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Waldorfschulen und Rudolf Steiners Lehren (Teil II)
Wir publizieren diesen Text mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion "Die Furche"

Anthroposophie im Schafspelz?

Hinter den freundlichen Fassaden der Waldorfschulen verbirgt sich eine
esoterische und okkulte Weltanschauung: die Anthroposophie. Das sagen
jedenfalls ihre Kritiker. (Fortsetzung des Beitrags "Rütteln am Fundament
der Waldorfschulen", Furche 46/99). von Angelika Walser

Der flackernde Kerzenschein erhellt den dunklen, mit Holz verkleideten Raum
und wirft ein warmes Licht auf die Gesichter der Männer und Frauen, die sich
in einem Kreis gegenübersitzen. "Im dritten Schuljahr wird das Kind ganz
kritisch und entdeckt, daß es etwas eigenes ist", tönt eine sanfte Stimme
durch den Raum. "Da stricken wir dann Hauben, um das Kind in einer
verwirrten Zeit zu behüten", sagt die in Naturwolle gehüllte
Handarbeitslehrerin mit leuchtenden Augen. "In der fünften Klasse werden die
Kinder so ins Irdische hineingestellt ? da stricken wir dann Socken." Die
Eltern strahlen, und der Mathematiklehrer setzt den Elternabend an der
Rudolf Steiner Landschule Schönau mit Erläuterungen über die "aufrichtende
Wirkung der Geraden" für die Entwicklung der kindlichen Psyche fort.
Waldorfschulen sind anders. Das macht ihren Erfolg aus: Statt Stoff zu
pauken und abstrakte Formeln auswendigzulernen, züchten Waldorfschüler
ökologisch wertvolle Pflanzen, beschäftigen sich mit Formen und Farben, mit
Bildern und Märchen. Sie absolvieren Praktika in Landwirtschaft und
Industrie, üben sich gleichzeitig aber in der Kunst der Eurythmie, einer Art
Ausdruckstanz. Allzu früher Intellekt ist verpönt, statt dessen setzt man
laut Prospekt auf "ganzheitliche Entwicklungsförderung", "Kreativität" und
"emotionale Intelligenz".
Nur sehr verschlüsselt ist von der Weltanschauung die Rede, die Grundlage
der Waldorfpädagogik ist: der Anthroposophie und ihrem geistigen Vater, dem
Denker und Pädagogen Rudolf Steiner (1861?1925). Wenig bekannt ist auch, daß
anthroposophisches Gedankengut nicht nur hinter Waldorfschulen, sondern auch
hinter den biologisch-dynamischen Produkten der Firma "Demeter" und den
Kosmetikartikeln von "Weleda" steckt. Am allerwenigsten bekannt ist aber die
Anthroposophie selbst.

Ideologie verschleiert?
Ihre Anhänger würden sich nicht gerne outen ? das behauptet zumindest ein
Kritiker wie Jan Badewien, Direktor der Evangelischen Akademie Baden, der
1997 im evangelischen Deutschen Sonntagsblatt vor dem autoritären Charakter
dieser angeblich esoterischen und okkulten Ideologie warnte. Mittlerweile
gibt es in Deutschland sogar Vereinigungen waldorfgeschädigter Eltern wie
den "Distel-Bund" in der Ruhegebietsstadt Herne.
Auch in Österreich ? genauer gesagt im niederösterreichischen Schönau an der
Triesting ? schlugen die Wogen der Empörung hoch, als sich dort 1996 die
Rudolf Steiner Landschule in einem idyllischen ehemaligen Schloß ansiedelte.
Pfarrer Walter Reichel von der katholischen Kirche vor Ort wirft der
Schulleitung vor, bei einem Informationsabend die Eltern nicht umfassend
über den anthroposophischen Hintergrund der Waldorfpädagogik aufgeklärt zu
haben: "Die haben immer nur gesagt, daß bei ihnen halt eine andere Methode
als an öffentlichen Schulen benutzt würde. Von ihrer Weltanschauung haben
sie nichts erzählt." Unterstützung erhält er von der Gemeinderätin Elisabeth
Luhn: "Die Eltern wissen überhaupt nicht, worauf sie sich da einlassen."
Luhn berichtet von psychisch verstörten ehemaligen Waldorfschülern und von
gescheiterten Ehen der Eltern, weil einer der Partner sich zur
Anthroposophie bekehrt habe. Luhn und Reichel befürchten, daß Kinder mitsamt
ihren Eltern in Waldorfschulen sanft aber bestimmt manipuliert würden ? in
Richtung Anthroposophie.
Die Geschäftsführerin der Rudolf Steiner Landschule Schönau, Angelika
Lütkenhorst, weist solche Vorwürfe strikt zurück: "An Informationsabenden
von zwei Stunden können wir ja nicht mit anthroposophischen
Begrifflichkeiten kommen!" Selbstverständlich gäbe es Veranstaltungen, bei
denen sich Eltern gezielt über das anthroposophische Welt- und Menschenbild
informieren könnten. Aber: "Die meisten Eltern beurteilen die Schule nicht
nur nach der Weltanschauung, sondern nach dem, was sie mit den Kindern tut
und wie sie den Stoff vermittelt", sagt Lütkenhorst. Waldorfschulen seien
primär keine Weltanschauungsschulen. "Wir legen allerdings Wert auf eine
christliche Grundlage und auf Religionsunterricht. Eigentlich sind wir da
den katholischen Privatschulen recht nahe.
Tatsächlich sind aber gerade unter den Kritikern der Waldorfschulen viele
gläubige Katholiken. Sind die Vorwürfe Ausdruck von Konkurrenzangst? Oder
sind die zwölf österreichischen "Rudolf Steiner"- und "freie
Waldorf"-Schulen, die sich in einem Dachverband zusammengeschlossen haben,
sektiererische Fallen für arglose Eltern, die keine Kosten scheuen, um ihren
Kindern eine ganzheitliche Erziehung zu vermitteln?

