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Angriff
übers Netz
QU: Tachles, 17. August 2001
Tendenz steigend so lautete eine der Aussagen Burkhard
Schröders, Experte für Rechtsextremismus und Internet,
in einem Gepräch mit tachles zum Thema Rechtsradikalismus
und Internet. Das Internet sei nun einmal so, dass weltweit von
jedem Ort der Erde Websites gelesen werden können, gleich
welchen Inhalts. Man sollte eher etwas gegen Antisemiten und Rechtsradikale
unternehmen, so Burkhard Schröder.
Von
Sabine Pfennig-Engel
Internet
und Rechtsradikalismus, ein Thema, das sich weder nur auf Deutschland,
die Schweiz oder ausschliesslich englische oder deutschsprachige
Regionen bezieht. Das Medium ist vergleichsweise jung, erst seit
ein paar Jahren gehören das Surfen und der Internetanschluss
zu den Standards eines jeden Haushaltes. Und wenn es sich so mancher
Demokrat auch noch so sehr wünschte, die rechte Szene nutzt
dieses Medium ebenso selbstverständlich. Vergleichsweise
gibt es zu wenig Initiativen wie "Aktion Kinder des Holocaust"
in der Schweiz, die offensiv vor den Gefahren warnen.
Fragt man nach der Anzahl von Websites rechtsradikalen Inhalts,
taucht sogleich Verwirrung auf, denn die Definition ist schwer.
Was in Deutschland oder der Schweiz strafrechtlich verfolgt werden
kann, wird von Providern in den USA oder Russland problemlos ins
Netz gestellt. Täglich kommen neue Seiten hinzu oder verschwinden.
Dirk Inger vom Bundesinnenministerium bezifferte gegenüber
tachles die Anzahl rechtsradikaler Websites auf 1050 (Stand Juli
2001) - "Tendenz steigend". Aus begründeter Angst
vor strafrechtlicher Verfolgung besonders in der Schweiz und Deutschland
seien viele Rechtsradikale auf Provider in den USA oder Russland
ausgewichen. So findet man rechtsradikale Websites, die von deutschen
Providern - auch auf Druck von Initiativen und der Politik - vom
Netz genommen worden sind, trotzdem wieder im Netz.
Wer nutzt das Netz wie oft und wo liegen die Gefahren? Juliane
Wetzel, Wissenschaftlerin am Institut für Antisemitsmusforschung
an der TU Berlin, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren
mit Rechtsextremismus und seit 1998 auch mit seinen Formen im
Internet.. "Die Szene ist schwer zu beobachten, Seiten wechseln,
werden unter anderen Namen ins Netz gestellt, den Angaben über
die Nutzung ist nicht Glauben zu schenken. Das Gefährliche
daran ist, dass diese Seiten von Personen oder Jugendlichen gelesen
werden, die den Inhalt gar nicht abschätzen können."
Der geschulte Internet-Nutzer weiss, dass Namen wie "88"
(die Acht steht dabei für ein H, dem achten Buchstaben im
Alphabet - die Verdoppelung der Acht steht für den Gruss
"Heil Hitler") eine Bedeutung haben, jedoch nicht der
Schüler, der im Auftrag seiner Lehrerin im Internet etwas
über den Holocaust oder Auschwitz mit einer Suchmaschine
herausfinden soll. Schnell landet er auf einer Seite der notorischen
Holocaust-Leugner.
Verlockende
Angebote
Die
Zahl der Internetseiten von Rechtsextremen ist seit Anfang der
90er-Jahre immens gewachsen. Einen Schwerpunkt bildet hierbei
die Musik. Leicht lässt sich mit einem Real-Audio-Player
und MP3-Format, CD-Brenner und einem durchschnittlichen PC Musik
rechtsradikalen Inhalts vom Netz herunterladen. "Solche Seiten
boomen", so Juliane Wetzel. Die Betreiber dieser Sites sitzen
jedoch nicht nur in den USA und Russland, sondern vor allem in
den skandinavischen Ländern. Äusserst attraktiv ist
für Jugendliche das kostenlose Herunterladen von Computerspielen.
Viele der rechtsextremen Seiten sind peppig, animiert und sprechen
oft den arglosen jugendlichen Nutzer an. Computerspiele wie z.B.
das beliebte Moorhuhn-Spiel, bei dem es gilt, fliegende Hühner
abzuschiessen, konnten leicht pervertiert werden - und plötzlich
stellt jedes abgeschossene Moorhuhn einen Juden dar. Gefahr vom
Netz droht auch durch gezielte Aufforderungen und Angaben zum
Bombenbau oder der Verfolgung bestimmter Personen. So gibt es
z.B. eine Homepage, auf der sich Täter brüsten, einen
Schwarzen gelyncht zu haben (fotografisch dokumentiert). Auf anderen
Websites können Anleitungen zum Bombenbau gefunden werden,
oder es werden Terroranschläge propagiert und Listen unliebsamer
Personen zusammengestellt.
