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Musterschüler in Nöten
QU: FACTS, 9. August 2001


Die Rudolf-Steiner-Schulen präsentieren sich als Vorreiter des Erziehungswesens. Doch Missbrauchs-Affären und Gewaltvorwürfe an einzelnen Schulen bringen die alternative Pädagogik-Bewegung unter Druck.


Von Michael Marti

Es begann als beschauliche Feier - und endete im Eclat: Am Nachmittag des vergangenen 15. Juni gab die Rudolf-Steiner-Schule Mayenfels in Pratteln BL eine Theateraufführung, durch die allerlei ätherische Wesen, Elfen, Faune, Kobolde, geisterten. Am Abend wurde im Park von Schloss Mayenfels, dem herrschaftlichen Sitz der Schule, ein Freudenfeuer entfacht, um die Sonnwende zu feiern. Aber dann, abweichend vom Programm, drückten Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse den Lehrern und geladenen Eltern ein dicht beschriebenes Flugblatt in die Hand - geeignet, jegliche Festlaune zu vertreiben.

Der Brief den SchülerInnen an die LehrerInnen schrieben     ...hier
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Das Papier verlangt «endlich Klarheit bezüglich Gewalt». Es richtet schwer wiegende Vorwürfe an die Schule: Mehrere Lehrer würden im Unterricht «Gewalt anwenden», zwei Jugendliche hätten deshalb die Schule geschmissen. Und ein Lehrer habe trotz eines gegen ihn laufenden Verfahrens wegen sexueller Übergriffe auf einen Knaben weiter in seiner Wohnung auf dem Schulhausgelände bleiben dürfen. Die Schüler hatten Grund zur Sorge: Der Mann wurde vom Gericht schuldig gesprochen.


«Wir akzeptieren nicht, dass alle Lehrer sagen, sie hätten nichts gesehen und gehört», klagen die rebellierenden Schüler an. Sie fordern eine «nicht Anthroposophie-fixierte» Durchleuchtung der in ihren Augen skandalösen Vorfälle an der Pratteler Rudolf-Steiner-Schule.


Angstfreies Lernen, keine Noten, kein Sitzenbleiben, Förderung aller Talente, viel Raum für Musik und Kunst - eine «Erziehung zur Freiheit»: Mit hohen humanistischen Idealen werben die 36 Schweizer Rudolf-Steiner-Privatschulen in eigener Sache, gerade in diesen Monaten, in denen sie ihr 75-Jahre-Jubiläum feiern. Jetzt diese Anschuldigungen: sexuelle Übergriffe, prügelnde Lehrer, Vertuschung von Missständen. Und nicht nur an der Pratteler Steiner-Schule gärt es.


Dabei wären die alternativen Erzieher mehr denn je darauf angewiesen, dass es Erfreuliches aus ihren Schulstuben zu berichten gäbe. Viele Steiner-Schulen stehen finanziell am Abgrund. Robert Thomas von der Arbeitsgemeinschaft der Rudolf-Steiner-Schulen in der Schweiz nennt die Lage der anthroposophischen Schulbewegung «existenziell prekär». Drei Steiner-Institute mussten aus Geldmangel innert eines Jahres geschlossen werden: je eine Schule in Neuenburg und Chur sowie das Internat in Steckborn am Bodensee. Rückgängig ist auch die Zahl der Schüler: Sie sank von 8500 im Jahr 1995 auf heute 8000.

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Die Schweizer Steiner-Schulbewegung steckt in der Krise. In einem Anfang dieses Jahres verabschiedeten Basler Manifest fordern die Schulen vom Staat finanzielle Unterstützung - nichts ist für die Schulleiter ungünstiger als die von den Mayenfelser Schülern an die Öffentlichkeit gebrachten Klagen. Und der Aufstand hat erste Konsequenzen: Die staatliche Aufsichtsbehörde, das Schulinspektorat des Kantons Baselland, verlangt, dass die «massiven Vorwürfe seriös abgeklärt werden», sagt Inspektoratsleiter Christian Studer. «Wie das auch in einer Staatsschule der Fall wäre.»


