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Skinheads
sind Bier saufende, ungebildete Primitivlinge aus der Unterschicht.
Ein Irrtum. Bier bleibt zwar des Skinheads Lieblingsgetränk,
doch Studien belegen, dass immer mehr Jugendliche aus gutbürgerlichem
Elternhaus bei den Rechtsradikalen mitmachen.
Von Christoph Keller
QU:
Tagesanzeiger Magazin, 20. Juli 2002
Gerne
erzählt Andreas F. diese Geschichte nicht. Und doch muss
er sie erzählen, damit klar wird, warum er etwas hat gegen
Ausländer.
Andreas F. sitzt auf der Terrasse des elterlichen Hauses, der
Blick geht auf einen gepflegten Garten. Beschaulich stehen rundum
die Einfamilienhäuser im Sonnenlicht, man hört Vögel
pfeifen, entfernt einen dröhnenden Rasenmäher. Andreas
F. erzählt, er habe hier auf dem Bruderholz, dem noblen Basler
Villenquartier, die Primarschule besucht, es sei eine Klasse von
lauter Schweizer Kindern aus besserem Hause gewesen, während
die wenigen Ausländerkinder in die Sonderklasse gingen. Eine
übersichtliche, heile und abgezirkelte Schulwelt. Doch dann,
mit elf Jahren, kam Andreas F. in die Orientierungsschule, unten
im Gundeldingerquartier, einem Quartier mit so genannt hohem Ausländeranteil,
und da sei es dann zur "Eskalation" gekommen, erzählt
Andreas F.; die "Eskalation" entstand, weil die Mitschüler
aus Kurdistan, aus Jugoslawien oder aus der Türkei ihre Konflikte
doch ziemlich anders austrugen als die wortgewandten Schweizer
Kids vom Bruderholz - mit Schlägereien. Andreas F. kam dran,
er geriet ins Visier eines kurdischen Mitschülers, der ihn
traktierte, hart und schnell, der Mitschüler war gross und
kräftig, und nach einer der vielen Schlägereien, bei
denen Andreas F. stets den Kürzeren zog, kam er mit einer
Wunde an der Backe nach Hause: eine böse Wunde, die lange
nicht heilen wollte, die wucherte.
Dort unten, im Gundeldinger Schulhaus, hat Andreas F. blanke Gewalt
erlebt, er hat Schutzgelderpressungen gesehen, Nachstellungen,
Hinterhalte und die Hilflosigkeit der Lehrer, die um Verständnis
für die Situation der ausländischen Schüler warben,
statt einzuschreiten. Eine Lehrerschaft, die überfordert
war und es nicht wagte, den ausländischen Randalierern an
der Schule die Stirn zu bieten, und Andreas F. hat bis heute nicht
verstanden, warum sich niemand an der Schule für ihn, das
Opfer, einsetzte. Jedenfalls nervt Andreas F. seitdem seinen Vater,
einen Psychiater, seine Mutter und seine Schwester am Familientisch
ständig mit seinen ausländerfeindlichen Sprüchen.
Angehörige der Sozialdienste, der Elternberatungen, Politiker
und Lehrerinnen, sie sind alle überfordert bei der Frage,
wie Rechtsextremismus bei Jugendlichen entsteht. Sie nehmen, wie
die Öffentlichkeit, Zahlen zur Kenntnis, etwa dass es sich
beim harten Kern rechtsextremer Jugendlicher um zirka 900 bis
950 Skins handeln soll, sie wissen, dass die Mitglieder der Szene
immer jünger werden, dass bereits 13- und 14-Jährige
die Konzerte rechtsextremer Bands besuchen, die so genannten Babyskins.
Die Kantone erstellen Listen von Übergriffen der Skins, etwa
für das Jahr 2001 im Kanton Solothurn: Am 20. Januar ein
Auftritt der Skins an der Fasnacht, am 27. Januar eine Demonstration
von Skinheads in Olten, am 24. Februar in Kappel kam es bei einem
Maskenball zu Auseinandersetzungen mit Skins, am 27. März
fand ein Kameradschaftstreffen auf dem Balmberg statt, am 26.
