|
Samuel
Althof kämpft an zwei Fronten. Mit der «Aktion Kinder
des Holocaust» setzt er Behörden und Internetprovider
unter Druck, rechtsextreme Sites vom Netz zu nehmen. Daneben sieht
er sich harscher Kritik von Zensurgegnern ausgesetzt.
Von
Christian Weishaupt
«Wir wollen nicht, dass alle Menschen gleich sind. Wir setzen
uns lediglich dafür ein, dass sich die Menschen der Problematik
der Wertunterschiede bewusst sind.» So umschreibt Samuel
Althof den Zweck der Aktion Kinder des Holocaust (AKdH). Viel
mehr ist ihm über die Menschenrechtsgruppe nicht zu entlocken,
selbst die Zahl der Mitglieder will Mitbegründer und Sprecher
Althof nicht bekannt geben. Aus strategischen, aber auch aus Sicherheitsgründen:
Die AKdH arbeitet unter anderem als Pressure Group im Kampf gegen
extremistische Gruppierungen. Dabei entsteht ihr ein Vorteil,
wenn niemand weiss, woher der Druck genau kommt und wer dahinter
steht. Dieser Umstand dürfte beim bisher medienwirksamsten
Einsatz der Gruppe eine Rolle gespielt haben: Im Februar vergangenen
Jahres hatte sie trotz unklarer Rechtslage mit einer einfachen
Strategie dafür gesorgt, dass die Webadressen rechtsextremer
Gruppierungen von Schweizer
Internetprovidern gesperrt wurden.
Samuel
Althof, um die 40, ist geprägt von den Erfahrungen seiner
Eltern, die vor den Nazis hatten flüchten müssen. Obwohl
erst nach dem Krieg geboren, hat das Thema «Verfolgung»
sein Leben in gleicher Weise geprägt wie das hunderttausender
anderer.
Als sich 1991 kurdische Flüchtlinge in einer Kirche in Flüeli
Ranft verschanzten, um auf die Ausweisungspraxis der Schweiz aufmerksam
zu machen, konnten und wollten Althof und andere, die Erfahrungen
mit dem Holocaust und dessen psychologischen Nachwirkungen haben,
nicht
|
Aufsehen
erregende Aktion gegen rechts
Die
Aktion Kinder des Holocaust (AKdH) wurde vor gut zehn Jahren gegründet.
Ihr Zweck ist der Kampf gegen Rassismus jeglicher Art, insbesondere
aber gegen den Rechtsextremismus. Ebenso will die Gruppe aktiv
sein bei Fragen der Integrationspolitik, der Gewaltprävention,
der interkulturellen Pädagogik und der Friedensarbeit, vor
allem im Nahost-Konflikt. Die Mitglieder der AKdH stammen aus
den verschiedensten Berufsfeldern: Ihr gehören Pädagogen,
Psychologen, Juristen, Politiker, Künstler, Sprachwissenschaftler,
Journalisten und viele andere an.
Im
Februar 2001 ist der Gruppe ein Aufsehen erregender Coup gelungen:
Über
750 rechtsextreme Webseiten wurden auf ihr Betreiben hin mit der
Sperrung eines einzigen US-Servers aus dem Internet verbannt.
Die Strategie, die dazu führte, war ebenso simpel wie effizient:
In einem ersten Schritt meldete Samuel Althof der Bundespolizei
einige rechtsextreme «Schweizer» Webseiten (auf «.ch»
endende Adressen oder physisch in der Schweiz gespeicherte Dateien).
Diese
wiederum forderte die meist kleineren Host-Anbieter - die Dienstleister,
auf deren Rechner die Webseiten gespeichert waren - dazu auf,
die Sites zu löschen. Die Autoren und Betreiber der Webseiten
mussten sich daraufhin einen Unterschlupf suchen und landeten
beim US-Hosting-Anbieter «front14. org», einem Sammelbecken
für zahllose Sites rechtsradikaler Ausrichtung. Genau das
hatte AKdH vorausgesehen. Jetzt konnte man bei Providern wie Swisscom
oder Diax/Sunrise Druck machen. Weil es sich nur um eine einzige
Hauptadresse handelte, willigten die Provider ein, diese zu sperren.