In einer schriftlichen Stellungnahme an FACTS widerspricht Bruno Rossi, Präsident des Leitungsgremiums Rudolf-Steiner-Schule Mayenfels, den Schülern. Bei den Gewaltvorwürfen «dürfte es sich um Unterstellungen handeln, die einer näheren Überprüfung nicht standhalten». Und dem wegen sexueller Übergriffe angeklagten Lehrer sei die Wohnung nicht gekündet worden, weil man dem Justizverfahren nicht vorgreifen wollte. Bruno Rossi sagt: «Wir haben in Bezug auf unser Vorgehen keine Fehler gemacht.»


Obwohl in einem Brief von Rossi über diese Position der Schule informiert, sieht das eine Gruppe von Eltern anders. Die Mutter einer am Flugblatt-Happening beteiligten Schülerin kann bloss noch staunen: «Was muss noch passieren, dass diese Leute zugeben: Da ist was falsch gelaufen?» Die Unfähigkeit zur Selbstkritik habe System, glaubt sie: Auch der wegen Sexübergriffen auf Knaben verurteilte Mayenfelser Lehrer habe sich selbst nach der Verurteilung als Opfer hingestellt. Am meisten erschüttert hat die Frau, die anonym bleiben will, aber: «Lange haben nicht mal wir Eltern den Kindern geglaubt.» Prügelnde Lehrer an einer Schule, die sanftes Lernen propagiert: «Wer hält das für möglich?»


Wie viele Eltern, die ihre Kinder in Steiner-Schulen schicken, fühlt sich die Mutter in einer «grossen Abhängigkeit» gegenüber den Schulleitungen und Lehrern: «Es wird ohne verbindliche Schulbücher unterrichtet, ohne einheitlichen Lehrplan. Man ist gezwungen, darauf zu vertrauen, dass die Lehrer das Beste wollen.»


Tatsächlich ist zu hoffen, dass die anthroposophischen Schulmeister die besten Absichten haben. Denn im Pädagogikkonzept Rudolf Steiners - Anfang des letzten Jahrhunderts formuliert - kommt der Lehrerpersönlichkeit die zentrale Stellung zu. Der Lehrer ist für die Schüler, insbesondere auf der Unterstufe, eine absolute Autorität, die nicht in Frage gestellt werden darf. «Der Klassenlehrer ist im steinerschen Schulsystem eine Art Gurufigur», sagt Andreas Baumann-Bay, Koautor des im letzten Jahr erschienenen Buchs «Achtung, Anthroposophie! Ein kritischer Insiderbericht». Während der gesamten Unterstufe, über acht Jahre, werden die Schüler von derselben Lehrkraft unterrichtet, zu der sie, so Baumann-Bay, «ehrfurchtsvoll und kritiklos aufsehen müssen». «Das ist nicht mehr zeitgemäss, das müsste überdacht werden», sagt der Steiner-Kritiker.


Auch ein weiterer Vorwurf der Mayenfelser Steiner-Zöglinge, wonach Schüler mit Piercings und Make-up im Unterricht benachteiligt würden, weist auf ein nicht sehr neuzeitliches Weltbild einiger Steiner-Pädagogen hin. Dazu meint Robert Thomas von der Rudolf-Steiner-Arbeitsgemeinschaft: «Es steht jeder Steiner-Schule frei, solche Regelungen zu erlassen oder nicht.» Doch ungeachtet aller Kritik präsentieren sich die Anthroposophen als die Musterschüler im Erziehungswesen: Etwa wenn in der Oster-Nummer der anthroposophischen Zeitschrift «Der Schulkreis» von der «pädagogischen Vorreiterrolle» der Steiner-Schulen die Rede ist.


Dabei zeigte bereits die Debatte um angeblich judenfeindliches Gedankengut im Werk Rudolf Steiners, dass die in Erdfarben und Pastelltönen gehaltene Welt der Anthroposophen nicht so heil ist, wie man meinen könnte. Die anthroposophische Bewegung lag in in den letzten zwei, drei Jahren europaweit unter schwerem Beschuss, da ihr Gründer Steiner unter anderem Dinge behauptet hatte wie: «Das Judentum als solches hat sich aber längst ausgelebt, hat keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens.»


