|  | Skinheads 
              sind Bier saufende, ungebildete Primitivlinge aus der Unterschicht.
 Ein Irrtum. Bier bleibt zwar des Skinheads Lieblingsgetränk, 
              doch Studien belegen, dass immer mehr Jugendliche aus gutbürgerlichem 
              Elternhaus bei den Rechtsradikalen mitmachen.
 Von Christoph Keller
 QU: 
              Tagesanzeiger Magazin, 20. Juli 2002
 Gerne 
                erzählt Andreas F. diese Geschichte nicht. Und doch muss 
                er sie erzählen, damit klar wird, warum er etwas hat gegen 
                Ausländer.Andreas F. sitzt auf der Terrasse des elterlichen Hauses, der 
                Blick geht auf einen gepflegten Garten. Beschaulich stehen rundum 
                die Einfamilienhäuser im Sonnenlicht, man hört Vögel 
                pfeifen, entfernt einen dröhnenden Rasenmäher. Andreas 
                F. erzählt, er habe hier auf dem Bruderholz, dem noblen Basler 
                Villenquartier, die Primarschule besucht, es sei eine Klasse von 
                lauter Schweizer Kindern aus besserem Hause gewesen, während 
                die wenigen Ausländerkinder in die Sonderklasse gingen. Eine 
                übersichtliche, heile und abgezirkelte Schulwelt. Doch dann, 
                mit elf Jahren, kam Andreas F. in die Orientierungsschule, unten 
                im Gundeldingerquartier, einem Quartier mit so genannt hohem Ausländeranteil, 
                und da sei es dann zur "Eskalation" gekommen, erzählt 
                Andreas F.; die "Eskalation" entstand, weil die Mitschüler 
                aus Kurdistan, aus Jugoslawien oder aus der Türkei ihre Konflikte 
                doch ziemlich anders austrugen als die wortgewandten Schweizer 
                Kids vom Bruderholz - mit Schlägereien. Andreas F. kam dran, 
                er geriet ins Visier eines kurdischen Mitschülers, der ihn 
                traktierte, hart und schnell, der Mitschüler war gross und 
                kräftig, und nach einer der vielen Schlägereien, bei 
                denen Andreas F. stets den Kürzeren zog, kam er mit einer 
                Wunde an der Backe nach Hause: eine böse Wunde, die lange 
                nicht heilen wollte, die wucherte.
 Dort unten, im Gundeldinger Schulhaus, hat Andreas F. blanke Gewalt 
                erlebt, er hat Schutzgelderpressungen gesehen, Nachstellungen, 
                Hinterhalte und die Hilflosigkeit der Lehrer, die um Verständnis 
                für die Situation der ausländischen Schüler warben, 
                statt einzuschreiten. Eine Lehrerschaft, die überfordert 
                war und es nicht wagte, den ausländischen Randalierern an 
                der Schule die Stirn zu bieten, und Andreas F. hat bis heute nicht 
                verstanden, warum sich niemand an der Schule für ihn, das 
                Opfer, einsetzte. Jedenfalls nervt Andreas F. seitdem seinen Vater, 
                einen Psychiater, seine Mutter und seine Schwester am Familientisch 
                ständig mit seinen ausländerfeindlichen Sprüchen.
 Angehörige der Sozialdienste, der Elternberatungen, Politiker 
                und Lehrerinnen, sie sind alle überfordert bei der Frage, 
                wie Rechtsextremismus bei Jugendlichen entsteht. Sie nehmen, wie 
                die Öffentlichkeit, Zahlen zur Kenntnis, etwa dass es sich 
                beim harten Kern rechtsextremer Jugendlicher um zirka 900 bis 
                950 Skins handeln soll, sie wissen, dass die Mitglieder der Szene 
                immer jünger werden, dass bereits 13- und 14-Jährige 
                die Konzerte rechtsextremer Bands besuchen, die so genannten Babyskins. 
