|  | Zürich, 17. Dezember 1997  Thomas Meyer, «Deutsche und Juden: Zwei Menschheitsvölker» 
             Besten Dank für die Zusendung des oben erwähnten Textes 
              von Thomas Meyer, der als Nachwort des Buches von Ludwig Theben, 
              «Das Rätsel des Judentums», im Perseus-Verlag in 
              Basel 1991 erschienen ist.  Ich bin der Meinung, dass dieser Text von Meyer (das Buch von Thieben 
              kenne ich nicht) zahlreiche rassistische und antisemitische Stereotypen 
              sowie einige historische Verdrehungen enthält.  Dies liesse sich bei Gelegenheit präzise darstellen und beweisen, 
              aus zeitlichen Gründen beschränke ich mich hier auf eine 
              rasche Auflistung und Bewertung von ein paar wenigen, meines Erachtens 
              zentralen Punkten der Meyerschen Argumentation:  1. Meyer geht schon im ersten Abschnitt davon aus, dass «es 
              keine zwei anderen Volkheiten» gebe, die «- im Guten 
              wie im Bösen - so viele Wesenszüge gemeinsam haben und 
              sich als so schicksalsverwandt erweisen wie die jüdische und 
              die deutsche». Er unterscheidet dabei «die Deutschen» 
              von «den Juden» nach offensichtlich rassistischen Kriterien. 
              Dass es z.B. auch deutsche Juden (jüdische Deutsche) gibt, 
              oder französische, schweizerische usw., wird unterschlagen, 
              vielleicht weil das Konzept der beiden «schicksalsverwandten 
              Volkheiten» sonst von Beginn an als absurd zu durchschauen 
              wäre, vermutlich aber eher, weil Meyer aus rassistischen Gründen 
              «den Juden» eine deutsche (oder schweizerische, französische 
              usw.) Nationalität überhaupt abspricht.  2. Meyer wirft den Juden vor, dass sie den christlichen Messias 
              «bis auf den heutigen Tag nicht zu erkennen vermögen», 
              den Deutschen hingegen attestiert Meyer - aus ganz unerfindlichen, 
              nur rassistisch zu interpretierenden Gründen - dass sie «in 
              erster Linie und unmittelbar» berufen seien, ein «erneutes 
              Erscheinen Christi» zu erkennen. Die Deutschen sind also sozusagen 
              die Anti-Juden oder die «besseren» Juden bzw. «die 
              Juden der Moderne» (im Rahmen einer sektenhaften christlichen 
              Heils-Mythologie), und damit sind wir beim wohl empörendsten 
              Teil der Meyerschen Ausslassungen, denn:  3. Meyer setzt den deutschen Nationalsozialismus mit dem jüdischen 
              Nationalismus (bzw. Zionismus) gleich. Er spricht davon, dass die 
              «Juden» und die «Deutschen», diese zwei 
              «Völker, die so tief dazu veranlagt sind, ja zu deren 
              innerster Mission es gehört, sich selbst und die anderen Völker 
              zum Niveau des alle Menschen (...) verbindenden Menschheitsgeistes 
              zu erheben» - dass diese zwei Herrenvölker also  sich 
              gelegentlich «verirren» und «in einen Nationalismus 
              verfallen, der ebenso tief unter dem gewöhnlichen und bei den 
              übrigen Völkern in gewissen Grenzen normalen Nationalismus 
              liegt, wie sie berufen wären, über denselben hinauszuführen». 
              Die von Deutschland ausgegangene Vernichtung von Millionen Jüdinnen 
              und Juden (und anderen Menschen) wäre laut Meyer also nur ein 
              «tragisches» Abweichen von einem insgesamt richtigen 
              Weg gewesen, sozusagen ein nationalistischer Betriebsunfall aus 
              besonderer nationaler Bevorzugung heraus (wo gehobelt wird, fallen 
              bekanntlich Späne) - und auch den «Juden», dies 
              unterstellt Meyer, passieren umgekehrt ähnliche Betriebsunfälle 
              (das Nichtanerkennen Christi wiegt offenbar gleich schwer wie die 
              Vernichtung von 6 Millionen Menschen und die Verursachung eines 
              Weltkrieges).  Ich bin kein Jurist, aber ich gehe davon aus, dass mit der Antirassismus-Konvention 
              der UNO und der entsprechenden Schweizer Strafnorm gerade auch die 
              Verbreitung solchen Unfugs verhindert werden sollte. Zusammenfassend 
              verstehe ich Meyers Text als eine kaum kaschierte Verharmlosung 
              bzw. Rechtfertigung der Ermordung der europäischen Jüdinnen 
              und Juden. Nach Meyer haben die Juden bei ihrer «Menschheitsmission» 
              «versagt», als sie den christlichen Messias nicht anerkannten, 
              und Meyer legt uns durchaus nahe, dass sie vielleicht gerade deshalb 
              vernichtet wurden -von den «besseren» Juden, den «modernen 
              Juden», den Deutschen, ihrem «Brudervolk» notabene: 
              Dank der «Leiden des Holocaust», schreibt Meyer zum 
              Schluss, würden jetzt aber immer mehr jüdischen Menschen 
              allmählich «die Augen aufgehen» und sie würden 
              künftig «dem Deutschtum» «bei der Verwirklichung 
              seiner wahren Aufgabe» beistehen.  So hatte doch alles seinen Sinn, die Ausrottung war den überlebenden 
              Juden eine Lehre, und am deutschen Wesen wird die Welt genesen. 
             Falls es zu einem gerichtlichen Verfahren über diesen Text 
              kommt, bin ich gerne bereit, meine Ausführungen zu präzisieren, 
              zu ergänzen und sie auch wissenschaftlich zu belegen.  Mit freundlichen Grüssen Stefan Keller 
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