Mai kam es in Obergösgen zu einem Brandanschlag auf einen
Jugendtreffpunkt, bis hin zur Schlägerei zwischen 30 Skinheads
und Ausländern in Solothurn am 27. Oktober. Auch für
andere Kantone gibt es solche Listen, und sie dokumentieren, in
den Worten der zuständigen Polizeidirektoren, die "zunehmende
Gewaltbereitschaft" und die "zunehmende Identifikation
mit rechtsextremem Gedankengut", vor allem die Konzerte rechtsextremer
Bands seien "eine ständige Rekrutierungsbasis für
neue Mitglieder", warnen die Polizeidirektoren.
Doch niemand kennt sie wirklich, die Skins. Sie entziehen sich,
scheuen den Kontakt zu den Medien (ein Interview gilt schnell
als "Verrat" an der Sache), sie wollen nichts zu tun
haben mit irgendwelchen staatlichen Stellen, mit Sozialarbeitern
schon gar nicht; und so halten sich die Klischees von den "Bier
saufenden", "primitiven" Glatzen aus der Unterschicht,
typische Primitivlinge mit grossem Bildungsdefizit.
Ein Irrtum.
Franz Kohler, Sozialarbeiter und Mitglied der Eidgenössischen
Kommission für Jugendfragen, ist darüber hinaus Berater
der Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft in Sachen
Rechtsextremismus und Leiter der Anlaufstelle Rechtsextremismus
des Kantons Basel-Landschaft. Er hat sich in mehreren Studien
mit dem Phänomen "Rechtsextremismus bei Jugendlichen"
auseinander gesetzt und musste erst einmal mit einem alten, tief
eingesessenen Vorurteil aufräumen:
"Wenn man glaubt, die Skins stammten alle aus der Unterschicht,
so irrt man sich gewaltig - im Gegenteil. Nach meiner Erfahrung
stammen rechtsextreme Jugendliche sogar eher aus gut bürgerlichen
Elternhäusern, aus Akademikerfamilien."
"Warum ist das so?"
"Die Faktoren, die zur Ausbildung einer rechtsextremen Orientierung
führen, etwa das Bedürfnis der Jugendlichen nach Abgrenzung
gegenüber den Eltern, die Provokation mit dem Outfit, sind
nicht an bestimmte Schichten gebunden. Besser gestellte Jugendliche
unterscheiden sich nur dadurch, dass sie in behüteten Verhältnissen
aufwachsen, in Quartieren mit wenigen oder gar keinen Ausländern.
Sie haben somit von klein auf nie gelernt, ausländischen
Kindern und Jugendlichen zu begegnen - und irgendwann einmal werden
sie grösser, erweitern ihren Aktionsradius und treffen auf
Gruppen von ausländischen Jugendlichen, in der Schule, im
Ausgang in der Stadt, am Arbeitsplatz, werden von ihnen provoziert,
fühlen sich verängstigt."
"Und suchen Schutz."
"Ja. Da bietet sich die rechtsextreme Szene an, mit ihren
starken Symbolen, mit der Bomberjacke, den Stiefeln, den geschorenen
Schädeln. Das sind Symbole, die vieles gleichzeitig bedienen:
die Männlichkeit, die Nationalität, Stärke, Macht,
helfen, die eigene Angst abzuspalten, und sie sind die Folie für
die gemeinsame Identität."
Auf rund 100 wird die Zahl der Skins in der Region Basel geschätzt.
Die Skins in der Stadt Basel stammen allesamt nicht aus den Quartieren
mit vielen Ausländern, nicht aus dem Kleinbasel, nicht aus
dem St. Johann oder dem Gundeldingerquartier. Sie sind mehrheitlich
in Riehen aufgewachsen, einer gut situierten Vorortsgemeinde,
oder im Neubad, einem mittelständischen Quartier der Stadt;
ihre "Kampfzonen" suchen sie sich dort, wo sie damit
rechnen können, auf Gangs oder Gruppen ausländischer
Jugendlicher zu treffen - bei Volksfesten, auf der Gasse, in Jugendhäusern,
wo auch immer, proben sie an den "Jugos", den "Kanaken",
den "Scheissalbanern" ihre Identitätsfindung als
"stolze und aufrechte Schweizer".