                Die Kantone erstellen Listen von Übergriffen der Skins, etwa 
                für das Jahr 2001 im Kanton Solothurn: Am 20. Januar ein 
                Auftritt der Skins an der Fasnacht, am 27. Januar eine Demonstration 
                von Skinheads in Olten, am 24. Februar in Kappel kam es bei einem 
                Maskenball zu Auseinandersetzungen mit Skins, am 27. März 
                fand ein Kameradschaftstreffen auf dem Balmberg statt, am 26. 
                Mai kam es in Obergösgen zu einem Brandanschlag auf einen 
                Jugendtreffpunkt, bis hin zur Schlägerei zwischen 30 Skinheads 
                und Ausländern in Solothurn am 27. Oktober. Auch für 
                andere Kantone gibt es solche Listen, und sie dokumentieren, in 
                den Worten der zuständigen Polizeidirektoren, die "zunehmende 
                Gewaltbereitschaft" und die "zunehmende Identifikation 
                mit rechtsextremem Gedankengut", vor allem die Konzerte rechtsextremer 
                Bands seien "eine ständige Rekrutierungsbasis für 
                neue Mitglieder", warnen die Polizeidirektoren.
 Doch niemand kennt sie wirklich, die Skins. Sie entziehen sich, 
                scheuen den Kontakt zu den Medien (ein Interview gilt schnell 
                als "Verrat" an der Sache), sie wollen nichts zu tun 
                haben mit irgendwelchen staatlichen Stellen, mit Sozialarbeitern 
                schon gar nicht; und so halten sich die Klischees von den "Bier 
                saufenden", "primitiven" Glatzen aus der Unterschicht, 
                typische Primitivlinge mit grossem Bildungsdefizit.
 Ein Irrtum.
 Franz Kohler, Sozialarbeiter und Mitglied der Eidgenössischen 
                Kommission für Jugendfragen, ist darüber hinaus Berater 
                der Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft in Sachen 
                Rechtsextremismus und Leiter der Anlaufstelle Rechtsextremismus 
                des Kantons Basel-Landschaft. Er hat sich in mehreren Studien 
                mit dem Phänomen "Rechtsextremismus bei Jugendlichen" 
                auseinander gesetzt und musste erst einmal mit einem alten, tief 
                eingesessenen Vorurteil aufräumen:
 "Wenn man glaubt, die Skins stammten alle aus der Unterschicht, 
                so irrt man sich gewaltig - im Gegenteil. Nach meiner Erfahrung 
                stammen rechtsextreme Jugendliche sogar eher aus gut bürgerlichen 
                Elternhäusern, aus Akademikerfamilien."
 "Warum ist das so?"
 "Die Faktoren, die zur Ausbildung einer rechtsextremen Orientierung 
                führen, etwa das Bedürfnis der Jugendlichen nach Abgrenzung 
                gegenüber den Eltern, die Provokation mit dem Outfit, sind 
                nicht an bestimmte Schichten gebunden. Besser gestellte Jugendliche 
                unterscheiden sich nur dadurch, dass sie in behüteten Verhältnissen 
                aufwachsen, in Quartieren mit wenigen oder gar keinen Ausländern. 
                Sie haben somit von klein auf nie gelernt, ausländischen 
                Kindern und Jugendlichen zu begegnen - und irgendwann einmal werden 
                sie grösser, erweitern ihren Aktionsradius und treffen auf 
                Gruppen von ausländischen Jugendlichen, in der Schule, im 
                Ausgang in der Stadt, am Arbeitsplatz, werden von ihnen provoziert, 
                fühlen sich verängstigt."
 "Und suchen Schutz."
 "Ja. Da bietet sich die rechtsextreme Szene an, mit ihren 
                starken Symbolen, mit der Bomberjacke, den Stiefeln, den geschorenen 
                Schädeln. Das sind Symbole, die vieles gleichzeitig bedienen: 
                die Männlichkeit, die Nationalität, Stärke, Macht, 
                helfen, die eigene Angst abzuspalten, und sie sind die Folie für 
                die gemeinsame Identität."
 Auf rund 100 wird die Zahl der Skins in der Region Basel geschätzt. 
