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  "Aktion Kinder des Holocaust" kämpft gegen Internetseiten.

Der Click zum Rassismus
QU: Die Wochenzeitung WOZ, 25. Januar 2001

Dank der «Aktion Kinder des Holocaust» (AKdH) sind in den vergangenen Wochen über siebzig rassistische Homepages vom Netz verschwunden. Die in Basel domizilierte Organisation beschäftigt sich seit drei Jahren mit Rassismus im Internet. Die betreffenden gelöschten «Hassseiten» waren alle beim amerikanischen Grossprovider «Yahoo!-Geocities» gehostet. Auf einigen wurden Hakenkreuzarmbinden und Nachbildungen von Behältern des in Konzentrationslagern verwendeten Giftgases «Zyklon B» zur Versteigerung angeboten. Zwar bleiben die Urheber der Seiten unbestraft, doch immerhin werden die Seiten aufgrund der AKdH-Intervention gelöscht.
Die meisten der weltweit schätzungsweise tausend rassistischen Internetseiten sind auf US-amerikanischen Servern gespeichert, da in den Vereinigten Staaten die Verbreitung von rassistischem Gedankengut wegen des Rechts auf freie Meinungsäusserung nicht strafbar ist.

Die technische Falle
Die AKdH interveniert als private Institution und hat daher gute Chancen, bei ausländischen Providern etwas zu bewirken. Dennoch sind ihre Interventionsmöglichkeiten beschränkt. «Wenn wir eine rassistische Seite entdeckt haben, schreiben wir dem Provider Briefe, telefonieren, reichen Strafanzeigen ein, lancieren Petitionen oder Kampagnen», sagt Samuel Althof, Pressesprecher der AKdH gegenüber der WoZ. Mehr Details über ihre Interventionsmöglichkeiten möchte Althof nicht preisgeben, weil dadurch die Vorgehensweise der AKdH zu durchschaubar wäre.
Die Frage stellt sich, weshalb eine private Institution wie die AKdH sich darum bemühen muss, dass rassistische Sites gelöscht werden. Der Staat tut sich schwer mit dieser Aufgabe. In der Schweiz selbst werden zwar nur wenige rassendiskriminierende Seiten gehostet. Bei diesen Seiten lassen sich die Urheber meist eruieren.
Bei ausländischen Seiten stellen sich der AKdH, den Providern wie dem Staat fast unlösbare technische Probleme. Man könnte zum Beispiel verlangen, dass ausländische Server, über die rassendiskriminierende Inhalte verschickt werden, gesperrt würden. Das hätte aber unangenehme Folgen: Alle auf diesem Server gehosteten Homepages wären danach nicht mehr abrufbar – also auch solche von Unbeteiligten.
Die Bundespolizei hat vor einem Jahr ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie verlangt, dass Internet Service Provider (ISP) grundsätzlich für alle illegalen Inhalte im Internet strafrechtlich verantwortlich sind, und zwar auch in der Funktion des Access-Providers: Die Seiten müssen also nicht beim Provider abgespeichert sein, es reicht, wenn er nicht verhindert, dass man über seinen Server auf eine rassistische Seite im Ausland zugreifen kann.
Die Umsetzung des Positionspapiers lässt auf sich warten. Die Provider sind zum einen von der unüberschaubaren Datenmenge überfordert, scheuen sich aber auch, Kontrollfunktionen wahrzunehmen. Melanie Schneider von der Schweizer Internet-Firma Bluewin AG sagt: «Bei Bluewin gibt es keine Kontrollen der Sites, da dies ein Eingriff in die Geschäfts- und Privatsphäre des Kunden bedeuten würde.»
Die Internetanbieter sind zudem der Meinung, dass dem Positionspapier der Bundespolizei die rechtlichen Grundlagen fehlen. Der Verband Inside Telecom (VIT) – in dem sich alle neuen Telekommunikationsunternehmen organisiert haben – liess bei den renommierten Strafrechtsprofessoren Marcel Niggli, Franz Riklin und Günter Stratenwerth ein Gegengutachten erstellen. Die Professoren kamen darin zum Schluss, «dass das Positionspapier der Bundespolizei und dessen Grundlage, das Bundesjustiz-Gutachten, auf Basis der geltenden Strafrechtsgesetzgebung keine verlässliche Grundlage zur Beurteilung des Verhaltens der ISPs unter strafrechtlichen Gesichtspunkten darstellt».

Provider: Postboten oder Medien?
Die Provider stellen sich auf den Standpunkt, sie würden – vergleichbar mit der Post – nur das Transportmittel zur Verfügung stellen: Der Pöstler verträgt Briefe und Pakete, ohne deren Inhalt zu kennen; man kann ihn nicht bestrafen, wenn er Briefe mit rassistischem Material befördert.
Dazu sagt Jürg Bühler von der Bundespolizei: «Die Provider sind aktiv am Informationsvermittlungsprozess beteiligt, möchten aber für den vermittelten Inhalt nicht zuständig, geschweige denn verantwortlich sein. An dieser Haltung wollen wir etwas ändern.» Allerdings seien die Internetanbieter in der Schweiz, so Bühler, sensibilisiert und reagierten prompt, wenn sie über eine bei ihnen gehostete, rassendiskriminierende Seite informiert würden. Melanie Schneider von Bluewin beteuert: «Falls veröffentlichte Inhalte – nach Ermessen der Bluewin – tatsächlich gesetzwidrig sind, ermahnen wir unsere Kunden. Wenn keine Reaktion innert Frist erfolgt, trifft Bluewin verhältnismässige Massnahmen.» Man weise den Urheber auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hin oder reiche nötigenfalls eine Strafanzeige ein. Falls die AGB selbst nach der Ermahnung nicht eingehalten würden, lösche Bluewin die Seite.
Die Verantwortung dürfte auch in Zukunft zwischen Staat und Providern hin und her geschoben werden. Samuel Althof von der AKdH gibt sich pragmatisch: «Bis die Gesetzgebung klar ist, müssen wir die Initiative übernehmen. Wir müssen einfach das Beste erreichen.»
Zurzeit läuft eine internationale Online-Petition unter www.akdh.ch, die geocities. yahoo.com auffordert, sich endlich an ihre eigenen «Terms of Service» zu halten. Diese beinhalteten das Verbot, so genannte «Hatepages» hoch zu laden.


Reto-Sven Landolt

 




© Aktion Kinder des Holocaust