Mit einem Schlag waren hunderte von rechtsextremen Seiten für
Schweizer Surfer nicht mehr erreichbar.
|
|
|
mehr schweigen. Dies war die Geburtsstunde der AKdH. Inzwischen
hat die Aktion immer wieder Fälle von Rassismus angeprangert,vielfach
im Zusammenhang mit Veröffentlichungen von Holocaust-Leugnern
im Internet - einer Domäne, um die Juristen mangels Präzedenzfällen
lieber einen Bogen machen.
Aber Althof ist auch gar nicht Jurist. In seinem «anderen»
Leben ist er psychologischer Berater und hat Familie. Zu ihrem Schutz
redet Althof nicht gern über sein Privatleben. «Schneller,
als man denkt, wird man zur Zielscheibe für Angriffe von rechts.»
Schriftliche
Angriffe und gar Morddrohungen sind für Althof und zwei weitere
Sprecher der Kinder des Holocaust keine neue Erfahrung. Sie stehen
an vorderster Front der AKdH. «Wir müssen vorsichtig
sein», sagt Althof. «Dies gilt jedoch nicht nur für
Sprecher der AKdH, sondern für alle, die sich gegen Neonazis
oder Rassisten stellen. Es ist eine ungemütliche und schwierige
Aufgabe.»
Unangenehm
auch darum, weil sie sich nicht immer nur mit den eigentlichen
Zielgruppen anlegen müssen. Der Ruf der AKdH nach mehr Kontrolle
im Internet, das bisher ein ideales Medium für Sektierer
und Hetzer war, stösst auch vielen sauer auf, die mit den
Rechtsextremen ebenso wenig am Hut haben. Es sind Gruppen und
Bewegungen, die sich für freie Meinungsäusserung einsetzen
und für die das Internet die Erfüllung aller Träume
war. Sie werfen den Holocaust-Kindern vor, der Zensur das Wort
zu reden.
Althof
antwortet ihnen mit zwei Gegenfragen: «Was tut ihr, damit
das Internet nicht vermüllt?» Und: «Was ist euch
wichtiger, freie Meinungsäusserung oder Menschenleben?»
Damit macht Althof keinen Hehl aus seiner Ablehnung der «Free-Speech-Fetischisten»,
wie er sie nennt. Er lässt schon gar nicht das Argument gelten,
die Hass-Webseiten böten Rassismusgegnern Gelegenheit, sich
über die Methoden der Rechtsextremen zu informieren.
An
Fachwissen über Neonazismus oder Rassismus könne man
auch auf andere Weise kommen: «Der Informationsgehalt einer
Neonazi-Website fängt hinter dem Komma an und hört auch
dort wieder auf.» Die fraglichen Websites, davon ist er
überzeugt, haben in der Vergangenheit direkt oder indirekt
zu Gewaltakten geführt, und das sei ein zu hoher Preis für
Anschauungsbeispiele schriftlicher Hetze.
Dass
der Kampf gegen den Rechtsextremismus auch eine Sisyphusarbeit
und manchmal trostlos ist, will Althof nicht leugnen. Trotzdem
streicht er die positiven Seiten hervor. Er habe auch miterleben
können, wie sich Neonazis auf sein Engagement hin frisch
orientiert, der Basis ihres Lebens den Rücken gekehrt und
neu angefangen hätten. Das seien Erfahrungen, die für
vieles entschädigten. Auch nach zehn Jahren aktiver und erfolgreicher
Arbeit denkt Althof nicht ans Aufhören, wünscht sich
jedoch, dass die Organisation etwas zur Ruhe kommen kann. Die
Voraussetzung wäre, dass Neonazi zu sein in Zukunft unter
den Jungen wieder weniger hip sein würde.
Der
Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust setzt sich erfolgreich
für die Sperrung von Websites mit rechtsextremen Inhalten
ein. Aus Sicherheitsgründen möchte er unerkannt bleiben.
|
|