                Die Skins in der Stadt Basel stammen allesamt nicht aus den Quartieren 
                mit vielen Ausländern, nicht aus dem Kleinbasel, nicht aus 
                dem St. Johann oder dem Gundeldingerquartier. Sie sind mehrheitlich 
                in Riehen aufgewachsen, einer gut situierten Vorortsgemeinde, 
                oder im Neubad, einem mittelständischen Quartier der Stadt; 
                ihre "Kampfzonen" suchen sie sich dort, wo sie damit 
                rechnen können, auf Gangs oder Gruppen ausländischer 
                Jugendlicher zu treffen - bei Volksfesten, auf der Gasse, in Jugendhäusern, 
                wo auch immer, proben sie an den "Jugos", den "Kanaken", 
                den "Scheissalbanern" ihre Identitätsfindung als 
                "stolze und aufrechte Schweizer".
 Zum Beispiel der Fall von Peter L.:
 Aufgewachsen in Riehen, der Vater Arzt, die Mutter Psychologin, 
                rutscht bereits mit 13 Jahren in die Szene. Hängt irgendwann 
                einmal eine Nazi-Fahne ins Zimmer, die Eltern sind irritiert, 
                protestieren aber nicht. Peter L. bestückt sich dann vollständig 
                mit den Nazi-Emblemen, grüsst seine Kameraden mit "8/8", 
                dem Code für "Heil Hitler"(H ist der achte Buchstabe 
                des Alphabets), begeht des Führers Geburtstag und den Geburtstag 
                von Rudolf Hess mit Gleichgesinnten und prügelt sich. Prügelt 
                sich während Jahren hartnäckig mit jedem, der ihm über 
                den Weg läuft. Der zurückhaltende, antiautoritäre 
                Vater tritt ihm nicht entgegen, die Mutter schimpft ihren Sohn 
                zwar, bewundert ihn aber insgeheim für seine Männlichkeit 
                - für die Mutter ist Peter L. endlich mal einer, der zupackt, 
                ein richtiger Mann, der sich nicht auf die Kappe scheissen lässt. 
                An diesem Bild hält die Mutter fest, als der Sohn im Knast 
                landet, dann in die Junkieszene abrutscht, sich wiederfindet bei 
                den Hooligans des FCB, dort aber Stadionverbot erhält wegen 
                Randalierens. Peter L., der mit zwanzig Jahren eigentlich ein 
                Wrack ist.
 Nazis 
                sind popDie Familienkonstellation bei jugendlichen Skins, die Franz Kohler 
                als Sozialarbeiter in unzähligen Kriseninterventionen angetroffen 
                hat, weist eine Konstante auf. Einerseits "einen schwachen, 
                kaum präsenten Vater, der die Provokationen des Sohnes ins 
                Leere laufen lässt"; auf der anderen Seite "eine 
                ambivalente Mutter, die offen oder latent mit ihrem machohaften, 
                glatzköpfigen Sohn sympathisiert". Ein Befund, den der 
                Psychotherapeut Ulrich Sollmann bestätigt, wenn er schreibt, 
                der heutige Rechtsextremismus Jugendlicher entstehe gerade nicht 
                "auf der Grundlage einer autoritär-zwanghaften Persönlichkeitsstruktur", 
                er bilde sich gerade nicht aus "im patriarchalischen Familienmilieu, 
                in dem der Vater eine vorherrschende Rolle einnahm oder idealisiert 
                wurde"; vielmehr seien die Jugendlichen heute generell "sehr 
                unzufrieden mit ihren Eltern, und sie haben offene Rechnungen 
                mit ihnen", schreibt Ulrich Sollmann, sie seien "beziehungshungrig, 
                aber der Hunger richtet sich aus auf ausserfamiliäre Beziehungsangebote"; 
                auf diese Kinder wartet die rechtsextreme Szene. Sie bietet ihnen 
                sämtliche Elemente "einer sozialen Bewegung", die 
                "alle Bereiche der Alltagskultur bestimmt und dominiert", 
                schreibt Burkard Schröder in seinem Buch "Nazis sind 
                pop"; "sie ist ein Konglomerat aus Musik, Mode, Treffpunkten, 
                gemeinsamen Aktionen sowie Ideologiefragmenten". Ein Angebot, 
                meint der Basler Psychotherapeut Udo Rauchfleisch, das attraktiv 
                sei aus dem einfachen Grund, dass die heutige junge Generation 
                Mühe hat, sich mit den Elementen anderer Subkulturen gegenüber 
                den Eltern abzugrenzen - "wie soll sich ein Jugendlicher 
                abgrenzen gegenüber Eltern, die selber schon gepierct sind, 
                sich die Haare färben, mit Inlineskates herumfahren und ewig 
                jung bleiben wollen?"