Zum Beispiel der Fall von Peter L.:
Aufgewachsen in Riehen, der Vater Arzt, die Mutter Psychologin,
rutscht bereits mit 13 Jahren in die Szene. Hängt irgendwann
einmal eine Nazi-Fahne ins Zimmer, die Eltern sind irritiert,
protestieren aber nicht. Peter L. bestückt sich dann vollständig
mit den Nazi-Emblemen, grüsst seine Kameraden mit "8/8",
dem Code für "Heil Hitler"(H ist der achte Buchstabe
des Alphabets), begeht des Führers Geburtstag und den Geburtstag
von Rudolf Hess mit Gleichgesinnten und prügelt sich. Prügelt
sich während Jahren hartnäckig mit jedem, der ihm über
den Weg läuft. Der zurückhaltende, antiautoritäre
Vater tritt ihm nicht entgegen, die Mutter schimpft ihren Sohn
zwar, bewundert ihn aber insgeheim für seine Männlichkeit
- für die Mutter ist Peter L. endlich mal einer, der zupackt,
ein richtiger Mann, der sich nicht auf die Kappe scheissen lässt.
An diesem Bild hält die Mutter fest, als der Sohn im Knast
landet, dann in die Junkieszene abrutscht, sich wiederfindet bei
den Hooligans des FCB, dort aber Stadionverbot erhält wegen
Randalierens. Peter L., der mit zwanzig Jahren eigentlich ein
Wrack ist.
Nazis
sind pop
Die Familienkonstellation bei jugendlichen Skins, die Franz Kohler
als Sozialarbeiter in unzähligen Kriseninterventionen angetroffen
hat, weist eine Konstante auf. Einerseits "einen schwachen,
kaum präsenten Vater, der die Provokationen des Sohnes ins
Leere laufen lässt"; auf der anderen Seite "eine
ambivalente Mutter, die offen oder latent mit ihrem machohaften,
glatzköpfigen Sohn sympathisiert". Ein Befund, den der
Psychotherapeut Ulrich Sollmann bestätigt, wenn er schreibt,
der heutige Rechtsextremismus Jugendlicher entstehe gerade nicht
"auf der Grundlage einer autoritär-zwanghaften Persönlichkeitsstruktur",
er bilde sich gerade nicht aus "im patriarchalischen Familienmilieu,
in dem der Vater eine vorherrschende Rolle einnahm oder idealisiert
wurde"; vielmehr seien die Jugendlichen heute generell "sehr
unzufrieden mit ihren Eltern, und sie haben offene Rechnungen
mit ihnen", schreibt Ulrich Sollmann, sie seien "beziehungshungrig,
aber der Hunger richtet sich aus auf ausserfamiliäre Beziehungsangebote";
auf diese Kinder wartet die rechtsextreme Szene. Sie bietet ihnen
sämtliche Elemente "einer sozialen Bewegung", die
"alle Bereiche der Alltagskultur bestimmt und dominiert",
schreibt Burkard Schröder in seinem Buch "Nazis sind
pop"; "sie ist ein Konglomerat aus Musik, Mode, Treffpunkten,
gemeinsamen Aktionen sowie Ideologiefragmenten". Ein Angebot,
meint der Basler Psychotherapeut Udo Rauchfleisch, das attraktiv
sei aus dem einfachen Grund, dass die heutige junge Generation
Mühe hat, sich mit den Elementen anderer Subkulturen gegenüber
den Eltern abzugrenzen - "wie soll sich ein Jugendlicher
abgrenzen gegenüber Eltern, die selber schon gepierct sind,
sich die Haare färben, mit Inlineskates herumfahren und ewig
jung bleiben wollen?"
Die Situation auf der "Gasse" verschärft die Krise
zusätzlich. Das sagt Guido Morselli, Jugendarbeiter im Basler
Neubadquartier und in Riehen, ein engagierter "Secondo",
der permanent unterwegs ist, um die "Kampfzonen" zwischen
den Gangs und Gruppen auszumachen; einer, der versucht, auch die
Jungs und die wenigen Mädchen aus der rechten Szene auf der
Gasse genau dort abzuholen, wo sie Zoff suchen, und sie mit ihrem
Rollenverhalten zu konfrontieren: "Sagen wir es so - die
Skins sind heute attraktiv geworden, weil sie als eine Art Gegenpol
zu den gut organisierten und sehr aktiven Gruppen von Ausländern
wahrgenommen werden. Viele der verunsicherten, labilen schweizerischen
Kids bewundern die Skins, weil die zusammenhalten, weil sie eine
Gruppe bilden."
