Die
Heimat der Neonazis ist das Netz
QU: TAZ, 8. August 2001
Die rechtsradikale Szene nutzt das Internet zu Propagandazwecken.
Widerstand ist mühsam, aber erfolgreich
Otto Schily macht sich Sorgen ums Netz. Der Anstieg von Internetseiten
mit rechtsradikalen Inhalten im Juli über 1.000 beunruhigt
den Innenminister. Deshalb wurde er jüngst in einem Interview
viel versprechend: Schily will mit Regierungsvertretern der USA
diskutieren, ob "die Urheber rechtsradikaler Websites mit
Wirkung auf Deutschland in den USA auf Schadenersatz verklagt
werden können."
Denn
die meisten braunen Seiten werden von amerikanischen Providern
gehostet. Deshalb können die Betreiber in Deutschland nicht
verklagt werden - obwohl sie sich nach deutschem Recht wegen Volksverhetzung
strafbar machen. Diese juristische Lücke nutzen die Neonazis
aus, legen ihre Inhalte auf einem Server im Ausland ab und schicken
derart fast ungehindert rechte Propaganda ins WWW.
Der
Schweizer Samuel Althof kennt das Problem. "Ich halte es
für fragwürdig, ob Schilys Strategie zum Erfolg führt,
da man die wahre Täterschaft nur selten herausfinden kann",
sagt der Sprecher der Vereinigung "Aktion Kinder des Holocaust",
die in mühevoller Kleinarbeit gegen die Verbreitung von Websites
mit antisemitischen Inhalten vorgeht. Sie durchforstet das Netz
nach verdächtigen Internetauftritten. Ist man fündig
geworden, wird beim Provider die Löschung beantragt. "Auf
diese Weise haben wir in diesem Jahr rund 300 Seiten entfernt",
sagt Althof.
Momentan
sind die Netzaktivisten einem weiteren Trick der Neonazis auf
der Spur: dem Redirecting. Dadurch, dass die Homepages mit ausländerfeindlichen
Inhalten auf amerikanischen Providern gehostet werden, entstehen
ellenlange Adressen wie www.angelfire.com/nh/kok/anfang.htm. Der
Betreiber dieser Seite war die Kameradschaft Oespel-Kley, die
sich allerdings bei einem Stuttgarter Anbieter die einprägsamere
URL www.kameradschaft-ok.de.vu sichern ließ. Von dort wurde
der Surfer direkt auf die kameradschaftliche Homepage umgeleitet.
Die "Aktion Kinder des Holocaust" hat nun Strafanzeige
gegen den Redirector unter www.de.vu erstattet. "Er lädt
die Neonazis quasi ein, seinen Dienst zu missbrauchen", erklärt
Althof, der mit der Anzeige ein Exempel statuieren will. Rund
30 Umleitungen wurden mittlerweile gesperrt - auch die der Kameradschaft
Oespel-Kley.
Es
ist jedoch ein Kampf gegen Windmühlen, denn die rechtsextreme
Szene ist im Cyberspace sehr aktiv und vor allem: sehr versiert.
Bereits Anfang der 90er-Jahre hat sie die Möglichkeiten des
Netzes erkannt - das Thulenetz ist seit 1993 der Inbegriff für
effektive Nazipropaganda im Internet. Und die rechten Computer-Freaks
arbeiten meistens unter verschleierten Identitäten. JUTTA
HEESS
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