 Die Situation auf der "Gasse" verschärft die Krise 
                zusätzlich. Das sagt Guido Morselli, Jugendarbeiter im Basler 
                Neubadquartier und in Riehen, ein engagierter "Secondo", 
                der permanent unterwegs ist, um die "Kampfzonen" zwischen 
                den Gangs und Gruppen auszumachen; einer, der versucht, auch die 
                Jungs und die wenigen Mädchen aus der rechten Szene auf der 
                Gasse genau dort abzuholen, wo sie Zoff suchen, und sie mit ihrem 
                Rollenverhalten zu konfrontieren: "Sagen wir es so - die 
                Skins sind heute attraktiv geworden, weil sie als eine Art Gegenpol 
                zu den gut organisierten und sehr aktiven Gruppen von Ausländern 
                wahrgenommen werden. Viele der verunsicherten, labilen schweizerischen 
                Kids bewundern die Skins, weil die zusammenhalten, weil sie eine 
                Gruppe bilden."
 Schweizerlis"Das tönt nach sehr klaren Abgrenzungen."
 "Das Vokabular auf der Gasse ist eindeutig. Schweizer Jugendliche 
                bezeichnen Ausländerkids als Stressköpfe, 
                weil sie aktiv sind, etwas wollen, manchmal auch provozieren. 
                Die ausländischen Jugendlichen hingegen sagen, die Schweizer 
                Kids seien Drogenköpfe, weil sie sich permanent 
                volldröhnen mit Drogen."
 Die ausländischen Jugendlichen, erzählt Guido Morselli, 
                seien tatsächlich viel aktiver, initiativer, die wollten 
                etwas, hätten Ideen. Die einheimischen Kids hingegen hingen 
                viel zu viel am Joint, sie zögen sich zurück, und es 
                sei schwer, sie zu irgendwas zu motivieren. Manche, sagt Guido 
                Morselli, seien depressiv, und wenn sie dann mal rausgingen, auf 
                die Gasse, dann erschrecken sie über das, was dort abgeht.
 "Und wie bezeichnen sich die Schweizer selber?"
 "Als Schweizerlis."
 "Im Diminutiv."
 "Ja, hinter dieser Verkleinerungsform verbirgt sich die ganze 
                Verunsicherung, die Überforderung der Schweizer Jugendlichen 
                im Kontakt mit ausländischen Kids. Für diejenigen, die 
                aus dieser Verkleinerung ausbrechen wollen und es nicht schaffen, 
                mit ihren albanischen, kurdischen oder nigerianischen Kollegen 
                auszukommen, für die sind die Skins gewissermassen ein erlösendes 
                Angebot: viel Männlichkeit und vor allem eindeutige, sehr 
                einfache Erklärungsmuster und Werte - die Schweiz den Schweizern 
                und solches Zeugs."
