«Kinder des Holocausts»
und Steiners Rassenlehre
Von Fritz Imhof, refpresse
Mit einem Eklat endete ein von der «Aktion Kinder des Holocausts»
(AKdH) organisierter Vortragsabend vom Dienstag abend zum Thema «Rassismus
in der Anthroposophie» in Basel. Aus Verärgerung darüber,
dass sich die anwesenden Anthroposophen der Beweisführung der Referenten
hinsichtlich der rassistischen Theorien Rudolf Steiners nicht stellten,
verliess der Basler Theologieprofessor Ekkehard Stegemann demonstrativ
den Vortragssaal.
Stegemann agiert in der laufenden
Auseinandersetzung zwischen Judentum und Anthroposophen als Vermittler.
Mit ihm verliessen weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Saal.
An der Veranstaltung hatten der Wiener
Autor und Filmregisseur Petrus van der Let sowie der österreichische
Journalist und Politologe Peter Bierl den Nachweis erbracht, dass sich
durch das ganze Steinersche Denken hindurch rassistische Gedanken finden
lassen. Peter Bierl zeigte dies besonders an der «Wurzelrassenlehre»
Steiners auf, die den blonden europäischen Arier als Höhepunkt
einer Entwicklung sieht, die insbesondere Indianer, Schwarze, Asiaten
und Juden nicht erreicht haben.
Laut Bierl vertrat Steiner eine «obskure
Rassenlehre», von der es von Seiten der Anthroposophischen Gesellschaft
bis heute keine Distanzierung gebe. Bierl lieferte dazu zahlreiche Belege.
Laut Petrus van der Let, der mehrere
Dokumentarfilme zur Geschichte des Antisemitismus, zum Beispiel über
«Hitlers Religion», gedreht hat, waren sowohl Rudolf Steiner
wie sein Zeitgenosse Adolf Jörg Lanz von Liebenfels fanatische
Wagnerianer. Richard Wagner jedoch habe ein vernichtendes Urteil über
die Juden gefällt und bereits von einem judenfreien Deutschland
gesprochen.
Zu dieser Zeit habe sich ganz allgemein
rassisches und antisemitisches Gedankengut entwickelt, ohne dass jemand
der Tendenz gewehrt habe. Van der Let zog Parallelen zur heutigen politischen
Situation in Österreich.
Laut dem österreichischen Filmemacher
ist die anthroposophische Hochschule Goetheanum (Dornach bei Basel)
jetzt gefordert, sich den Fakten zu stellen und sich insbesondere von
der Rassenlehre des Gründervaters zu distanzieren. Die holländischen
Anthroposophen hätten diesen Schritt aufgrund öffentlicher
Kritik bereits getan. Wenn die Kritik bei der Anthroposophischen Gesellschaft
nicht von innen kommen, werde sich der äussere Druck verstärken
und wie eine Lawine losgehen, warnte van der Let.
Die Äusserungen anwesender Anthroposophen
liessen allerdings nicht darauf schliessen, dass dieser Prozess im deutschsprachigen
Raum bereits eingesetzt hat. Sie forderten weitere Belege und eine Diskussion
von Detailfragen. Eine anthroposophische Teilnehmerin wies ausserdem
darauf hin, dass gemäss anthroposophischem Verständnis die
eigenen Schriften nur von Leuten verstanden werden könnten, die
auch die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen der anthroposophischen
Lehre akzeptierten.
Solche Äusserungen verärgerten
den als Teilnehmer anwesenden Theologieprofessor Ekkehard Stegemann,
der am 18. Januar am Goetheanum ein moderates Referat zur Frage «antijüdischer
Stereotypen in der anthroposophischen Tradition» gehalten hatte.
Das Referat war damals vom Anthroposophen Andreas Heertsch mit einem
Koreferat ergänzt worden.
Am Dienstag äusserte sich Stegemann
nun sehr deutlich. Jede Verteidigung von Steiners rassistischen Äusserungen,
auch wenn diese zum Teil als zeitbedingt erklärt werden könnten,
verhindere die nötige Katharsis, erklärte Stegemann. Der Promotor
der jüdisch-christlichen Verständigung, meinte, seine weitere
Anwesenheit am Anlass sei für ihn vertane Zeit. Sprachs und verliess
den Saal - und mit ihm eine Anzahl weiterer Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Die Veranstaltung in Dornach hatte
das Fazit erbracht, dass Steiner kein Antisemit war. Für die «Aktion
Kinder des Holocausts (AKdH) war dies zuwenig deutlich geworden. Die
Tagung vom Dienstag zeigte nun, dass die Diskussion mit den Anthroposophen
noch ganz in den Anfängen steckt.
Fritz Imhof ist evangelischer Theologe
und freier Journalist
02. Februar 2000 / 15:32:47
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Das Original finden Sie unter
http://www.refpresse.ch/agentur/meldungen/3211.htm
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