Gefährlich
wird es auch dann, wenn die internationale Rechte sich mit arabischen
Fundamentalisten via Internet verbindet. Zionist und Jude werden
zu austauschbaren Begriffen. "Durch den Vorwurf, der zionistische
Staat sei nur entstanden, weil der Holocaust als Druckmittel eingesetzt
worden sei", so Frau Wetzel, "spielt in der Austauschbarkeit
von Antisemitismus und Antizionismus die Leugnung des Holocausts
eine zentrale Rolle. Dabei lassen sich nicht nur Verbindungen
zu fundamentalistischen islamischen Gruppen, sondern auch zu moderaten
arabischen Politikern konstatieren."
Zentrale
Figur der Vernetzung zwischen radikalen Islamisten und internationalen
Rechten ist Ahmed Rami, der in Stockholm eine Radiosendung ausstrahlt
und eine Internetseite unterhält. Rami, der 1991 in Schweden
wegen Volksverhetzung bestraft worden ist, sendet seit 1996 wieder
eine Radiosendung und betreibt erneut eine Website in 12 Sprachen.
Hier finden sich Links zu Websites von Holocaust-Leugnern, pseudowissenschaftliche
Gutachten können heruntergeladen werden, radikale islamische
Organisationen und Personen sind aufgelistet - so z.B. Hamas.
"Allerdings", so Frau Wetzel, "ist erst Ende Januar
2000 auf der Hamas-Website ein Text mit revisionistischem Inhalt
aufgetaucht." Auf den Hamas-Seiten finden sich dann auch
Links zu den Sites von Holocaust-Leugnern.
Im
Gegensatz zu Frau Wetzel sieht der bundesdeutsche Verfassungsschutz
keinen Anlass zur Sorge. Auf Anfrage teilte der Pressesprecher
des Verfassungschutzes, Langer, tachles mit, dass es kaum Verbindungen
zwischen Rechten und Fundamentalisten gäbe. "Das sind
unbedeutende Randfiguren." Ausserdem meint Dr. Langer im
Gepräch mit tachles, dass sich diese beiden Gruppen "ja
sowieso nicht grün sind."
Mobil
gegen Rechts
Die
"Aktion Kinder des Holocaust" (www.akdh.ch) in der Schweiz
gehört zu den wenigen Gruppierungen, die es sich zum Ziel
gesetzt haben, rechtsradikale und antisemitische Websites aufzuspüren.
Bei dem häufigen Wechsel der Adressen und dem Besitz mehrerer
Domaines ist dies mühevolle Kleinarbeit. Die Aktion schreibt
Provider an, macht sie auf diese Seiten aufmerksam und fordert
sie auf, die Seiten vom Netz zu nehmen. So gelang es bis jetzt
schon, 300 Seiten vom Netz zu nehmen. Auch in Deutschland haben
sich Gruppen wie "Blick nach rechts" (www.bnr.de) gebildet,
die das Netz nach Nazi-Seiten durchforsten. Gemessen an der Vielzahl
der braunen Seiten mutet dies jedoch fast wie ein Kampf gegen
Windmühlen an. Zu den beliebten Werkzeugen der Rechten gehört
es auch, unliebsame Personen oder Institutionen mit E-Mails zu
bombardieren. Hierbei werden hunderte von E-Mails an eine Adresse
geschickt, die deshalb zusammenbricht und erstmal vom Netz genommen
werden muss. In der Schweiz haben Hacker der anderen Seiten vor
zwei Jahren an Rechtsextreme "E-Mail-Bomben" verschickt,
erläutert Juliane Wetzel gegenüber tachles. So mussten
eben die Nazi-Seiten vom Netz. Wenn Innenminister Otto Schily
im September zu Gesprächen in die USA fährt, soll, laut
Dirk Inger vom Bundesinnenministerium, auch das Thema Internet
und strafrechtliche Verfolgung zur Sprache kommen.Das wird kaum
Aussicht auf Erfolg haben. "Wir haben in Deutschland die
schärfsten Propaganda-Gesetze", so Burkhard Schröder
(www.burks.de) zu tachles. "Was in den USA auf vielen Seiten
daherkommt, wäre bei uns schon längst verboten."
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