Der Bewusstseinszustand
des Atlantiers
Aus: Fred Poeppig, Das Zeitalter der Atlantis und die Eiszeit, Freiburg
1962 (Verlag Die Kommenden") Quelle: http://www.egoisten.de/atlantis/die_atlantier.htm
Aus der Vermählung mit dem heissen
Muspelheim ist der Riese Ymir entstanden, den die Milch der Kuh Audhumla
ernährt, bis diese das Eis von Nivelheim durch ihre Zunge zum Schmelzen
bringt und ein Göttergeschlecht aus dem Eise hervorbricht. Es ist Bör,
der den Riesen Ymir tötet, aus dessen Blut eine Flut entsteht, in deren
Strömen das Geschlecht der Hrimthursen umkommt. Nur einer, der Riese
Bergelmir und sein Weib können sich auf einem Boot retten. Aus dem Leichnam
des Riesen Ymir ist die sichtbare Welt entstanden; aus seinem Haupte
bauten die Götter den Himmel, aus seinen Augenbrauen Midgard, die Wohnung
der Menschen, aus seinen Füßen die Erde. Die ersten Menschen tauchen
in den Bildern zweier Bäume als Ask (Esche) und Embla (Ulme) auf, denen
die Nachkommen von Bör: 0dinwili und We Sprache, Bewusstsein und Denken
geben.
In diesen Bildern offenbart sich
das noch in kosmischen Lebensströmen pflanzenhaft eingebettete Urbewusstsein
unserer atlantischen Vorfahren, die am Ufer der atlantischen Welt gleich
Bäumen heranwuchsen, bis die Denkkraft und damit die Sinneswahrnehmung
in ihnen erwachte. Nivelheim und Muspelheim deuten sowohl auf innermenschliche
wie auf äußere Polaritäten hin: war damals das Innere doch noch in unmittelbaren
Einklang mit der äußeren Naturumgebung! So ist Nivelheim das Bild für
die von Nebelmassen erfüllte Nordatlantis, dem Kältepol, dem das menschliche
Hauptbewusstsein entspricht, Muspelheim das Bild für die Ernährungs-
und Wachstumskräfte des Lebensorganismus, wo sich der Mensch in der
südlichen Atlantis, vom warmen Golfstrom umspült, im Schoße der Weltenmutter
noch geborgen fühlte. Das Bild der Kuh Audhumla spiegelt so recht anschaulich
die mütterlichen Ernährungskräfte.
Ins Riesenhafte erstreckten sich
die Lebenskräfte, die den Atlantier beseelten, weshalb er sich selbst
als Riese empfand. Im Bilde des Riesen Ymir steht dies Erlebnis als
Erinnerung an den Urzustand und damit zugleich an den kosmischen Urmenschen
vor uns, mit dessen Untergang das neue Weltbild der zerstückelten Sinneswahrnehmung
entsteht. Ähnliche Nachklänge leben in den Orphischen (vorgriechischen)
Mysterien, wie in der Zerstückelung der Dionysos, des Osiris, aus dessen
Leichnam Horus geboren wird. Auch das finnische Epos, die "Kalevala",
zeigt in den Schicksalen Lemminkäinens, dessen Leichnam im Totenstrom
zerstückelt wird, bis seine Mutter die Stücke wieder zusammenfügt und
neu belebt, einen ähnlichen Bewusstseinsprozess.
Mit dem Untergang der Atlantis zerteilten
sich die Nebelmassen und schlugen als Regengüsse zur Erde nieder. Damit
brach zum ersten Male. die Sonne durch die Wolken hindurch, wodurch
der Regenbogen als Zeichen des "Neuen Bundes" in die Erscheinung trat,
wie es in der Genesis beschrieben ist. "Und Gott sprach zu Noah: Das
ist das Zeichen meines Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir
und allem Fleisch auf Erden." (Moses 9,17) Der Regenbogen ist ein sinnlich-übersinnliches
Zeichen für die neue Weltordnung und Bewusstseinsform der nachatlantischen
Menschheit, die mit Faust sagen kann- "Am farbigen Abglanz haben wir
das Lebens !"