 Die Forschung nimmt sich diesem und anderen Phänomenen gerade 
                erst an. Der schweizerische Nationalfonds, beunruhigt durch die 
                Tatsache, dass "sich der Rechtsextremismus verfestigt hat 
                und vor allem unter Jugendlichen regen Zulauf findet", hat 
                soeben das Nationale Forschungsprogramm 40+ ausgeschrieben. Ein 
                Etat von 4 Millionen Franken soll dazu dienen, unter anderem die 
                "Biografien" der Täter "sowie die Gründe 
                für den Ein-, aber auch den Ausstieg aus rechtsextremen Gruppen" 
                zu untersuchen. Ein Ansatz, der immerhin verspricht, dass man 
                sich im Rahmen des NFP auch der Frage annehmen will, die heute 
                weit gehend ausgeblendet wird, nämlich "was die Jugendlichen 
                im rechtsextremen Milieu denken, wie sie fühlen und wie sie 
                handeln" (Ulrich Sollmann).
 Bisherige Annäherungsversuche haben nichts gebracht. Aufwühlende 
                und anklägerische Medienberichte über die Aktionen der 
                Blood & Honour und der Hammerskins bestätigen die Jugendlichen 
                nur noch mehr in der Rolle des politischen und sozialen Aussenseiters. 
                Gut gemeinte Aufklärungskampagnen laufen ins Leere. Hilfsbereite 
                Jugendarbeiter kommen auch nicht an die Skins heran - die tauchen 
                in den Jugendtreffs auf, um Randale zu machen, dann verschwinden 
                sie wieder. Unter Experten ist man sich keineswegs einig, wie 
                politisch diese "Rechts ist geil"- oder "Geil Hitler"-Jugendlichen 
                tatsächlich sind, wann das jugendliche Abgrenzungsbedürfnis 
                umkippt in politische Aktion, auf welcher Ebene man das Phänomen 
                angehen soll.
 Geil 
                HitlerSeit dem 1. August 2000, als eine Gruppe von Skins die 1.-August-Feier 
                auf dem Rütli sprengte, machte das Wort des "Wiederaufkeimens 
                einer braunen Saat" die Runde. Der Journalist und Experte 
                für Rechtsextremismus, Hans Stutz, gehört zum Verfechter 
                der These, dass der Rechtsextremismus Jugendlicher vor allem ein 
                politisches Phänomen sei; auch der Publizist Jürg Frischknecht, 
                Mitautor des Übersichtswerks "Rechte Seilschaften" 
                und seit Jahren ein profunder Kenner der Szene, warnt, dass man 
                nicht bagatellisieren dürfe, dass aus dem "Geil Hitler" 
                bald ein "Heil Hitler" werden könnte. Andererseits 
                stellte Jürg Frischknecht unlängst an einer Podiumsveranstaltung 
                fest, dass viele der jugendlichen Skins mit 22 oder 23 wieder 
                aussteigen "und in der Kleinfamilie vor dem Fernseher verschwinden"; 
                in seiner Reportage über die "Böhsen Patrioten 
                Fricktal" zeigte er auf, wie sich die Jugendlichen aus einer 
                kindischen Freude heraus mit nationalsozialistischen Insignien 
                ausstatteten. Damit gibt er ein Stück weit auch der anderen 
                Einschätzung Recht, die unter anderem von Franz Kohler verkörpert 
                wird und davon ausgeht, dass der Rechtsextremismus vor allem ein 
                "soziokulturelles Phänomen" ist.
 Etwa die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS): Die jüngste 
                rechtsextreme Parteigründung in der Schweiz, ein Spross der 
                Hammerskins, angeführt vom Maurer Sascha Kunz, tätig 
                vor allem im Raum Basel. Eine aktive Gruppe von höchstens 
                zehn Leuten, arbeitet im Untergrund und wird von Jugendlichen 
                aus allen Schichten gebildet; politischer Ziehvater ist der Holocaustleugner 
                Bernhard Schaub. Bekannt wurde die PNOS, als Sascha Kunz auf die 
                Idee kam, im Städtchen Rheinfelden einen Verkaufsladen für 
                seinen Lolo Versand, der Nazi-Embleme vertreibt, zu eröffnen. 