Schweizerlis
"Das tönt nach sehr klaren Abgrenzungen."
"Das Vokabular auf der Gasse ist eindeutig. Schweizer Jugendliche
bezeichnen Ausländerkids als Stressköpfe,
weil sie aktiv sind, etwas wollen, manchmal auch provozieren.
Die ausländischen Jugendlichen hingegen sagen, die Schweizer
Kids seien Drogenköpfe, weil sie sich permanent
volldröhnen mit Drogen."
Die ausländischen Jugendlichen, erzählt Guido Morselli,
seien tatsächlich viel aktiver, initiativer, die wollten
etwas, hätten Ideen. Die einheimischen Kids hingegen hingen
viel zu viel am Joint, sie zögen sich zurück, und es
sei schwer, sie zu irgendwas zu motivieren. Manche, sagt Guido
Morselli, seien depressiv, und wenn sie dann mal rausgingen, auf
die Gasse, dann erschrecken sie über das, was dort abgeht.
"Und wie bezeichnen sich die Schweizer selber?"
"Als Schweizerlis."
"Im Diminutiv."
"Ja, hinter dieser Verkleinerungsform verbirgt sich die ganze
Verunsicherung, die Überforderung der Schweizer Jugendlichen
im Kontakt mit ausländischen Kids. Für diejenigen, die
aus dieser Verkleinerung ausbrechen wollen und es nicht schaffen,
mit ihren albanischen, kurdischen oder nigerianischen Kollegen
auszukommen, für die sind die Skins gewissermassen ein erlösendes
Angebot: viel Männlichkeit und vor allem eindeutige, sehr
einfache Erklärungsmuster und Werte - die Schweiz den Schweizern
und solches Zeugs."
Die Forschung nimmt sich diesem und anderen Phänomenen gerade
erst an. Der schweizerische Nationalfonds, beunruhigt durch die
Tatsache, dass "sich der Rechtsextremismus verfestigt hat
und vor allem unter Jugendlichen regen Zulauf findet", hat
soeben das Nationale Forschungsprogramm 40+ ausgeschrieben. Ein
Etat von 4 Millionen Franken soll dazu dienen, unter anderem die
"Biografien" der Täter "sowie die Gründe
für den Ein-, aber auch den Ausstieg aus rechtsextremen Gruppen"
zu untersuchen. Ein Ansatz, der immerhin verspricht, dass man
sich im Rahmen des NFP auch der Frage annehmen will, die heute
weit gehend ausgeblendet wird, nämlich "was die Jugendlichen
im rechtsextremen Milieu denken, wie sie fühlen und wie sie
handeln" (Ulrich Sollmann).
Bisherige Annäherungsversuche haben nichts gebracht. Aufwühlende
und anklägerische Medienberichte über die Aktionen der
Blood & Honour und der Hammerskins bestätigen die Jugendlichen
nur noch mehr in der Rolle des politischen und sozialen Aussenseiters.
Gut gemeinte Aufklärungskampagnen laufen ins Leere. Hilfsbereite
Jugendarbeiter kommen auch nicht an die Skins heran - die tauchen
in den Jugendtreffs auf, um Randale zu machen, dann verschwinden
sie wieder. Unter Experten ist man sich keineswegs einig, wie
politisch diese "Rechts ist geil"- oder "Geil Hitler"-Jugendlichen
tatsächlich sind, wann das jugendliche Abgrenzungsbedürfnis
umkippt in politische Aktion, auf welcher Ebene man das Phänomen
angehen soll.
Geil
Hitler
Seit dem 1. August 2000, als eine Gruppe von Skins die 1.-August-Feier
auf dem Rütli sprengte, machte das Wort des "Wiederaufkeimens
einer braunen Saat" die Runde. Der Journalist und Experte
für Rechtsextremismus, Hans Stutz, gehört zum Verfechter
der These, dass der Rechtsextremismus Jugendlicher vor allem ein
politisches Phänomen sei; auch der Publizist Jürg Frischknecht,
Mitautor des Übersichtswerks "Rechte Seilschaften"
und seit Jahren ein profunder Kenner der Szene, warnt, dass man
nicht bagatellisieren dürfe, dass aus dem "Geil Hitler"
bald ein "Heil Hitler" werden könnte. Andererseits
stellte Jürg Frischknecht unlängst an einer Podiumsveranstaltung
fest, dass viele der jugendlichen Skins mit 22 oder 23 wieder
aussteigen "und in der Kleinfamilie vor dem Fernseher verschwinden";
in seiner Reportage über die "Böhsen Patrioten
Fricktal" zeigte er auf, wie sich die Jugendlichen aus einer
kindischen Freude heraus mit nationalsozialistischen Insignien
ausstatteten. Damit gibt er ein Stück weit auch der anderen
Einschätzung Recht, die unter anderem von Franz Kohler verkörpert
wird und davon ausgeht, dass der Rechtsextremismus vor allem ein
"soziokulturelles Phänomen" ist.