Der farbige Abglanz des Lebens: was
ist er anders als die in Farben erstrahlende Sinneswelt, die jetzt hervortaucht,
Unterpfand einer neuen Bewusstseinstufe des Welterlebens! So weist Heimdall,
der Wächter auf der Regenbogenbrücke Bibifröst, die von der Menschen-
zur Götterwelt führt, dem Ich-Bewusstsein den Weg in die Sinneswelt.
Noch lange Zeiten lebten solche Bilder als Wegzehrung und Weisung im
Bewusstsein der nordischen Völker, die sich zu "Ich-Trägern" heranbildeten,
wie es im Bild der Weltenesche Yggdrasil "Ich-Träger" ihren Weg prophetisch
erhellt.
Dann bricht der "Fimbul-Winter" herein,
die Eiszeit: und Flut, welche nur ein Menschenpaar überdauert.
Will man sich eine Vorstellung machen
von dem Bewusstseinszustand des Atlantiers, besonders in der ersten
Periode der atlantischen Entwicklung, so muss man sich klar sein, dass
alles, was heute den Mittelpunkt unseres Bewusstseins bildet - die Sinneswahrnehmung
und das ordnende Denken noch nicht vorhanden waren. Dafür war das Bewusstsein
erfüllt von Weltenbildern, die zugleich Leben waren. Das regelmäßige
Wiederkehren dieser Bilder im kosmischen Jahresrhythmus prägte sich
der Seele tief ein, wodurch sich das Gedächtnis entwickelte. Auf diesem
beruhte die atlantische Erziehung:
"Jetzt denken die Menschen in Begriffen;
der Atlantier dachte in Bildern. Und wenn ein Bild vor seiner Seele
auftauchte, dann erinnerte er sich an so und so viele ähnliche Bilder,
die er bereits erlebt hatte. Danach richtet er sein Urteil ein. Deshalb
War damals auch aller Unterricht anders als in späteren Zeiten. Er war
nicht darauf berechnet, das Kind mit Regeln auszurüsten, seinen Verstand
zu schärfen. Es wurde ihm vielmehr in anschaulichen Bildern das Leben
vorgeführt, so dass es später sich an möglichst viel erinnern konnte,
wenn es in diesen oder jenen Verhältnissen handeln sollte. War das Kind
erwachsen und kam es ins Leben hinaus, so konnte es sich bei allem,
was es tun sollte, erinnern, dass ihm etwas Ähnliches in seiner Lehrzeit
vorgeführt worden war. Es fand. sich am besten zurecht, wenn der neue
Fall irgendeinem schon gesehenen ähnlich war. Unter ganz neuen Verhältnissen
war der Atlantier immer wieder aufs Probieren angewiesen, während dem
heutigen Menschen in dieser Beziehung vieles erspart ist, weil er mit
Regeln ausgerüstet wird. Diese kann er auch in den Fällen leicht anwenden,
welche ihm noch nicht begegnet sind (R. Steiner: "Unsere atlantischen
Vorfahren").
Hieraus erwuchs die Autorität, welche
die Führer besaßen, denen man unbegrenztes Vertrauen entgegenbrachte,
wie es sich noch bis zur indischen Kultur erhalten hat. Nicht das Neue,
sonders das ehrwürdige Alte verdiente Anerkennung und Vertrauen.
Ein Rest dieses atlantischen Erinnerungsvermögens
hat sich in den Über die ganze Erde verstreuten Dolmen und Gedenk-eichen
erhalten welche die atlantischen Wanderzüge an bestimmten Orten, wo
sich für sie Bedeutsames ereignet hatte, als Erinnerungsmerkmale aufrichteten.
Bis in die vorgriechische Zeit findet man dieses "lokalisierte" und
rhythmische Gedächtnis, wodurch sich die großen Mythen und Volksdichtungen
wie die Gesänge Homers, ohne schriftliche Fixierung durch lange Zeiten
vom Vater zum Sohn weiter fortpflanzen konnten..
