei den Schweizer Grossprovidern, damit diese die amerikanische Nazi-Adresse sperren.
Sunrise/Diax, Tiscalinet und IP-Plus (Swisscom/Bluewin) reagierten prompt und zogen die selbst deklarierte Hass- und Rassisten-Seite aus dem Verkehr. Erst nach anfänglichem Zögern entschloss sich auch Cablecom (Swiss-online) zu diesem Schritt. Sogar von sich aus ist hingegen AT&T Schweiz an die AKdH gelangt und sperrt Front14 ebenfalls. 754 rechtsextremistische Webseiten können somit auf einen Schlag nicht mehr abgerufen werden.
Die Rechtsradikalen sind regelrecht in eine Falle getappt. Zuerst wurden die Nazi-Seiten von den Plattformen der Schweizer Klein-Provider vertrieben. Dafür war die damalige Bundespolizei verantwortlich. Diese forderte die betroffenen Provider auf, ihrer Verantwortung nachzukommen, mit Erfolg. Die Drahtzieher der «braunen» Propaganda suchten ihr Internet-Heil in der Folge in den USA, bei Front14. Durch diese Konzentration konnten sie nun in der Schweiz alle auf einen Schlag ausgeschaltet werden.

Yahoo macht mobil gegen rechts

Die USA, wo sich viele der Provider hinter der freien Meinungsäusserung verstecken, bleiben weiterhin Zufluchtsort für rassistische Webseiten. Doch Samuel Althof und die AKdH haben auch auf diesem steinigen Terrain bereits Erfolge erzielt. So hat der Provider Geocities, der zum Yahoo-Konzern gehört, bis jetzt 44 Hass-Seiten gelöscht. «Es stimmt nicht, dass man mit den amerikanischen Providern nicht reden kann», sagt Althof. Yahoo ist ohnehin ein gebranntes Kind, wurde der Internet-Riese doch in Frankreich dazu verurteilt, Homepages zu sperren, auf denen Gegenstände mit Nazi-Symbolen verkauft werden. Die Yahoo-Zentrale kündigte an, ihr Web-Angebot künftig generell von solchen Inhalten freizuhalten. So will man mit einer speziellen Software alle Gegenstände prüfen, die zur Versteigerung angeboten werden.
Nazi-Sites, die direkt über Schweizer Provider laufen, soll es keine geben. «Wir arbeiten mit den Providern zusammen, um solche Inhalte aus dem Netz fern zu halten», erklärt Jürg Bühler vom Dienst für Analyse und Prävention (DAP, ehemals Bundespolizei). Auf gegen ein Dutzend schätzt er die Zahl Schweizer Nazi-Seiten, welche über das Ausland ins Netz eingespiesen werden. Ganz anders schaut es für Deutschland aus: Dem dortigen Verfassungsschutz sind mehr als 800 Homepages deutscher Rechtsextremisten bekannt.
Während die Schweizer Provider also keine rassistischen Websites bei sich selbst zulassen (als Hosting-Provider), lehnen sie die Verantwortung für Inhalte ab, die über fremde Provider bei ihnen abrufbar sind (als Access-Provider). Ob die Sperrung von Front14 nun auf ein steigendes Verantwortungsbewusstsein auch in diesem Bereich hindeutet, wird sich zeigen. Generell betonen sowohl Bühler als auch Althof die gute Zusammenarbeit mit den Providern. Probleme gibt es allerdings mit Cablecom: Die Gruppe verhält sich laut Samuel Althof allgemein äusserst unkooperativ und abweisend. Cablecom-Pressesprecher Ingo Buse weist darauf hin, dass das Unternehmen wegen der Meinungsfreiheit und rechtlichen Unsicherheiten sehr vorsichtig sei, was die Sperrung von Seiten anbelangt.

An die 100 Strafanzeigen

Seit vier Jahren durchforsten Mitglieder der Aktion Kinder des Holocaust das Netz nach rechtsradikalen Seiten. «Das erste Ziel, das wir bei unseren Aktionen haben, ist nicht das Sperren von Seiten, sondern das Identifizieren der Täter und die Strafverfolgung», erklärt Althof. Im letzten Jahr reichte die AKdH an die 100 meist erfolgreiche Strafanzeigen ein. Das Allerwichtigste ist laut Althof jedoch die Prävention: «Man muss diese Leute ernst nehmen und versuchen, mit ihnen zu diskutieren.» Die AKdH wurde vor zehn Jahren gegründet und ist ein internationaler Zusammenschluss von Nachkommen von Holocaust-Überlebenden.
Die AKdH steht in engem Kontakt mit den Behörden, welche froh sind über den Support. Eine systematische Durchsuchung des Internets durch das DAP findet nicht statt. Dies wäre laut Jürg Bühler auch bei mehr Personal utopisch. Und man möchte das Kind ohnehin nicht mit dem Bad ausschütten: «Wir wollen ja keine Internet-Zensur einrichten, die jeden Zugriff untersucht», sagt Bühler. Eingreifen kann die ehemalige Bundespolizei nur bei Inhalten mit strafwürdigem Charakter, das heisst in diesem Fall bei Rassendiskriminierung oder Aufrufen zu Gewalt.
Was das Access-Providing betrifft, sind dem DAP die Hände gebunden. Denn es ist rechtlich unklar, ob die Provider für Inhalte haftbar sind, zu denen sie «nur» den Zugang ermöglichen. Der Ball hierfür liegt zurzeit beim Parlament (vgl. Frontseite). Jürg Bühler appelliert an die Internet-Benützer, unabhängig von der rechtlichen Lage rechtsextreme Seiten, aber etwa auch solche mit Kinderpornografie zu melden und bei den Providern Druck auszuüben. Nur wegklicken gilt nicht.

 




© Aktion Kinder des Holocaust