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AKdH
gewinnt Prozess: «Bedingt» für Auschwitz-Leugner Dutzende
von Schmähbriefen mit rassistischem Inhalt hat Walter Stoll in
den letzten Jahren verschickt. Trotz schlechter Prognose verurteilte
ihn das Strafgericht zu einer bedingten Strafe von vier Monaten. Anonyme Schmutzkampagne Belegt
ist die jahrelange Aktivität Stolls als anonymer Briefschreiber.
Als «Feldjäger vom Hochrhein» unterzeichnete er Schmähpost
an verschiedene Privatpersonen, die sich in der einen oder anderen Art
öffentlich zum Thema Juden, Zweiter Weltkrieg oder Ausländer
geäussert hatten. Betroffen waren neben Politikern vor allem die
Autorinnen und Autoren von Leserbriefen, die Stoll in primitivster Weise
konterte. Als der Revisionist selbst einen Leserbrief in der BaZ platzieren
wollte und die Redaktion das rassistische Elaborat an die Staatsanwaltschaft
weiterleitete, war Stoll als Urheber der Schmutzkampagne überführt. «Unverbesserlicher Rassist» «Ich
will diesen Personen meine konträre Meinung bekannt machen und
erreichen, dass sie endlich Ruhe geben», begründete der notorische
Auschwitzleugner seinen anonymen Amoklauf. Die Vorwürfe akzeptiert
er inhaltlich, ist sich jedoch keiner Schuld bewusst oder gar reuemütig.
Niggi Dressler, der Anwalt der drei Privatkläger, bezeichnete denn
auch in seinem Plädoyer den Angeklagten als «unverbesserlichen
Rassisten». Stoll sei zudem kein harmloser alter Mann, sondern
nehme aktiv an SS-Veteranentreffs teil. Auch die 14-monatige Gefängnisstrafe,
die er 1946 wegen fremder Kriegsdienste hatte antreten müssen,
habe seine Einstellung zur Nazizeit nicht verändert. Schliesslich
seien die 14 belegten Fälle nur die Spitze des Eisbergs, es habe
dutzende oder sogar hunderte weiterer Briefe und Postkarten gegeben,
so der Anwalt. Dressler forderte deshalb eine unbedingte neunmonatige
Gefängnisstrafe sowie je 3000 Franken Entschädigung wegen
Ehrverletzung. Auschwitz-Leugner:
Urteil bestätigt «Öffentlichkeit ist gegeben» Gestern nun kam das Verfahren vor das Appellationsgericht. Zu prüfen war zweierlei: Die Verletzung der Antirassismus-Strafnorm, andererseits die Klagen wegen Ehrverletzung von drei Empfängern seiner Briefe. Unbestritten war, dass die Schriftstücke rassendiskriminierenden Inhalt hatten. Im Zentrum stand deshalb, wie schon vor dem Strafgericht, die Frage, ob die Stimmungsmache gegen Juden ein «öffentliches Handeln» war - Voraussetzung für eine Verletzung des erwähnten Paragrafen. Die Vorinstanz hatte diesem Punkt zugestimmt, der Pflichtverteidiger MT widersprach: Es habe sich um gezielte Briefe als Reaktion auf bestimmte Meinungsäusserungen der Adressaten gehandelt. Das Gericht folgte aber der Argumentation von Anwalt Niggi Dressler: Es seien zahlreiche Personen von der braunen Post betroffen gewesen, zudem verschiedene Institutionen wie die Israelitische Gemeinde oder die Basler Handelskammer, wo es naheliegend sei, dass mehrere Personen die Post läsen. Auch wenn man sich zusätzlich auf eingestellte Einzelverfahren beziehen müsse, «das Kriterium der Öffentlichkeit ist offensichtlich gegeben», schloss Gerichtspräsident Eugen Fischer. Eine Ehrverletzung verjährt Das langwierige Prozedere hat für die Anzeige Führenden zu einer - kosmetischen - Niederlage geführt: Das Appellationsgericht liess nur noch zwei Anzeigen wegen Ehrverletzung zu, die dritte war nach vier Jahren verjährt. Auf den Vorwurf der Verteidigung, die Anzeigen seien an die falschen Stelle (Staatsanwaltschaft statt Zivilgericht) eingereicht worden, deshalb verspätet und ungültig, trat das Gericht nicht ein. Erneut nicht berücksichtigt wurde hingegen die Forderung des Anwalts Dressler, der für seine drei Mandanten je 3000 Franken Genugtuung forderte, die man der Organisation «Kinder des Holocausts» überweisen wolle. Die Kläger müssten sich damit zufrieden geben, dass das Urteil der Vorinstanz in Sachen Antirassismusnorm geschützt werde, meinte Gerichtspräsident Fischer. Aus dem neuen Verfahren ergeben sich Kosten von rund 3000 Franken, die der Angeklagte übernehmen müsste - der aber laut eigenen Angaben von AHV und Sozialbeiträgen lebt. Warum bloss «bedingt»? Anlässlich der Urteilsverkündigung hielt Fischer nicht mit seiner Meinung zum Tun Stolls zurück: In seiner Karriere habe er kaum etwas derart Erbärmliches erlebt, «was Sie getan haben, ist unbeschreiblich». Kritik übte Fischer auch an der Vorinstanz. Die vier Monate Gefängnis seien aufgrund der Tat «milde». Und dass der bedingte Vollzug gewährt worden sei, «befremdet mich angesichts des unbelehrbaren Angeklagten». Wenn das hohe Alter den Ausschlag dafür gegeben habe, sei dies kein Grund: «Über allfällige Erleichterungen müsste die Vollzugsbehörde entscheiden», so Fischer. Doch eine Strafverschärfung war vor Appellationsgericht nicht möglich - auch wenn an der Unbelehrbarkeit Stolls kein Zweifel besteht: In der Nachfolge des Strafgerichtsurteils hatte er es nicht lassen können, zwei Kläger erneut mit seiner Post zu belästigen und zu beleidigen.
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