Ein Bewusstsein, das noch Ganz in
kosmischen Weltenrhythmen eingebettet ist, hat sich von der mütterlichen
Nabelschnur der Welt noch nicht gelöst. Es steht daher unmittelbar in
Verbindung mit den kosmischen Lebensprozess en, welche die Natur zum
Sprossen und Welken bringen; es ist Eins mit ihnen.
Daher kann es diese auch bemeistern,
da die eigenen Lebenskräfte des ätherischen Organismus (Bildekräfteleib)
sich in die kosmischen Bildekräfte der Natur hinausergießen. Man findet
eine bildhafte Darstellung dieser rhythmischen Kräfte in manchen Darstellungen
der Eiszeitkunst, wie in dem Bilde. einer Frau, auf einem Mammutzahn
eingraviert. Wir werden hierauf bei der Besprechung der Eiszeitkunst
noch näher eingehen.
Von diesem Hintergrunde aus wird
auch die äußere Gestalt des Atlantiers verständlich, der an Stelle des
Vorderhirns (dem Organ unserer Verstandeskräfte) noch von ätherischen
Lebenskräften durchkraftet war. Sein übersinnlicher 0rganismus ragte
also noch weit über seinen physischen Leib hinaus. Sein Haupt war noch
offen für übersinnliche Einflüsse, Diese Verbindung des ätherischen
Hauptes zur geistigen Umwelt konnte man als feurige Bildung wahrnehmen,
die nach oben strahlte. Von diesem Gesichtspunkt erscheint es nicht
erstaunlich, dass der Atlantier Gewalt über die Lebenskräfte besaß,
so dass er ein Samenkorn zum Blühen bringen konnte. Hierauf war im Grunde
die ganze atlantische Kultur aufgebaut. So gebrauchte der Atlantier
die Samenkräfte der Pflanzen, um seine Fahrzeuge damit fortzubewegen.
Erst mit dem letzten Drittel der atlantischen Zeit begann sich das Haupt
abzuschließen, ähnlich wie beim Kinde nach dem dritten Jahre. Damit
erlosch die Fähigkeit, sich unmittelbar die Lebenskräfte dienstbar zu
machen, doch es erwachte gleichzeitig als neue Fähigkeit das Denken.
Damals wurde das Vorderhirn ausgebildet zum Organ des bewussten Denkens.
Man versteht von diesem Gesichtspunkt
auch, warum der Neandertaler und ähnliche Funde noch die atlantische
Schädelform zeigen, (wenn auch in einer sehr primitiven Form, da es
sich hier um zurückgebliebene Rassen handelt). Das Vorderhirn ist noch
nicht ausgebildet, während alle Merkmale des vitalen Poles hervortreten
wulstige Augenbrauen, Mund- und Kinnpartie).
Je mehr die Lebensprozesse zurücktraten,
um so mehr konnte sich die Gehirnfunktion entwickeln und damit begann
die Beherrschung über das Mineralische, was die eigentliche Aufgabe
der nachatlantischen Kulturen bilden sollte, zu der es unsere Gegenwart,
zu den größten Leistungen gebracht hat. Auf der Grundlage der Erinnerungskräfte
entwickelte sich die Sprache . Sie ist eine Frucht der atlantischen
Menschheitsentwicklung. Nur lebte im Laut etwas Naturgewaltiges: Sie
benannten nicht bloß die Dinge, sondern in ihren Worten lag eine Macht
über die Dinge und auch über ihre Mitmenschen. Wenn man von einer Zaubermacht
der Worte spricht, so deutet man etwas an, was für diese Menschen weit
wirklicher war als für die Gegenwart." (R. Steiner-. Unsere atlantischen
Vorfahren")
In diese völlig anderen Seelen-
und Bewusstseinszustände muss man sich hineindenken., will man die Lebensverhältnisse
der atlantischen Menschheit verstehen. Auf dieser Grundlage wuchs gegen
Ende der atlantischen Zeit die Denkkraft heran, die ein neues Zeitalter
einleiten sollte.