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Strafanzeige gegen Judenhasser
QU: Sonntagszeitung, 24. Juni 2001

Nach dem Rabbiner-Mord von Zürich ermittelt die Polizei wegen antisemitischer Äusserungen im Internet
VON PETRA WESSALOWSKI

Beitrag von RadioZ
 

Die tödlichen Schüsse auf den Rabbiner am 7. Juni in der Zürcher Weberstrasse wurden im Chatforum von Swissonline kommentiert mit Sätzen wie: «Hätte der Adolf gute Arbeit geleistet, wäre gestern kein Jude erschossen worden! Aber leider hat der Adolf versagt!» Der Provider Swissonline hat erst auf Betreiben der AKdH reagiert, den Verfasser der Meinung gesperrt und die rassistischen Sprüche vom Netz genommen.
Swisstalk ist mit 250 000 registrierten Benutzern das grösste Schweizer Chatforum, der Provider Swissonline eine hundertprozentige Tochterfirma der Cablecom. Deren Pressesprecher Ingo Buse zeigt sich sensibilisiert: «Wir sind uns bewusst, dass bei diesen Chats Äusserungen gemacht werden, die nicht immer rechtens sind. Das können wir nicht tolerieren und unterbinden es.»
Dies geschieht allerdings erst, wenn Organisationen wie die Aktion Kinder des Holocaust aktiv werden. Im konkreten Fall waren die antisemitischen Äusserungen zwischen 18 Stunden (Behauptung der Swisstalk) und zwei Tagen (Behauptung AKdH) auf dem Netz zu lesen.
Die Betreiber von Swisstalk würden nicht alle möglichen technischen und personellen Mittel einsetzen, um eine wirksame Kontrolle auszuüben, wirft Samuel Althof, Sprecher der AKdH, der Swisstalk vor. Diese Vorwürfe weist Rudolf Neff, Erfinder und Verantwortlicher von Swisstalk zurück. Immerhin können die Chatbenutzer missliebige andere Teilnehmer aus dem Netz kippen - sofern genügend Benutzer sich einig sind.

Wo und wann die Provider selber eingreifen, ist völlig unklar

Das kommt laut Rudolf Neff rund zehnmal pro Woche vor. Meistens betreffen die Sperrungen aber keine strafrechtlich relevanten Äusserungen. Wie viele Mitarbeiter die rund fünfzig verschiedenen Foren und den Live-Chat persönlich überwachen, wollte Neff nicht sagen.
In den letzten Monaten machte die Organisation AKdH die Swisstalk sowie die Cablecom wiederholt auf antisemitische und andere rassistische Inhalte aufmerksam. «Es sind wieder vermehrt rechtsradikale und pornografische Äusserungen festzustellen», bestätigt auch Cablecom-Sprecher Ingo Buse. Wie hart dagegen vorzugehen ist, wird aber unterschiedlich beurteilt. Während Ingo Buse auf die gesetzlichen Grundlagen abstellt, und darauf, was der Anstand gebietet, setzt Rudolf Neff die Latte höher: «Eine juristische Überprüfung von den auf unserer Plattform getätigten Äusserungen massen wir uns nicht an.» Man lege aber im Sinne der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Wert auf sachliche und anständige Äusserungen in den Chatforen. Was Raum für Interpretationen bietet, denn Neff fügt an, in den Chatforen herrsche halt ein «rauerer Ton» als im persönlichen Umgang.
Trotzdem: Eine Strafanzeige gegen den Provider ist für die AKdH momentan kein Thema. «Uns liegt sehr an einer guten Zusammenarbeit mit den Providern. Wir möchten erreichen, dass diese von sich aus mehr unternehmen», betont AKdH-Sprecher Samuel Althof. Die Chancen für eine Verurteilung stünden ohnehin schlecht. Bis heute wurde in der Schweiz noch kein Internetprovider verurteilt, weil er half, rassistische Inhalte zu verbreiten, weiss der Basler Internet- spezialist David Rosenthal. Dazu müsste der Provider vorsätzlich handeln. Das wäre nur der Fall, wenn er trotz Kenntnis von verbotenen Inhalten diese nicht sperren würde. Im aktuellen Fall hat so einzig der Verfasser der rassistischen Äusserung mit einer Strafe zu rechnen.




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