                Auf der Homepage der PNOS findet sich nebst dem Parteiprogramm 
                im üblichen Jargon ("Die PNOS plädiert für 
                eine ethnisch möglichst einheitliche nationale Gemeinschaft") 
                auch ein Chatroom, in dem sich hauptsächlich Antifa unter 
                falscher Mail-Adresse einklinken und die PNOS beschimpfen, umgekehrt 
                wimmelt es von Ausfällen gegen Linke, Juden und Ausländer. 
                Es gibt im Chatroom auch vereinzelt Diskussionsbeiträge, 
                die sich allem voran mit der "Stärkung der nationalen 
                Kräfte" beschäftigen, aber auch mit dem "Befreiungskampf 
                der Palästinenser" und mit dem Kampf gegen die Globalisierung.
 Ausgerechnet der Mann, der auf der Homepage der PNOS am häufigsten 
                und am massivsten beschimpft wird, äussert sich im Gespräch 
                über die Partei der Hammerskins zurückhaltend: Samuel 
                Althof, Initiant der Aktion Kinder des Holocaust. Der AKdH Sprecher 
                wird immer wieder als Mediator gerufen, wenn es Zoff gibt mit 
                den Skins - im Fricktal beispielsweise hat er (gemeinsam mit Franz 
                Kohler) im Gespräch mit den Eltern und den Skins dazu beigetragen, 
                dass die Lage nicht weiter eskalierte.
 Er sagt: "Nehmen wir Sascha Kunz, den Präsidenten der 
                PNOS. Das ist ein junger Mann, mit dem ich mich mehrmals unterhalten 
                habe. Ein grosser Kerl, grösser als ich. Wenn ich mit Sascha 
                rede, lass ich ihn erleben, dass ich ihn nicht als meinen Feind 
                betrachte. Diese Haltung führt zu einer Verunsicherung bei 
                Sascha, und darauf können wir dann eine realitätsbezogene 
                Beziehung aufbauen."
 "Er sucht klare Grenzen?"
 "Ja."
 "Und worüber unterhalten Sie sich?"
 "Wir sprechen über seine Musik, also über seine 
                echten Interessen, über das, was ihn wirklich interessiert. 
                Sascha malt und spielt Gitarre."
 "Nie über Politik?"
 "Da stossen Sie schnell ins Leere, da gibt es nicht viele 
                sinnvolle Argumente. Da merken Sie rasch, dass diese Jungs von 
                anderen, von Altfaschisten und Holocaustleugnern, für ihre 
                Zwecke missbraucht und instrumentalisiert werden. Ich denke, dass 
                wir sie direkt in die Politik hineintreiben, wenn wir sie auf 
                der politischen Ebene bekämpfen. Ich glaube, dass eine politische 
                Argumentation kontraproduktiv ist und bei der Prävention 
                nichts nützt. Das gilt im Übrigen für alle politischen 
                Extremisten."
 "Sollen wir sie also pathologisieren?"
 "Nein, das meine ich nicht. Wir sollten lernen, die Ursachen 
                zu verstehen, die sie zu Rechtsextremen werden lassen, wir sollten 
                verstehen, dass diese Jugendlichen provozieren, um wahrgenommen, 
                um ernst genommen zu werden, dass sie Grenzen suchen, um eine 
                eigene Identität zu finden."
 Ernst nehmen - dazu gehört für Samuel Althof auch, die 
                Grenzen ganz genau zu markieren, wenn nötig mit rechtlichen 
                Mitteln. Als vor kurzem im Chatroom der PNOS antisemitische Sprüche 
                auftauchten, erstattete Samuel Althof Strafanzeige, damit den 
                Jungs, die auf der Homepage der PNOS chatten, klar wird, dass 
                ihre Beleidigungen nicht bloss Bagatellen sind.
 Grenzen setzen. Ein weiterer Versuch, die rechtsextremen Jugendlichen 
                so zu einem Umdenken zu bewegen, ist das Internetstreetworking. 
                Die Mitarbeiter von Netzteil, bisher die einzigen Internetstreetworker 
                in der Schweiz, spüren rechtsextreme Homepages auf und nehmen 
                Kontakt auf zu den Betreibern. Dabei betrachtet Netzteil die Inhalte 
                der rechtsextremen Homepages als "Appell und Aufforderung 
                von Jugendlichen, auf ihre extrem provokativen Aussagen argumentativ 
                einzugehen".