Natürlich wird niemand behaupten, die steinersche Pädagogikbewegung in der Schweiz sei ein einziger Missstand. Ihre Anhänger sind oft Idealisten, ihre Lehrer geben sich mit bescheidenen Löhnen zufrieden, an vielen Schulen wird engagiert unterrichtet. Und die einzelnen Schulgemeinschaften sind in ihrem Charakter unterschiedlich: Die einen sind reformfreudig, andere rückwärts gewandt. Versteinert eben.


Doch generell fehlt es der anthroposophischen Schulbewegung an «Transparenz und Selbstkritik», sagt Buchautor Andreas Baumann-Bay. Dies hat auch finanzielle Gründe: Steiner-Schulen sind als Privatinstitute auf das Geld der Eltern angewiesen. «Da ist die Versuchung natürlich gross, unter den Tisch zu kehren, was nicht ins Heileweltimage passt», sagt Baumann-Bay.


Die Neigung der Anthroposophen, Konflikte unter der Käseglocke ihrer gemeinsamen Weltanschauung zu verhandeln, zeigt ein weiterer Fall, durch den sie unter Beschuss geraten sind: Gleich zwei Lehrer der Rudolf-Steiner-Schule in Ittigen BE liessen sich auf eine intime Beziehung mit Schülerinnen ein - die eine war 16,5 Jahre alt, die andere 18. Verfehlungen, könnte man meinen, die Konsequenzen haben; zumal an einer auf Ordnung und Sauberkeit bedachten Schule, die sich rühmt, ein Schulfach Putzen zu haben, und für sich wirbt: «Bei uns reinigen die Oberstufenschüler jeden Tag das Schulhaus zusammen mit Abwarten und Lehrern selber.»


Indes, das Lehrerkollegium Ittigen, das 1997 vom ersten, 1998 vom zweiten sexuellen Übergriff Kenntnis hatte, stellte sich schützend vor die fehlbaren Lehrmeister - beide verheiratet und Väter mehrerer Kinder. Obwohl im Fall der Beziehung mit einer 16,5-jährigen Schülerin ein Offizialdelikt zur Diskussion steht, bei dem die Justiz von Amts wegen ermitteln muss, wurden beide Pädagogen von der Schulleitung explizit gebeten, weiter zu unterrichten. In einem Schreiben an die Schulgemeinschaft heisst es, «ein unmittelbares Aufhören sei für die Schule nicht zumutbar».


Was ist den Schülern zuzumuten? Beide Lehrer unterrichten immer noch an Steiner-Schulen: Der eine, der sich mit dem 16,5 Jahre alten Mädchen eingelassen hat, unverändert in Ittigen, als Klassenbetreuer an der Oberstufe; der andere - er kündete schliesslich aus eigenen Stücken - an einem anthroposophischen Institut ausserhalb des Kantons Bern.


Auch an den Staatsschulen lassen sich Lehrer mit Schülerinnen ein. Dort aber gelten Pädagogenübergriffe als gravierende Delikte: «Eine intime Beziehung mit einer Schülerin ist eine schwere, unentschuldbare Verletzung unserer Standesregeln», sagt Urs Schildknecht, Zentralsekretär des Schweizer Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer (LCH). Darüber hinaus verbietet das Strafgesetzbuch Erwachsenen unter Androhung von Gefängnis intime Beziehungen mit Personen unter 18 Jahren, die von ihnen durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis abhängig sind. «Lehrpersonen müssen der sexuellen Ausstrahlung von Jugendlichen widerstehen und Grenzen ziehen», sagt LCH-Sekretär Schildknecht. «Missbräuche, das Ausnützen von Macht und Abhängigkeit haben nicht nur juristische Konsequenzen, sondern richten vor allem psychische Schäden bei Jugendlichen an und verunmöglichen die pädagogische Rolle der Lehrperson.»


