|
QU: Neue Luzerner Zeitung, 5. Februar 2002
Mit
Bundesgeldern und mit Privatinitiative läuft der Kampf gegen
Rassismus. Auch im Internet, wo Neo-nazis des «Rigisturms
88»eine Homepage betrieben.
Sie
geben sich patriotisch, sind aber vor allem eines: rassistisch
und ausländerfeindlich. Die Mitglieder des «Rigisturms
88» verunglimpfen auf ihrer Internet-Seite Juden und Ausländer.
Wes Geistes Kind die Personen hinter der Gruppe sind, zeigt sich
auch an der Zahl 88. Diese steht in der braunen Szene für
«Heil Hitler» - das H ist der achte Buchstabe des
Alphabets.
Schon seit ein paar Wochen beobachtet die Aktion Kinder des Holocaust
(AKdH) die Seite. Man versucht rauszukriegen, wer hinter dieser
rassistischen Website steht. Bisher erfolglos. Mitte Januar haben
die Mitglieder der AKdH genug. Sie lassen ihre Verbindungen zu
Yahoo, einem der weltweit grössten Internet-Provider, spielen
und veranlassen die Schliessung der «Rigisturm»-Seite.
«Utopische Ziele»
«Können wir den Urheber einer rassistischen Internet-Seite
identifizieren, erstatten wir Strafanzeige», sagt Samuel
Althof, der Sprecher der AKdH. Gelingt dies nicht, interveniere
man bei den Providern - und stösst dabei auf offene Ohren.
Hunderte rechtsextremistischer Websites waren in der Schweiz über
die Seite des amerikanischen Internet-Providers Front14 abrufbar.
Auch damit ist nun Schluss. Auf Druck der AKdH sperrten die grossen
Schweizer Provider den Zugang zu den amerikanischen Nazi-Adressen.
Experten sind sich einig: Die AKdH leistet bei der Aufdeckung
von Webseiten mit rechtsextremem und antisemitischem Gedankengut
Pionierarbeit. Sie stützt sich dabei auf Pädagogen,
Psychologen, Juristen, Politiker, Künstler, Sprachwissenschaftler,
Journalisten und viele andere. Den Zweck der Organisation umschreibt
der 44-jährige Althof so: «Wir wollen eine Gesellschaft,
in der die Menschen gleichwertig sind. Wir sind uns dieser Utopie
bewusst.»
Lösungen im Zentrum
Neben ihrem Kampf gegen den Extremismus jeglicher Art ist die
AKdH aktiv bei Fragen der Integrationspolitik, der Gewaltprävention,
der interkulturellen Pädagogik und der Friedensarbeit, vor
allem im Nahost-Konflikt. Im Gegensatz zu anderen Gruppierungen,
welche die rechte Szene in der Schweiz beobachten und analysieren,
bietet die AKdH aber auch Hand zu Lösungen. Tätern wird
auch Hand zum Dialog geboten: «Jeder jugendliche Nazi, mit
dem wir ins Gespräch kommen, ist ein Fortschritt - für
ihn und für uns», sagt Althof.
«Provozieren»
Althof kennt die Schweizer Neonazi-Szene wie kein anderer. Für
ihn steht fest: «Junge Schweizer Neonazis sind in der Regel
unpolitisch und wollen vor allem eines: provozieren.» Meist
seien sie auf der Suche nach ihrer Persönlichkeit und und
definierten ihre Identität durch Abgrenzung gegen das Establishment
und Andersdenkende. Zudem könne man die braune Szene in Deutschland
nicht mit derjenigen in der Schweiz vergleichen. In Deutschland
existiere eine Terrorszene, in der Schweiz nicht.
Althof stellt fest, dass Schweizer Rechtsextreme meist aus allen
Schichten der Gesellschaft kommen, der Rechtsextremismus kein
Randgruppenphänomen ist und Zulauf vor allem in Gegenden
mit geringem ausländischem Bevölkerungsanteil hat.
Immer wieder Morddrohungen
Mit seiner Arbeit schafft sich Althof nicht nur Freunde. Immer
wieder erhält er auch Morddrohungen. Sicherheit und Diskretion
sind für ihn überlebenswichtig. Fotografieren lässt
er sich nicht. Trotzdem streicht Althof die positiven Seiten seines
Engagements hervor. Er habe auch schon miterleben können,
wie sich Neonazis nach Gesprächen mit ihm neu orientiert,
der Basis ihres bisherigen Lebens den Rücken gekehrt und
neu angefangen hätten.
Bund begrüsst Initiativen
Wie wichtig die Arbeit der AKdH ist, hat man auch beim Bund erkannt:
«Wir haben schon nach dem Rütli-Auftritt der Rechtsextremen
darauf hingewiesen, dass dieses Phänomen mit einem breiten
gesellschaftlichen Ansatz, vor allem auch im sozialen und im Bildungsbereich
angegangen werden muss. In diesem Sinn begrüssen wir die
Initiativen nichtpolizeilicher Stellen zur Aufklärung und
Prävention von Extremismus. In die gleiche Richtung gehen
die Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus des Bundes»,
sagt Urs von Däniken, Chef des Dienstes für Analyse
und Prävention, der früheren Bundespolizei.
VON
PHILIPPE WELTI
|