 Und so geschieht das denn auch, im Jargon der Jugendlichen: Am 
                21. März 2001 erhielt der Bankangestellte B., der Webmaster 
                der Seite www.sturmfront.com, das Mail "Hallo Netzmeister. 
                Es ist besser, du löschst deine Seite sehr schnell. Ich gebe 
                dir genau 24 Stunden dafür. Solltest du deine Seite nicht 
                löschen, könnte dies deine Lehrstelle kosten + Strafanzeige. 
                Abu Adam - warnt nur einmal!"
 Die Drohung mit der Strafanzeige zeigte Wirkung, der Banklehrling 
                B. löschte sofort all seine Sites und liess sich über 
                zwei Monate hinweg ein auf eine Diskussion mit "Abu Adam" 
                von Netzteil; er stritt mit "Abu Adam" über seine 
                diskriminierenden Äusserungen auf der Website, erzählte 
                "Abu Adam" von seinen beruflichen Schwierigkeiten, und 
                langsam, in Hunderten von Mails, in denen "Abu Adam" 
                den Betreiber von www.sturmfront.ch beharrlich mit dessen rassistischem 
                und antisemitischem Denken konfrontierte, entpuppte sich der Hammerskin 
                mit einem Mal als hilfloser, verunsicherter Jugendlicher. Er brachte 
                es am Ende sogar über sich, auf der Seite www.sturmfront.com 
                eine formelle, wenn auch verhaltene Entschuldigung von "Netzmeister" 
                B. anzubringen "Ich kann nicht abstreiten, dass ich kein 
                Freund der jüdischen Bevölkerung bin. Erst jetzt habe 
                ich eingesehen, dass die Kommentare zu extrem waren", heisst 
                es in seiner Erklärung. Die Arbeit von Netzteil ist riskant, 
                zumal der Ausstieg für den Betroffenen mit erheblichen Gefahren 
                verbunden ist (der "Verräter" Marcel von Allmen 
                wurde von seinen Mitstreitern im "Orden der arischen Ritter" 
                umgebracht); und Netzteil hat auch keine Kontrolle darüber, 
                wohin die bekehrten Internetskins abwandern.
 Angela B. ist eines der wenigen Mädchen, die nicht nur als 
                Groupie bei der PNOS mittun; eine, die nicht, wie die meisten 
                Mädchen, schnell genug hat von den lautstarken Parolen der 
                Jungs. Früh bekennend rechtsextrem, wohnhaft in der Vorortsgemeinde 
                Bottmingen, Gymnasiastin, der Vater Mitglied des Direktoriums 
                einer Schweizer Grossbank. Wurde in der PNOS aktiv, trat auch 
                öffentlich als Anhängerin der PNOS auf. Verliess die 
                PNOS vor kurzem und ist nun Mitglied der Jungen SVP des Kantons 
                Basel-Landschaft.
 Andere nahmen ähnliche Wege. Auch bei der Gründung der 
                JSVP des Kantons Basel-Stadt waren eine ganze Anzahl Mitglieder 
                der PNOS anwesend; manche waren nicht als Skins erkennbar. Der 
                Präsident der JSVP Basel-Stadt jedenfalls musste im Nachhinein 
                einige Mitglieder einen Ehrenkodex unterschreiben lassen, um sicherzugehen, 
                dass sie die junge SVP nicht für rechtsextreme Zwecke unterwanderten. 
                Die jungen rechtspopulistischen Parteien sind für die politisch 
                aktiven Skins eine Plattform, die auf sie immer attraktiver wirkt.
 Auns 
                für TeenagerLukas Reimann, Präsident der Bewegung Young 4FUN.ch, sitzt 
                an diesem Frühsommertag im Café des Landesmuseums. 