Zwar ist man auch an der Steiner-Schule Ittigen der Meinung, dass «Lehrerübergriffe nicht ungeahndet bleiben sollen, da die Gefahr einer Ausnutzung bestehe», wie Florian Osswald, Lehrer und ehemalige Ombudsperson an der Schule Ittigen erklärt. Doch da im Falle des immer noch in Ittigen beschäftigten Lehrers, so Osswald, die Schule erst nach eineinhalb Jahren auf sein Verhältnis mit der Schülerin aufmerksam geworden sei und weil mit einer «umfassenden Abklärung mit den Betroffenen» festgestellt worden sei, dass in diesem Fall keine «Ausnutzung» bestanden habe, entschied sich das Lehrerkollegium «nach reiflicher Überlegung», dem Kollegen weiter Vertrauen zu schenken. Dessen Ehefrau war dazu nicht bereit, sie hat sich von ihm getrennt. Der zweite Lehrer habe mit seiner Kündigung selber die Konsequenzen gezogen. Osswald räumt allerdings ein: «Heute würden wir eine aussen stehende Person zur Abklärung beiziehen.»


Oft erweisen sich in solchen Konfliktfällen die spezifischen Verwaltungsstrukturen der Steiner-Schulen als problematisch. Die selbst verwalteten Institute fällen alle wichtigen Beschlüsse an regelmässigen Lehrerversammlungen, sie verfügen also nicht über einen Rektor wie die Staatsschulen. In jedem Institut, so berichten verschiedene Steiner-Aussteiger in Büchern übereinstimmend, gibt es allerdings einen inneren Kern von Opinionleadern, die über besondere Macht oder Autorität verfügen - sei es, weil sie lange schon der Schule angehören oder innerhalb der anthroposophischen Bewegung wichtige Ämter besetzen. Und diese Elite verstehe es, behaupten Steiner-Gegner, ihre Ziele mit allen Mitteln durchzuboxen.


So war es offenbar auch in Ittigen: «Mit Druck und Intrigen schaltete eine inoffizielle Führungsgruppe die Lehrer gleich. Bis alle dem Verbleib der beiden zustimmten», sagt Stefan Müller *, ehemaliger Lehrer in Ittigen. «Wie das abgelaufen ist, erlebte ich als Psychoterror - bis schliesslich alle auf dieselbe Meinung eingeschworen waren.» Müller ist nach vielen Jahren Schuldienst in Ittigen entlassen worden, er sieht sich als Mobbing-Opfer: «Auf Grund dieser Vorfälle habe ich mit der Anthroposophie beruflich abgeschlossen.» Der Ittiger Ombudsmann Florian Osswald nennt Müllers Vorwürfe «unzutreffend und ehrverletzend». Er höre sie zum ersten Mal.


Immerhin: Einigen Vertretern der Steiner-Schulbewegung ist der Boden mittlerweile zu heiss geworden. Die Arbeitsgemeinschaft der Rudolf-Steiner-Schulen in der Schweiz arbeitet an einem Konzept zu einer «Meldestelle für besondere Konfliktfälle» und bestätigt somit, was viele Steiner-Anhänger lieber unter den Teppich gekehrt wussten dass in Sachen Konfliktmanagement die Anthroposophen nachsitzen müssen.


Die auf September geplante neue Ombudsstelle soll sich mit Fällen von «körperlicher Gewalt, sozialer Diskriminierung, sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch» an Steiner-Schulen beschäftigen. Wie in dem FACTS vorliegenden Konzept nachzulesen ist, braucht die «anthroposophische Schulbewegung ein klares Bild über die Häufigkeit und Art solcher Fälle».


Jede einzelne Steiner-Schule entscheidet jedoch selber, ob sie die Ombudsstelle anerkennen will oder nicht. Zudem seien, monieren Kritiker, alle drei Mitglieder der Meldestelle Anthroposophen. «Von Unabhängigkeit zu sprechen, ist in diesem Falle ein Witz», sagt Samuel Althof. Der Basler ist Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust und kritisiert seit der Debatte um judenfeindliches Gedankengut in den Schriften Rudolf Steiners auch die Anthroposophie. Althof befürchtet, das Gremium werde in erster Linie zur Beruhigung der Öffentlichkeit eingerichtet - «und um die Nöte und Sorgen der Kinder kümmert man sich nicht mehr als zuvor».


