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  «Schlagkräftiger werden»
 


QU: Tachles, 19. Oktober 2001

Die «Aktion Kinder des Holocausts» feiert dieses Jahr ihr 10. Jubiläum. Mit ihrem Engagement um die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit hat sie sich an vorderster Front für die Aufhebung von Webseiten mit rechtsextremem Gedankengut verdient gemacht.

Von Rachel Manetsch

Surfen im Internet gehört heutzutage in unser tägliches Leben wie fernsehen oder Radio hören. Will man schnell zu einer bestimmten Information gelangen, seien es etwa die Öffnungszeiten eines Museums oder ob die neue CD der Lieblingsband bereits auf dem Markt ist, man kann dies ohne grosse Mühe über Suchmaschinen tun. Nicht selten schleichen sich unter die gefundenen Websites einige seltsame, nicht direkt zum Suchbegriff passende Sites. Und manchmal sogar landet man auf einer, die gar verboten ist - aus rechtsextremen oder anderen Gründen. Wenn der Surfer letztere antrifft, kann er sich bei einem Verband melden, der sich dieser Problematik annimmt und mit einer beachtlichen Effizienz zu bekämpfen weiss.

Es war einmal ...

Vor zehn Jahren gründete Samuel Althof mit Gleichgesinnten die "Aktion Kinder des Holocausts" (AkdH). Ein Vorfall in Flüeli-Ranft, wo sich kurdische Flüchtlinge in einer Kirche verschanzt hatten, um auf die Ausweisungpraxen der Schweiz aufmerksam zu machen, weckte den Initiativgeist von "AKdH". Als Kinder von Holocaustüberlebenden empfanden die Gründer ihre Erfahrungen mit ihren Eltern als wertvoll, um sich solchen Problemen zu stellen. Ziel der neugegründeten Gruppe war es, das Problem der Gleichwertigkeit in der Gesellschaft zu thematisieren. "Wir wollen nicht, dass alle Menschen gleich sind", so Althof, "wir wollen nur dafür arbeiten, dass sich die Menschen dieser Problematik bewusst sind." So hat sich "Aktion Kinder des Holocausts" dem Kampf gegen Rassismus jeglicher Art verschrieben, insbesondere dem Kampf gegen Rechtsextremismus. Aber auch Integrationspolitik, Gewaltprävention, interkulturelle Pädagogik und Friedensarbeit, vor allem im Nahostkonflikt, gehören zu ihrem Aufgabenbereich. Um in den unterschiedlichen Breichen effizient wirken zu können, arbeiten Menschen verschiedenster Berufsgattungen zusammen: Pädagogen, Psychologen, Juristen, Politiker, Künstler, Sprachwissenschafter, Journalisten und viele andere.
"AkdH" versteht sich ausserdem als "Pressure Group". Wie ist dies zu verstehen? "Wir wollen durch gezielte Aktivitäten auf Zusammenhänge hinweisen, die in der Öffentlichkeit wenig oder keine Beachtung finden", erklärt Althof. Insbesondere in der Aufdeckung von Webseiten mit rechtsextremem und antisemitischem Gedankengut leistet die "AkdH" Pionierarbeit. Die Aufdeckung solcher Sites ist jedoch nicht so simpel. Oftmals entdeckt man diese durch Zufall oder erhält Hinweise von Surfern. Um später auch rechtliche Schritte gegen die Übeltäter einleiten zu können, muss man herausfinden, wer der Host (Anbieter) ist, um schliesslich, in mühsamer Kleinarbeit, den Betreiber der Seite zu eruieren. Erst dann kann man eine Strafanzeige einreichen.

Gute Zusammenarbeit

Kommt es erst einmal zu einer Anzeige, hat "AkdH" grosse Chancen, eine Schliessung der Webseite zu erreichen. Dies liegt nicht zuletzt an der guten Zusammenarbeit mit der schweizerischen und der ausländischen Behörde und den Providern. Dank den guten Kontakten zum Bundesamt für Polizei werden die Hinweise und Anklagen sehr ernst genommen. Da das Internet ein junges Medium ist und das Rechtssystem in solchen Fällen oft noch Lücken aufweist, handelt es sich bei den Ermittlungen und Urteilen von solchen Cyberkriminellen oft um Präzedenzfälle. Die "Aktion Kinder des Holocausts" ist die Vorreiterin für solche Fälle, denn nicht nur in der Schweiz hält sie ihre Augen offen, auch das ausländische Internet wird genau unter die Lupe genommen. Hierzu hat die "AkdH" sogar einen Anwalt in Berlin stationiert.
Die Organisation holt gleichzeitig zum Gegenschlag aus. Auf der Internetseite www.shoah.de werden 900 Internetseiten zusammengefasst, die sich seriös mit dem Thema des Holocausts auseinandersetzen. "Die Seiten, welche sich auf diesem Portal eintragen lassen, erhalten eine Art Gütesiegel", so Althof, diese seien bemüht, qualitativ hochstehende Informationen zum Thema zu liefern. Wie viele Webseiten mit rechtsextremen Elementen dank der "Aktion Kinder des Holocausts" aufgedeckt und verboten wurden, weiss Althof nicht. "Zu viele!"

Ohne Ruhe

Die vor zehn Jahren gegründete Organisation hat sich aber nicht nur in schweizerischen Belangen eingesetzt. Der Nahostkonflikt ist bei "AKdH" ebenfalls ein Dauerbrenner. So übte die Organisation öffentlichen Protest, als 1993 die Ausweisung von 415 Hamasaktivisten nach Südlibanon bevorstand. "Diese Entscheidung könne für alle Beteiligten negative Folgen haben und damit zum Bumerang für alle Juden werden", schrieb damals die Organisation. 1997 gründete die "AKdH" anlässlich des Herzl-Jubiläums den Verein "One Voice for Peace" und organisierte ein Friedenskonzert in Basel. Uri Avnery, ehemaliger israelischer Abgeordneter, Friedensaktivist und Mitglied des Patronatkomitees des "AKdH", eröffnete das Konzert mit einer Ansprache.
Überhaupt sind erstaunlich viele Prominente im Patronatskomitee vertreten. So findet man auf der Liste Peter Bichsel, Sigi Feigel, François Loeb, Ytzchak Mayer, Thomas Lyssy, Albert Rychen, Werner Rom und Simon Wiesenthal unter vielen anderen.
Nun nach zehn Jahren aktiver und erfolgreicher Arbeit denkt niemand ans Aufhören. Althof wünscht sich, dass die Organisation etwas zur Ruhe kommen kann. "Dennoch streben wir eine effizientere Arbeit an und hoffen noch schlagkräftiger zu werden", so der Initiator. Zwar wollte man für das Jubiläumsjahr etwas Spezielles organisieren, hierzu fehle aber in erster Linie die Zeit und in zweiter die finanziellen Mittel - Die "AKdH" wird zu einem kleinen Teil vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund unterstützt, der Rest ist Selbstfinanzierung.
Der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus wird also weiterhin von den engagierten Mitarbeitern der "AKdH" ausgetragen. Ob sich ihre Arbeit vereinfachen oder sich als Sisyphusarbeit herausstellen wird, wird sich erst in der Zukunft weisen. Denn die verbissenen Rechtsextremisten und Antisemiten werden, einer Plattform willen, zu immer dreisteren und undurchsichtigeren Mitteln greifen.


© Aktion Kinder des Holocaust