Etwa die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS): Die jüngste
rechtsextreme Parteigründung in der Schweiz, ein Spross der
Hammerskins, angeführt vom Maurer Sascha Kunz, tätig
vor allem im Raum Basel. Eine aktive Gruppe von höchstens
zehn Leuten, arbeitet im Untergrund und wird von Jugendlichen
aus allen Schichten gebildet; politischer Ziehvater ist der Holocaustleugner
Bernhard Schaub. Bekannt wurde die PNOS, als Sascha Kunz auf die
Idee kam, im Städtchen Rheinfelden einen Verkaufsladen für
seinen Lolo Versand, der Nazi-Embleme vertreibt, zu eröffnen.
Auf der Homepage der PNOS findet sich nebst dem Parteiprogramm
im üblichen Jargon ("Die PNOS plädiert für
eine ethnisch möglichst einheitliche nationale Gemeinschaft")
auch ein Chatroom, in dem sich hauptsächlich Antifa unter
falscher Mail-Adresse einklinken und die PNOS beschimpfen, umgekehrt
wimmelt es von Ausfällen gegen Linke, Juden und Ausländer.
Es gibt im Chatroom auch vereinzelt Diskussionsbeiträge,
die sich allem voran mit der "Stärkung der nationalen
Kräfte" beschäftigen, aber auch mit dem "Befreiungskampf
der Palästinenser" und mit dem Kampf gegen die Globalisierung.
Ausgerechnet der Mann, der auf der Homepage der PNOS am häufigsten
und am massivsten beschimpft wird, äussert sich im Gespräch
über die Partei der Hammerskins zurückhaltend: Samuel
Althof, Initiant der Aktion Kinder des Holocaust. Der AKdH Sprecher
wird immer wieder als Mediator gerufen, wenn es Zoff gibt mit
den Skins - im Fricktal beispielsweise hat er (gemeinsam mit Franz
Kohler) im Gespräch mit den Eltern und den Skins dazu beigetragen,
dass die Lage nicht weiter eskalierte.
Er sagt: "Nehmen wir Sascha Kunz, den Präsidenten der
PNOS. Das ist ein junger Mann, mit dem ich mich mehrmals unterhalten
habe. Ein grosser Kerl, grösser als ich. Wenn ich mit Sascha
rede, lass ich ihn erleben, dass ich ihn nicht als meinen Feind
betrachte. Diese Haltung führt zu einer Verunsicherung bei
Sascha, und darauf können wir dann eine realitätsbezogene
Beziehung aufbauen."
"Er sucht klare Grenzen?"
"Ja."
"Und worüber unterhalten Sie sich?"
"Wir sprechen über seine Musik, also über seine
echten Interessen, über das, was ihn wirklich interessiert.
Sascha malt und spielt Gitarre."
"Nie über Politik?"
"Da stossen Sie schnell ins Leere, da gibt es nicht viele
sinnvolle Argumente. Da merken Sie rasch, dass diese Jungs von
anderen, von Altfaschisten und Holocaustleugnern, für ihre
Zwecke missbraucht und instrumentalisiert werden. Ich denke, dass
wir sie direkt in die Politik hineintreiben, wenn wir sie auf
der politischen Ebene bekämpfen. Ich glaube, dass eine politische
Argumentation kontraproduktiv ist und bei der Prävention
nichts nützt. Das gilt im Übrigen für alle politischen
Extremisten."
"Sollen wir sie also pathologisieren?"