Keine Klagen bekannt
Im Unterrichtsministerium gibt man sich vorsichtig und verweist auf
demokratische Grundsätze und Schulaufsichtsbehörden, denen schließlich auch
die Waldorfschulen unterliegen. Der für die allgemeinbildenden Schulen
zuständige Sektionschef Anton Dobarth betont, daß niemals Klagen über
Waldorfschulen auf seinem Schreibtisch gelandet seien. Bei "aller
Geschlossenheit ihres Denkansatzes" leisteten Waldorfschulen gute
pädagogische Arbeit. Dobart: "Wenn sich in unserer pluralistischen
Gesellschaft jemand für diese geschlossene Denkrichtung der Anthroposophie
entscheidet, tut er das freiwillig."
Genau das aber ist der Punkt: Verbirgt sich der Wolf "Anthroposophie" so
geschickt im naturbelassenen Schafspelz der Waldorfpädagogik, daß Eltern und
Kinder ? eingelullt von Mythen und fließenden Aquarellfarben ? subtil in
eine Richtung gelenkt werden, die sie eigentlich nicht wollen?

Fußball verpönt?
Florian Illichmann (30), ehemaliger Waldorfschüler in Wien-Mauer, ist im
Rückblick auf seine Schulzeit überzeugt: "Die anthroposophische
Weltanschauung ist in Waldorfschulen überall latent vorhanden." Illichmann
nennt Beispiele: Die Einteilung der Kinder in die vier Temperamente
(Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker, Melancholiker); das starre System
von Farben und Formen, Krummen und Geraden, deren Wirkung auf das Kind
jeweils ganz genau festgelegt sei. "Das Ziel der Anthroposophie ist es, zu
einem geschlechtslosen und schwebenden Wesen zu werden", faßt Illichmann
zusammen: "Aggression hat es nicht zu geben. Fußball ist zum Beispiel
verpönt, weil der Ball da angeblich mit Füßen getreten und vergewaltigt
wird. Und Sexualität ist sowieso tabuisiert, weil sie ja etwas
Unberechenbares und Emotionales ist." Statt dessen herrsche überall das, was
Illichmann als "diese verordnete Harmonie" zu beschreiben sucht ? und eine
panische Angst vor allen Errungenschaften der Moderne.
Solch schwere Anschuldigungen stehen im Gegensatz zum Eindruck anderer
Schüler und auch Eltern. Sie loben die Behutsamkeit im Umgang mit Kindern an
Waldorfschulen und betonen, daß die Kinder viel mehr Rückhalt und
Selbstvertrauen für ihr späteres Leben hätten. Sonja Folta, selbst Mutter an
der Landschule Schönau, bringt es auf den Punkt: "Die Kinder werden in einer
Waldorfschule nicht zugemacht. Geh in eine öffentliche Schule einschreiben
und in eine Waldorfschule: In der Waldorfschule schauen sie das Kind an,
nicht Dokumente. Wenn es Probleme gibt, sind die Eltern eingebunden. In der
öffentlichen Schule können sie ihr Kind ja nur abgeben und Hausübungen
machen!"
Die engagierte Katholikin, die sich nach eigenen Worten mit Anthroposophie
beschäftigt hat, bemerkt im Unterricht ihrer Kinder nichts, was gegen ihren
katholischen Glauben sprechen würde. "Meiner Ansicht nach geht es um
christliche Erziehung und um das Kind als ganzes. Was spricht denn gegen
Anthroposophie, wenn ich mir mein Kind anschaue? Ich sehe ein glückliches
Kind!"



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© Aktion Kinder des Holocaust