                Sein Vater ist Wissenschaftler im Kader der Universität, 
                er hält seinen Sohn gelegentlich an, sich mehr seinem Jurastudium 
                zu widmen; mit seinem Onkel, SVP-Ständerat Maximilian Reimann, 
                teilt Lukas Reimann "nicht die gleiche Position". Der 
                Blondschopf mit dem netten Gesicht, noch nicht einmal zwanzig, 
                bezeichnet sich als Präsidenten der "am schnellsten 
                wachsenden Jugendbewegung der Schweiz: die Young4FUN.ch, wobei 
                FUN für "Freiheit, Unabhängigkeit, Neutralität" 
                steht. Sie ging hervor aus der Gruppe namens Jugend gegen Bilaterale 
                und wurde im Januar 2002 in Winterthur gegründet. Festredner 
                und "Gründungsgötti" war Hans Fehr, Nationalrat 
                der SVP und Präsident der Aktion für eine unabhängige 
                und neutrale Schweiz (Auns), der in seinem Einleitungsreferat 
                darauf hinwies, die Jugend von heute wolle "ein Europa mit 
                all seinen verschiedenen und wundervollen Kulturen und Sonderfällen, 
                sie wünscht sich aber keine demokratielose, korrupte und 
                bürokratische EU". Auch der Rechtsaussen in der SVP, 
                Nationalrat Luzi Stamm, durfte sprechen, es sprachen EU-Gegner 
                aus Dänemark und der Westschweiz, und es gab viel Symbolik. 
                Am Ende jedes Referats wurde auf dem Hellraumprojektor eine EU-Fahne 
                mit einer Nationalflagge ausgetauscht.
 Seither sind der Bewegung Young4FUN.ch über 150 Gönner 
                zugefallen, die Mitgliederzahl steht bei 1000 und darüber, 
                Young4FUN.ch ist ein Erfolg. Lukas Reimann hat eine Erklärung 
                dafür: Seine Bewegung biete "Orientierung", sie 
                biete "klare Werte und Vorstellungen". Das "Grundsatzpapier" 
                von Young4FUN.ch lautet ähnlich wie das Aktionsprogramm der 
                Auns. Es beinhaltet den "Kampf für eine Aussenpolitik 
                des Bundes, welche die integrale und traditionelle Neutralität 
                respektiert und damit die Unabhängigkeit und Sicherheit des 
                Landes gewährleistet" ebenso wie die "Verhinderung 
                von auf Eigeninteressen hoher Politiker beruhendem Aktivismus 
                bei der Aussenpolitik"; die Bewegung Young4 FUN.ch soll sich 
                einsetzen für eine "freie, unabhängige und neutrale 
                Schweiz". Dazu gehöre auch, sagt Lukas Reimann, der 
                Kampf gegen die Öffnung der Schweizer Universitäten 
                für ausländische Studierende ("wegen des drohenden 
                Niveauverlustes"), weiter auch die Wahrung des Nationalstolzes, 
                dann der Kampf gegen die Globalisierung ("gegen die Ausbeutung 
                der Menschen durch das Grosskapital und gegen die Machtentfaltung 
                der Multinationalen über die Interessen des Staates"). 
                Die Bewegung, sagt Lukas Reimann, sei urban ausgerichtet, viele 
                der aktiven Mitglieder stammten aus 68er-Familien und hätten 
                Mühe mit der antiautoritären Haltung ihrer Eltern. Bei 
                Young4FUN.ch fänden sie die "klaren Werthaltungen und 
                die klare Orientierung", die sie im Elternhaus vermisst hätten.
 "Und Sie selber, Lukas Reimann?"
 "Die Welt, so wie sie ist, macht mir manchmal schon Angst."
 "Was wünschen Sie sich?"
 "Ich wünsche mir eine übersichtlichere Welt, ganz 
                klar. Eine Welt, die nicht ständig durcheinandergebracht 
                wird von Meldungen aus aller Welt, von dieser Informationsflut, 
                von den grossen Konzernen, die ständig alles wieder verändern. 
                Ja, ich wünsche mir eine Welt, die überschaubar ist, 
                fassbar."
 
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