"Nein, das meine ich nicht. Wir sollten lernen, die Ursachen
zu verstehen, die sie zu Rechtsextremen werden lassen, wir sollten
verstehen, dass diese Jugendlichen provozieren, um wahrgenommen,
um ernst genommen zu werden, dass sie Grenzen suchen, um eine
eigene Identität zu finden."
Ernst nehmen - dazu gehört für Samuel Althof auch, die
Grenzen ganz genau zu markieren, wenn nötig mit rechtlichen
Mitteln. Als vor kurzem im Chatroom der PNOS antisemitische Sprüche
auftauchten, erstattete Samuel Althof Strafanzeige, damit den
Jungs, die auf der Homepage der PNOS chatten, klar wird, dass
ihre Beleidigungen nicht bloss Bagatellen sind.
Grenzen setzen. Ein weiterer Versuch, die rechtsextremen Jugendlichen
so zu einem Umdenken zu bewegen, ist das Internetstreetworking.
Die Mitarbeiter von Netzteil, bisher die einzigen Internetstreetworker
in der Schweiz, spüren rechtsextreme Homepages auf und nehmen
Kontakt auf zu den Betreibern. Dabei betrachtet Netzteil die Inhalte
der rechtsextremen Homepages als "Appell und Aufforderung
von Jugendlichen, auf ihre extrem provokativen Aussagen argumentativ
einzugehen".
Und so geschieht das denn auch, im Jargon der Jugendlichen: Am
21. März 2001 erhielt der Bankangestellte B., der Webmaster
der Seite www.sturmfront.com, das Mail "Hallo Netzmeister.
Es ist besser, du löschst deine Seite sehr schnell. Ich gebe
dir genau 24 Stunden dafür. Solltest du deine Seite nicht
löschen, könnte dies deine Lehrstelle kosten + Strafanzeige.
Abu Adam - warnt nur einmal!"
Die Drohung mit der Strafanzeige zeigte Wirkung, der Banklehrling
B. löschte sofort all seine Sites und liess sich über
zwei Monate hinweg ein auf eine Diskussion mit "Abu Adam"
von Netzteil; er stritt mit "Abu Adam" über seine
diskriminierenden Äusserungen auf der Website, erzählte
"Abu Adam" von seinen beruflichen Schwierigkeiten, und
langsam, in Hunderten von Mails, in denen "Abu Adam"
den Betreiber von www.sturmfront.ch beharrlich mit dessen rassistischem
und antisemitischem Denken konfrontierte, entpuppte sich der Hammerskin
mit einem Mal als hilfloser, verunsicherter Jugendlicher. Er brachte
es am Ende sogar über sich, auf der Seite www.sturmfront.com
eine formelle, wenn auch verhaltene Entschuldigung von "Netzmeister"
B. anzubringen "Ich kann nicht abstreiten, dass ich kein
Freund der jüdischen Bevölkerung bin. Erst jetzt habe
ich eingesehen, dass die Kommentare zu extrem waren", heisst
es in seiner Erklärung. Die Arbeit von Netzteil ist riskant,
zumal der Ausstieg für den Betroffenen mit erheblichen Gefahren
verbunden ist (der "Verräter" Marcel von Allmen
wurde von seinen Mitstreitern im "Orden der arischen Ritter"
umgebracht); und Netzteil hat auch keine Kontrolle darüber,
wohin die bekehrten Internetskins abwandern.
Angela B. ist eines der wenigen Mädchen, die nicht nur als
Groupie bei der PNOS mittun; eine, die nicht, wie die meisten
Mädchen, schnell genug hat von den lautstarken Parolen der
Jungs. Früh bekennend rechtsextrem, wohnhaft in der Vorortsgemeinde
Bottmingen, Gymnasiastin, der Vater Mitglied des Direktoriums
einer Schweizer Grossbank. Wurde in der PNOS aktiv, trat auch
öffentlich als Anhängerin der PNOS auf. Verliess die
PNOS vor kurzem und ist nun Mitglied der Jungen SVP des Kantons
Basel-Landschaft.
Andere nahmen ähnliche Wege. Auch bei der Gründung der
JSVP des Kantons Basel-Stadt waren eine ganze Anzahl Mitglieder
der PNOS anwesend; manche waren nicht als Skins erkennbar. Der
Präsident der JSVP Basel-Stadt jedenfalls musste im Nachhinein
einige Mitglieder einen Ehrenkodex unterschreiben lassen, um sicherzugehen,
dass sie die junge SVP nicht für rechtsextreme Zwecke unterwanderten.
