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  «Klein, aber mobil und vernetzt wie andere in der Schweiz»
 

QU: Die Südostschweiz; 05.08.2007

Wie gross ist die rechtsextreme Szene im Glarnerland? Wie ist sie organisiert? Wie kann man diesen Leuten begegenen? Die «Südostschweiz am Sonntag» hat sich mit Experte Samuel Althof darüber unterhalten.

Mit Samuel Althof sprach Maya Rhyner
Herr Althof, was wissen Sie von der rechtsextremen Szene im Glarnerland?

Samuel Althof: Nun, sie ist sehr sehr klein, aber genauso mobil und vernetzt wie andere Szenenteile in der Schweiz. Sie kann punktuell, also irgendwann und irgendwo, gefährlich sein. Politisch aber ist sie irrelevant.

Schon öfter kam es zu Zwischenfällen. Letztmals bei der Anti-Rassismus-Demo der Juso im Volksgarten. Wie schätzen Sie diesen Vorfall ein?

Althof: Es ist ein widerlicher und hässlicher Akt. Ich vermute, dass er eine Vorgeschichte hat, zwischen der Juso und den Rechtsextremen besteht wohl eine Beziehung, die nicht öffentlich sichtbar ist. Spannungen müssen vermutlich schon seit längerem bestanden haben. In einem so kleinen Gebiet wie dem Kanton Glarus kann es so sein, dass sich die beiden Gruppierungen kennen, sogar schon von klein auf. Es kann zum Beispiel in der Schule anfangen, wo einer ein besseres Fahrrad hat als der andere, man etwas neidisch wird, der Konflikt aber nie gelöst wurde und weitere dazu kamen. Warum solche kleinen Feindschaften später im politischen Bereich ausgetragen werden, ist aber nur teilweise erklärbar, weil diese Feindschaften in einer ländlichen Umgebung, in welcher jeden jeden kennt, sehr vielschichtig sind.

«Lokales Problem ist als gering einzustufen.»

Die Schläger, die an der Demo auftauchten, seien grösstenteils von auswärts gekommen. Wie gut ist die Glarner Szene organisiert?

Althof: Grundsätzlich kann man sagen, dass Rechtsextreme weniger gut organisiert sind als Linksextreme. Rechtsextreme können sich aber zu bestimmten Zeitpunkten, gerade auf einen solchen Anlass hin, gut vernetzen. Und wenn lokal Spannungen da sind, dann holt man sich Verbündete.

Dann haben wir hier im Kanton ein ernstes Problem mit Rechtsextremen?

Althof: Nein. Sie sehen, die Rechtsextremen mussten Leute von auswärts holen. Das lokale Problem würde ich als gering einstufen.

Wie hat sich die Szene über die letzten sieben Jahre gesehen entwickelt? Einer, der den Ausstieg versuchte (Artikel Seite 3), sagt, dass sie früher besser organisiert gewesen seien und heute nur noch Einzelpersonen wirkten.

Althof: Ich glaube, es stimmt, was er sagt. Ich kann dies zwar nicht genau belegen, aber mein Eindruck ist derselbe.

Aber man hat doch das Gefühl, dass sich Vorfälle in den letzten Jahren häuften.

Althof: Das ist eine Wahrnehmungssache. Die rechtsextreme Bewegung gibt es in der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg. Und wenn jetzt der Vorfall an der Juso-Demo als 'Schlägerei im Park' publik geworden wäre, hätte man von den Rechtsextremen nichts gemerkt. Die Sensibilisierung in den Medien ist einerseits gut, andererseits auch kontraproduktiv. Ob es in den letzten Jahren mehr Vorfälle gegeben hat? Da wäre ich sehr, sehr vorsichtig. Wenn man die Szene gesamtschweizerisch anschaut, ist sie stabil.

«Position als liebende Eltern nicht verlassen.»

Wie kann man jungen Rechtsextremen begegnen? Was können Eltern tun, wenn sie merken, dass ihr Kind in diese Szene abrutscht?

Althof: Was es grundsätzlich zu beachten gilt: Dem Rechtsextremismus muss man unaufgeregt und überlegt begegnen. Auch Politiker sollten das Gespräch suchen, man muss die Argumente der Rechtsextremen sachlich und ruhig widerlegen.

Und was raten Sie Eltern?

