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  Streetworking im World Wide Web
 

QU: Tachles, 20. August 2004
Von: Esther Müller


Täglich, so schätzen Experten, wächst das World Wide Web um 20 000 neue Internetauftritte. Durch seine Anonymität bietet das Internet auch Plattformen für rassistische und diskriminierende Äusserungen. Internet-Streetworking heisst das Konzept, mit dem die schweizerische Aktion Kinder des Holocaust auf diese Herausforderung reagiert.
Vor 14 Jahren gegründet, arbeitet die Aktion Kinder des Holocaust (AKdH) mit einer Vielzahl von Projekten gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. Eine Pionierrolle spielte die AKdH, die vom SIG unterstützt wird, bei der Bekämpfung von Internetseiten rassistischen Inhalts, deren Verfolgung durch die internationalen Strukturen des Internets nicht ohne Schwierigkeiten ist. Doch der AKdH geht es nicht nur darum, diskriminierende Internetseiten sperren zu lassen.

Samuel Althof, einer der Sprecher der AkdH, präsentierte das Internet-Streetworking-Projekt an einer OSZE-Konferenz im Juli dieses Jahres in Paris zusammen mit dem SIG, der das Projekt Likrat vorstellte.

Zwei Formen von Rechtsextremismus

Stösst die AKdH bei ihrer täglichen Suche auf dem Internet auf extremistische, fremdenfeindliche oder gewaltbereite Aussagen von Internet-Usern, beginnt die Arbeit der AKdH. Genauestens werden die Äusserungen der User analysiert. «Wir unterscheiden dabei zwischen symptomatischem und programmatischem Rechtsextremismus», erklärt Samuel Althof. «Ein symptomatischer Rechtsextremist sucht mit provokativen, pervertierten Mitteln nach Aufmerksamkeit. Mit ihm suchen wir das Gespräch. Einen programmatischen Rechtsextremen hingegen, also jemanden, dessen Ideologie gefestigt ist, können wir im Dialog selten erreichen.»

Als erstes stellen die Mitarbeiter der AKdH anonym Kontakt zum Autor der diffamierenden Aussagen her. Das Ziel des Internet-Streetworking ist immer die Begegnung. Denn: «Der Konflikt, der sich im Internet manifestiert, muss in die Tagesrealität zurück übersetzt werden. Eine Internetintervention ohne Begegnung verfehlt ihr Ziel», erklärt Althof. Es könne durchaus eine Gesprächsbereitschaft seitens symptomatischer Rechtsextremer festgestellt werden. In der Begegnung mit einem Internet-Streetworker der AKdH überschreitet ein symptomatischer Rechtsextremer eine Grenze: Sein «Feind» wird zu einem realen Menschen. Es kommt zu einer Kommunikation, in deren Folge Risse im Feindbild entstehen; ein Nach- und Umdenken über die eigenen rechtsextremen Wertvorstellungen kann beginnen.

Strafrechtliche Verfolgung

Das Konzept des Internet-Streetworking verlangt einen hohen Grad an Differenziertheit und ruft auch Kritiker auf den Plan. Die AKdH hat mit diesem Konzept jedoch sehr gute Erfahrungen gemacht. Samuel Althof weist auch auf die wichtige Funktion des Patronatskomitees der AKdH hin: «Erfolge bei diesem Projekt verdanken wir auch den Mitgliedern unseres Patronatskomitees, die wir jederzeit um Hilfe bitten können, z. B. wenn es in Diskussionen mit Internet-Usern um geschichtliche Fragestellungen geht, die der Internet-Streetworker nicht immer aus seinem eigenen Wissen beantworten kann.»

Die strafrechtliche Verfolgung von Internetseiten, die rassistische, antisemitische oder allgemein diskriminierende Inhalte vertreten, bleibt neben dem Internet-Streetworking ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der AKdH. Als Mitglied des in den Niederlanden domizilierten International Networking Against Cyber Hate (INACH) kann eine effektive internationale Verfolgung solcher Anbieter erfolgen. Die AKdH bietet auf ihrer Homepage die Möglichkeit, Internetseiten mit rassistischen Inhalten zu melden. Rund 300 solche Meldungen wurden im letzten Jahr bearbeitet, 20 von ihnen führten in der Schweiz zu Strafanzeigen, andere wurden im Ausland durch INACH-Partner zur Anzeige gebracht. «Extremismus gibt es nicht nur von rechts, sondern auch von links – deshalb dürfen wir nicht auf einem Auge blind sein», sagt Althof.

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Kurzevaluation des Internet Streetworkings

Extremismus Prävention - Was tut die AKdH?

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