Solches bestreiten die anthroposophischen Initianten vehement. Sollten sie ihre Arbeit in Zukunft tatsächlich seriös machen, wird sich hoffentlich nicht mehr ein Drama abspielen wie das der heute 19-jährigen Kosmetikerin Anja Thalmann *.


Als 16-Jährige wurde Anja aus der 11. Klasse der Steiner-Schule Basel/Jakobsberg geworfen - mitten im Semester, von einem Tag auf den anderen. Eine merkwürdige pädagogische Massnahme gegenüber einer Schülerin, die seit dem Kindergarten auf den anthroposophischen Ausbildungsweg vertraut hat. Erst recht unverständlich wird der Rausschmiss, wenn man weiss, dass Anja als 14-Jährige, im Schutzalter, sexuell missbraucht worden war. In derselben Schule, die sie später vor die Tür setzen sollte. Täter war der damalige Buchhalter der Schule, Tatort das Krankenzimmer, welches Anja jeweils aufsuchte, wenn sie unter ihrem Hyperventilations-Syndrom und Ohnmachtsanfällen litt. Der 65-jährige Mann belästigte mehrmals das bewusstlose Mädchen sexuell - so stehts in den Gerichtsakten. Auf eine Anzeige von Anjas Mutter hin verurteilte das Strafgericht den Mann zu einem Monat bedingt. «Er hat sich verteidigt, ich hätte als Ohnmächtige ausgesehen wie Dornröschen», sagt Thalmann.


Heute noch kann Anja Thalmann nicht verstehen, weshalb ihre Schule den Täter nach dem Urteil noch Monate weiterbeschäftigte: «Ich begegnete dem Mann jeden Tag, sah ihn in seinem weissen Kittel durchs Schulhaus gehen - es war der Horror», erinnert sich Thalmann. «Ich fühlte mich machtlos. Klein wie eine Ameise. Und am Schluss hiess es unter den Lehrern: Ich sei schuld - ich hätte ihn verführt.»


Die unerträgliche Situation setzte Anja seelisch schwer zu, ihre schulischen Leistungen wurden schwächer, waren allerdings genügend. Die Schule verordnete dem missbrauchten Mädchen eine psychologische Behandlung bei einer anthroposophischen Therapeutin - unter Androhung der Schulentlassung, sollte das Mädchen nicht zustimmen. Nach etwas mehr als einem Jahr brach Anja allerdings die Behandlung ab und wurde prompt aus der Schule geworfen. Als sie sich mit einem offenen Brief an ihre Klassenkameraden, in dem sie ihre Sicht schilderte, zu wehren versuchte, drohte ihr die Schulleitung unmissverständlich, mit rechtlichen Mitteln gegen sie vorzugehen.


Die Steiner-Schule Basel nimmt nicht Stellung, weshalb sie den verurteilten Mann weiterbeschäftigte. «Aus Gründen des Datenschutzes», sagt Regine Arakov, Leiterin der Lehrerkonferenz.


Der Basler Sozialarbeiter Dominik Schmid, der Anja damals betreute, sagt heute: «Aus meiner Sicht hätte die Schule einen externen Berater hinzuziehen müssen.» Denn das Lehrerkollegium habe das Thema sexueller Missbrauch nicht offen darlegen können. «Wohl aus Angst vor einem Imageschaden», vermutet Schmid.


Wie die Anthroposophen in Zukunft Imageschäden tatsächlich vermeiden können, darüber haben übrigens ehemalige Steiner-Schüler klare Vorstellungen. 1999 ergab eine Befragung von über 500 Absolventen, dass sich die Rudolf-Steiner-Schulen «mehr öffnen und eine aktive Informationspolitik betreiben» müssen. Ganz in diesem Sinne handelte die 9. Klasse der Pratteler Steiner-Schule Mayenfels mit ihrer Flugblattaktion an der Sonnwendfeier.


Vielleicht könnten ja in den Steiner-Schulen zur Abwechslung mal die Lehrer etwas von den Schülern lernen.


* Name geändert




© Aktion Kinder des Holocaust