Althof: Sie sollten ihre Position als liebende Eltern nicht verlassen. Auch wenn ihr Kind einen ganz eigenen Weg geht, sollten sie es nicht aus der Familie ausgrenzen und entwerten. Auch hier gilt es, ruhig und unaufgeregt zu bleiben, den liebevollen, aber kritischen Dialog zu suchen. Man darf sich nicht davor scheuen, die Grenzen im Haushalt klar aufzuzeigen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Althof: Nehmen wir die Springerstiefel: Wenn ein Kind solche Stiefel tragen möchte und die Familie dies aber nicht wünscht, dann muss man ihm klar sagen, dass es diese vor der Haustüre ausziehen und in den Keller bringen soll, weil man sie im Haus nicht sehen möchte. Oder wenn es eine Fahne aufhängen will, die man in der ganzen Nachbarschaft sieht. Dann soll man ihm sagen, dass dies das Verhältnis der Familie zu den Nachbarn verschlechtert, und es sie deshalb entfernen soll. Das Ziehen klarer Grenzen ist aber grundsätzlich ebenso wichtig, wie den eigenen Lebensraum des Kindes zu respektieren, auch wenn dieser uns nicht passt. Aber: Man muss das, was einen stört, unaufgeregt thematisieren.

Das ist wohl nicht ganz leicht. Das Wort Rechtsextremismus macht Angst.

Althof: Man muss zwischen den historisch bedingten Ängsten und der realen Gefahr unterscheiden. Die ältere Generation kennt noch die Bilder der Nationalsozialisten. Man darf dem Kind aber nicht dieses Bild überstülpen, denn das kann es auf keinen Fall sein. Was sicher Angst macht, ist, dass es in ein geschlossenes gesellschaftliches Gefüge abdriften könnte, wo man nicht mehr versteht, warum es dieses oder jenes macht und als Eltern keinen Zugang mehr dazu hat. Oft scheinen entsprechende Gruppen oder Gangs Defizite der Herkunftsfamilien abzudecken, indem diese zum Beispiel rechtsorientierten Jugendlichen scheinbare Selbstbestätigung, Heimatgefühle und stark vereinfachende Antworten zu komplexen Themen geben. Die Ideologisierung kommt erst viel später dazu. Dass ein Kind in eine rechtsextreme Szene hineinkommt, ist zwar ungemütlich, aber mehr ist es - zu Beginn - nicht.

«Von den Juso-Aufrufen halte ich nichts.»

Und was sollten die Parteien, die Politiker unternehmen? Die Juso hat zum Handeln aufgerufen ...

Althof: Von solchen Aufrufen halte ich nichts, sie sind nutzlos. Dennoch verstehe ich, was die Juso will. Sie will eine Delegitimation des Rechtsextremismus. Diese kann aber nicht von linker Seite her kommen, das funktioniert nicht. Sie müsste von wert-konservativ orientierten Parteien kommen, nur machen die das nicht gerne. Diese Aufrufe haben mehr mit Panikmache zu tun als mit realer Auseinandersetzung mit den Leuten, die rechtsextrem sind. Es ist ganz wichtig: Unsere Ausgangslage ist ein funktionierender demokratischer Staat mit einem kleinen Extremisierungsproblem. Wir können aber damit umgehen, das Staatssystem ist in keinster Weise gefährdet.

Wer sollte denn Ihrer Meinung nach diesen Menschen gegenübertreten und mit ihnen ruhig reden?

Althof: Wir alle müssen da als Demokraten unser Selbstbewusstsein und unsere politischen Argumentationsfähigkeiten nutzen. Wir müssen diesen Leuten ruhig gegenübertreten und inhaltlich erklären: «Ihr seid falsch gewickelt, wir wollen keinen Extremismus.» Das ist nicht etwas, was eine bestimmte Art von Leuten tun soll, jeder kann es tun. Wenn man in der Familie davon betroffen ist, dann kann man das nicht nur an Fachpersonen delegieren. Wenn Freunde betroffen sind, dann soll man versuchen, mit ihnen zu reden. Die Extremismusprävention beginnt bei uns selbst, bei unserem Bewusstsein und Selbstbewusstsein als Demokraten in diesem Staat.

Und was, wenn die Person, mit der man versucht zu reden, handgreiflich wird?

Althof: Man muss sich dann als erstes selbst schützen, sich von der Gewaltszene entfernen. Und abwarten, bis sich eine nächste Gelegenheit zu einem Gespräch bietet.


© Aktion Kinder des Holocaust