Die jungen rechtspopulistischen Parteien sind für die politisch
aktiven Skins eine Plattform, die auf sie immer attraktiver wirkt.
Auns
für Teenager
Lukas Reimann, Präsident der Bewegung Young 4FUN.ch, sitzt
an diesem Frühsommertag im Café des Landesmuseums.
Sein Vater ist Wissenschaftler im Kader der Universität,
er hält seinen Sohn gelegentlich an, sich mehr seinem Jurastudium
zu widmen; mit seinem Onkel, SVP-Ständerat Maximilian Reimann,
teilt Lukas Reimann "nicht die gleiche Position". Der
Blondschopf mit dem netten Gesicht, noch nicht einmal zwanzig,
bezeichnet sich als Präsidenten der "am schnellsten
wachsenden Jugendbewegung der Schweiz: die Young4FUN.ch, wobei
FUN für "Freiheit, Unabhängigkeit, Neutralität"
steht. Sie ging hervor aus der Gruppe namens Jugend gegen Bilaterale
und wurde im Januar 2002 in Winterthur gegründet. Festredner
und "Gründungsgötti" war Hans Fehr, Nationalrat
der SVP und Präsident der Aktion für eine unabhängige
und neutrale Schweiz (Auns), der in seinem Einleitungsreferat
darauf hinwies, die Jugend von heute wolle "ein Europa mit
all seinen verschiedenen und wundervollen Kulturen und Sonderfällen,
sie wünscht sich aber keine demokratielose, korrupte und
bürokratische EU". Auch der Rechtsaussen in der SVP,
Nationalrat Luzi Stamm, durfte sprechen, es sprachen EU-Gegner
aus Dänemark und der Westschweiz, und es gab viel Symbolik.
Am Ende jedes Referats wurde auf dem Hellraumprojektor eine EU-Fahne
mit einer Nationalflagge ausgetauscht.
Seither sind der Bewegung Young4FUN.ch über 150 Gönner
zugefallen, die Mitgliederzahl steht bei 1000 und darüber,
Young4FUN.ch ist ein Erfolg. Lukas Reimann hat eine Erklärung
dafür: Seine Bewegung biete "Orientierung", sie
biete "klare Werte und Vorstellungen". Das "Grundsatzpapier"
von Young4FUN.ch lautet ähnlich wie das Aktionsprogramm der
Auns. Es beinhaltet den "Kampf für eine Aussenpolitik
des Bundes, welche die integrale und traditionelle Neutralität
respektiert und damit die Unabhängigkeit und Sicherheit des
Landes gewährleistet" ebenso wie die "Verhinderung
von auf Eigeninteressen hoher Politiker beruhendem Aktivismus
bei der Aussenpolitik"; die Bewegung Young4 FUN.ch soll sich
einsetzen für eine "freie, unabhängige und neutrale
Schweiz". Dazu gehöre auch, sagt Lukas Reimann, der
Kampf gegen die Öffnung der Schweizer Universitäten
für ausländische Studierende ("wegen des drohenden
Niveauverlustes"), weiter auch die Wahrung des Nationalstolzes,
dann der Kampf gegen die Globalisierung ("gegen die Ausbeutung
der Menschen durch das Grosskapital und gegen die Machtentfaltung
der Multinationalen über die Interessen des Staates").
Die Bewegung, sagt Lukas Reimann, sei urban ausgerichtet, viele
der aktiven Mitglieder stammten aus 68er-Familien und hätten
Mühe mit der antiautoritären Haltung ihrer Eltern. Bei
Young4FUN.ch fänden sie die "klaren Werthaltungen und
die klare Orientierung", die sie im Elternhaus vermisst hätten.
"Und Sie selber, Lukas Reimann?"
"Die Welt, so wie sie ist, macht mir manchmal schon Angst."
"Was wünschen Sie sich?"
"Ich wünsche mir eine übersichtlichere Welt, ganz
klar. Eine Welt, die nicht ständig durcheinandergebracht
wird von Meldungen aus aller Welt, von dieser Informationsflut,
von den grossen Konzernen, die ständig alles wieder verändern.
Ja, ich wünsche mir eine Welt, die überschaubar ist,
fassbar."
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