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  Antifa stellt Rechtsextreme bloss
 

QU: Tages-Anzeiger, 15.08.2005

Personen aus der rechtsextremen Szene werden mit Namen und Adressen geoutet. Droht jetzt ein Kleinkrieg zwischen Rechts- und Linksradikalen?

Von Peter Johannes Meier

Eine Datensammlung mit 150 Namen und Adressen hat die Berner Antifa vergangene Woche an ausgewählte Journalisten versandt. Die Liste umfasst Personen, die beim Schweizer Anbieter White-Revolution Musik von rechtsradikalen Bands, in der Szene beliebte Kleider oder Neonazi-Accessoires bestellt hatten.

Die Berner Antifa verlangt eine umgehende Schliessung der Internetseite von White-Revolution. Deren Kundendaten - sie seien der Antifa zugespielt worden - bestätigten, dass solche Angebote von Jugendlichen benutzt würden, die mit der rechtsextremen Szene sympathisierten, ohne dort aktiv zu sein. Hinter dem Versand steckt der szenebekannte Aktivist und Pnos-Mitbegründer Sascha Kunz.

«Verantwortungslose Aktion»

Das Vorgehen der Antifa, insbesondere der Versand der Namensliste an Dritte, stösst jetzt ausgerechnet bei einer Organisation auf Kritik, die selber gegen rechtsextreme Jugendliche vorgeht und problematische Internetseiten zum Thema macht - die Aktion Kinder des Holocaust (AKdH). «Wenn solche Listen in falsche Hände geraten, kann das für Betroffene fatale Folgen haben. Es sind Personen aufgeführt, die sich inzwischen nachweislich von der Szene getrennt haben. Von anderen wissen wir schlichtweg nicht, was ihr Motiv war, etwas zu bestellen. Diese Leute quasi als Nazis zu outen, ist verantwortungslos», kritisiert Samuel Althof von der AKdH.

Die Berner Antifa weist den Vorwurf in einer Stellungnahme zurück: «Es geht nicht darum, 16- oder 17-jährige Jugendliche zu outen. Natürlich sind nicht alle KundInnen "Hardcore-Nazis .» Die Liste sei den Medien als Beweisstück und Illustration zugesandt worden. «Wir gehen davon aus, dass die Journalisten die Informationen mit der nötigen Vorsicht behandeln.»

Diese Vorsicht will Althof den Journalisten nicht grundsätzlich absprechen. Dennoch hätten in den vergangenen Wochen einzelne Medien Kampagnen geführt, die nichts mehr mit der realen Bedrohung durch Rechtsextreme in der Schweiz zu tun hätten. «Nach dem Rütli-Vorfall wurden Hunderte Jugendliche undifferenziert als Neonazis dargestellt und einzelne Exponenten zu Drahtziehern der so genannten "Rütli-Schande hochstilisiert. Letzteres stimmt so nicht und fördert eine paranoide Perspektive auf beiden Seiten», sagt Althof. Die wirklich gefährlichen Programmatiker dagegen, welche die Szene über Reden an Treffen ideologisierten, würden im Schatten pöbelnder Jugendlicher bleiben.

Althof kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit des Schweizer Journalisten Hans Stutz, einem bekannten Experten für Rechtsextremismus. «Seine oftmals auf die Ankündigung von Treffen oder Aktionen fokussierten Berichte sind kontraproduktiv und polarisieren die rechte und linke Szene zusätzlich.» Stutz wollte sich am Wochenende nicht zu dieser Kritik äussern.

Althof konstatiert ein Klima, das persönliche Diffamierungen oder gar Übergriffe auf Exponenten aus beiden Lagern begünstige. Wohin dies führe, zeige ein Blick nach Deutschland. Dort würden Rechtsradikale inzwischen mit gleichen Mitteln gegen Linke vorgehen: Aktivisten werden mit Adressen geoutet, zum Teil bedroht.

Die Antifa Bern stellt solche Gegenreaktionen nicht grundsätzlich in Abrede: «Wer sich aktiv gegen Rechtsextremismus und Rassismus wehrt, muss damit rechnen, bedroht oder angepöbelt zu werden. Dessen sind wir uns bewusst.»

Die Kritik der AKdH mag erstaunen, macht der mit 80 000 Franken vom Bund unterstützte Verein doch selber Rechtsextreme ausfindig. Dabei droht er auch mal, Arbeitgeber, Eltern oder die Justiz über die Aktivitäten der Jugendlichen zu informieren. «Doch wir suchen den persönlichen Kontakt zu diesen Leuten, sprechen sie auf ihre Einstellung an und helfen ihnen auch bei einem Ausstieg», sagt Althof. Auf diese Weise hätten sich in den vergangenen fünf Jahren über 30 Rechtsradikale von der Szene getrennt. Mit rund zwei Dutzend weiteren würden Gespräche geführt.

Ansprechen statt diffamieren

Althof unterscheidet zwischen so genannten Programmatikern und Symptomatikern. «Bei Ersteren erreicht man mit Gesprächen kaum etwas. Sie haben ihre Einstellung verinnerlicht und verbreiten sie weiter. Solche Leute beobachten wir genau und erstatten Anzeige, wenn sie sich illegal verhalten.» Diese Personen ans Licht zu zerren und politischen Druck auf sie auszuüben, hält Althof für angebracht.

Anders sehe es aus, wenn es um Symptomatiker gehe: «Für sie stehen die Chancen besser, dass sie sich nach einer kritischen Konfrontation von der Szene lösen. Ihr Verhalten ist oft mehr eine Art Hilferuf in einer schwierigen Lebenslage als Ausdruck einer politischen Überzeugung.» Durch ein Outing würden solche Jugendliche geradezu in eine Radikalisierung getrieben: «Sie fühlen sich verfolgt und - vielleicht zu Recht - unfair behandelt.»


© Aktion Kinder des Holocaust