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St. Galler Tagblatt; 2003-08-06
Schweizer Rechtsextreme nutzen das Internet für
ihre Zwecke
Auch die rund 1000 Schweizer Rechtsextremisten
haben ihren Platz im Netz gefunden. Unter den wachsamen Augen
einer neuen Internet-Polizei mobilisieren sie auf ihren Seiten
zu Konzerten und Demonstrationen.
Daniel
Graf
Vor «kriegsgeilen Juden» und einer «Invasion
der fremden Ratten» warnte bis Anfang Juli eine Internetseite,
deren Betreiber offensichtlich aus dem Kanton Schwyz stammten.
Die Gruppe «Schwarze SS Schweiz» verherrlichte darauf
den Nationalsozialismus und dessen Rassentheorien. Erst nachdem
die Regionalzeitung «Der Bote der Urschweiz» den rassistischen
Inhalt öffentlich gemacht hat, verschwand die Seite innerhalb
weniger Tage vom Netz.
Anm. AKdH. Die Internetseite «Schwarze SS Schweiz»
ist nicht gelöscht. Sie ist weiterhin bei odinsrage ereichbar.
Lediglich der Redirector bei http://www.nic.ch.vu
wurde gelöscht.
Die Kurzlebigkeit von rechtsextremistischen Internetauftritten
ist kein Einzelfall. Im Gegensatz zur Mitte der 90er-Jahre, als
das Internet noch eine weit gehend rechtsfreie Spielwiese für
rechtsradikale Skinheads, Holocaust-Leugner und neonazistische
Organisationen war, wird heute die rechtsextreme Szene in der
Schweiz auch im virtuellen Raum stärker überwacht.
Surfende Polizisten
«Die verstärkte Kontrolle ist ein
Grund dafür, weshalb die Zahl der rechtsextremistischen Internetseiten
in den letzten Jahren stark abgenommen hat», meint Jürg
Bühler, stellvertretender Chef beim Dienst für Analyse
und Prävention (DAP) im Bundesamt für Polizei.
Seit
Januar dieses Jahres hat das DAP seine Recherchen über strafbare
Handlungen im Internet verstärkt. Mit dem so genannten Internet-Monitoring
übernimmt es einen wichtigen Pfeiler der neuen nationalen
Koordinationsstelle Internet-Kriminalität (Kobik), die als
gemeinsames Projekt gegen «Cybercrime» von Bund und
Kantonen eingerichtet wurde (siehe unten). Der präventiven
Ermittlungsarbeit auf dem Netz sind jedoch enge rechtliche Grenzen
gesetzt: «Wir sind keine Hacker, sondern dürfen nur
jene legalen Mittel anwenden, die auch jedem privaten Internet-Benützer
offen stehen», betont Philip Kronig, Koordinator bei der
Kobik, und fügt an: «Verdeckte Ermittlungen unter falscher
Identität und gegen den Willen der Betreiber liegen für
uns nicht drin.»
Verschlossene Türen
Mittlerweile sind aber fast alle rechtsextremistischen
Seiten klar in einen öffentlichen und einen privaten Bereich
abgetrennt, wobei Letzterer nur mit Passwort zugänglich ist.
Damit sind Ermittler ohne richterliches Mandat aus Diskussionsforen
ausgeschlosssen, die für die Vernetzung der rechtsextremen
Szene besonders wichtig sind. Vor dieser virtuellen Tür bleibt
die Organisation «Aktion Kinder des Holocaust» (AKdH)
nicht stehen. Seit Jahren durchforsten Mitglieder dieser Organisation
das Internet nach rassistischen und antisemitischen Inhalten und
operieren dafür auch in Passwort-geschützten Bereichen.
«Wir wissen, was in diesen Foren gesprochen wird, und stellen
diese Informationen auch dem Bundesamt für Polizei zur Verfügung»,
sagt Samuel Althof vom AKdH. Seine Organisation setzt jedoch nicht
nur auf die Wirkung der Repression, sondern versucht auch im direkten
persönlichen Gespräch Leute zum Ausstieg aus der Szene
zu bewegen.
Trotz der verstärkten Wachsamkeit haben
bestimmte Gruppierungen ihren Internetauftritt ausgebaut. Der
Journalist und Rechtsextremismus-Experte Hans Stutz stellt fest,
dass gewisse Seiten vermehrt professionell bewirtschaftet und
regelmässiger aktualisiert werden. Zu diesen Seiten zählt
Stutz diejenige der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS)
und der Berner Skinhead-Gruppe «Nationale Offensive»
sowie das im Mai 2003 aufgeschaltete Diskussionsforum «Avantgarde
Suisse».
Abgeschottete Netze
Seit kurzer Zeit setzen die rechtsextremen Kreise
auf neue Internet-Technologien, die auf so genannten «Peer-To-Peer-Netzwerken»
basieren. Vergleichbar mit der Tauschbörse Napster erlaubt
es den Benutzern, ein eigenes Netzwerk einzurichten und miteinander
direkt Daten auszutauschen. Nach Althof gibt es in diesen abgeschotteten
Netzen auch einige Schweizer, die nationalsozialistische Propaganda-Filme
und -Literatur sowie rechtsextreme Musik und Spiele wie «KZ-Manager»
austauschen.
Stichwort
Internet-Polizei
Am 1. Januar 2003 hat die Koordinationsstelle
zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität (Kobik) beim
Bundesamt für Polizei ihre Arbeit aufgenommen. Die jährlichen
Kosten belaufen sich auf 1,3 Millionen Franken und werden zu zwei
Drittel von den 25 beteiligten Kantonen übernommen. In den
ersten drei Monaten gingen bei der Kobik 1200 Meldungen ein; 15
Fälle wurden an die kantonalen Gerichte verwiesen. Bekannt
wurde die Stelle vor allem wegen der «Operation Genesis»,
die sich gegen Kinderpornografie richtete.
www.cybercrime.admin.ch
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