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  Franz Kohler dementiert
 


"Im Artikel Baslerstab vom 4.3.2003 werde ich als Leiter der Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus der beiden Basel persönlich mit folgender Aussage in Verbindung gebracht:

«Das Wort Nationalsozialismus sei an und für sich nichts Anstössiges, es beinhalte lediglich eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation.» (BaZ 28.2.2003 "Rechtsextremisten von einst wurden politischer")

siehe auch:
Präventionsarbeit Rechtsextremismus gefährdet

Die Aktion Kinder des Holocaust, AKdH fordert den Rücktritt von Franz Kohler


Die im Artikel wiedergegeben Interview-Aussage entspricht weder meinen Aussagen im Interview noch meiner Grundhaltung. Was mir mit an Kritik entgegengebracht werden darf, ist ein Mangel an Aufmerksamkeit beim Gegenlesen des Artikels. Ich distanziere mich in aller Form von der im Artikel wiedergegeben Aussage, die ich nicht gemacht habe."
Franz Kohler, Rodersdorf

Unsere Standpunkte:
1. Franz Kohler hat sich im heute erschienenen Leserbrief (Baslerstab vom 3. März 2003) von der in der BaslerZeitung veröffentlichten Aussage "Das Wort Nationalsozialismus sei an und für sich nichts Anstössiges, es beinhalte lediglich eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation " knapp distanziert. Mit Bedauern stellen wir fest, dass er die Gelegenheit nicht nutzt, seine Positionen zur Wechselwirkung zwischen symptomatischem und programmatischem Rechtsextremismus zu präzisieren. Wir müssen davon ausgehen, dass bezüglich historischer und gegenwärtiger politischer
Positionierung und Auslegung von Begriffen seitens Rechtsextremer für Franz
Kohler das kurz nach Erscheinen des Artikels im Baslerstab veröffentlichte
erste Statement zu unserer Kritik gilt: Zitat im Baslerstab (04.03.03): "Ich habe lediglich gesagt, dass die Worte ‹national› und ‹Sozialismus› für sich allein noch nicht verwerflich sind."
2. Kohler zeigt historisch-politische Unkenntnis bzgl. der Entwicklung der beiden Begriffe und ihrer Verbindung.
3. Kohler munitioniert die rechtsextreme Szene mit der Aufsplittung des Begriffs Nationalsozialismus in "National und Sozialismus". Er unterstützt die Strategie der Verharmlosung des Nationalsozialismus, den Rechtsextreme betrieben und betreiben. Er erhöht den Binnendruck der Gruppe und erschwert den Austieg für Rechtsextreme. Kohler macht aus programmatischen jugendlichen Rechtsextremen symptomatische und verharmlost diese damit.

Im Artikel der Basler Zeitung fordert er die Gesellschaft auf, Provokation, Abgrenzung und das Sich-an-politische-Themen-wagen als appellative Signale von Rechtsextremen zu verstehen, was diese - auf fatale Weise - auf eine angebliche psychologische Symptomatik reduziert: "Dazu gehöre, zu provozieren und sich deutlich abzugrenzen. Es gehöre aber auch dazu, sich an politische Themen zu wagen und sich so Struktur zu geben. (...) Nun würden aber in unserer Gesellschaft diese appellativen Signale nicht aufgenommen oder die jungen Leute erfahren Ablehnung.

Schlussfolgerung:
Die akzeptierende Grundhaltung gegenüber Jugendlichen genügt in dieser Problematik nicht. Die historischen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge müssen in Bezug auf Vergangenheit und Gegenwart verstanden und berücksichtigt werden. Angesichts dieses Vorgangs ist die AKdH der Meinung, dass Franz Kohler nach einem solchen unkommunikativen Statement die Grundlagen für eine erfolgreiche Arbeit innerhalb der Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus der beiden Basel zerstört hat.


21. Mai 2003:
Die Aktion Kinder des Holocaust, AKdH fordert den Rücktritt von Franz Kohler als Leiter der Basellandschaftlichen und Baselstädtischen Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus für ausstiegswillige Jugendliche
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Ein historischer Rückblick zu den Begriffen "Sozialismus" und "National"

Alle Trennung oder Aufsplitterungsversuche widersprechen der wortgeschichtlichen und ideengeschichtlichen Bedeutung des Wortes und verharmlosen das dahinterstehende Programm, das zwischen 1933 und 1945 mit fürchterlichsten Folgen umgesetzt wurde.

Der Begriff "Nationalsozialismus" tauchte das erste Mal 1904 bei der im österreichischen Sudetenland agierenden "Deutschen Arbeiterpartei" (nicht zu verwechseln mit der "Deutschen Arbeiterpartei", die nach dem Ersten Weltkrieg in München gegründet wurde und aus der die NSDAP hervorging) auf, die sich ab 1918 "Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei" (DNSAP) nannte. "Nationalsozialismus" oder "nationaler Sozialismus" war um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines von vielen marginalen Konzepten in der politischen Landschaft und verstand sich zunächst vor allem als Abgrenzung zu den bürgerlichen nationalen Parteien.

"Sozialismus" und "National" sind als Begriffspaar im Wortsinn widersinnig, da der Sozialismus (versteht man ihn im Sinne der sozialistischen Theoretiker) neben klaren ökonomischen Vorgaben auch eine INTERnationalisierung, keine Nationalisierung anstrebt. Nationaler Sozialismus meinte dann auch für die Deutsche Arbeiterpartei sehr viel mehr soziale oder sozialrevolutionäre Forderungen, als sozialistische Forderungen, weswegen die Partei vor dem Ersten Weltkrieg im regionalen Bereich eine gewisse Bedeutung erlangen konnte. Später wurde von der DNSAP mehr das "Nationale" betont.

Ein weiteres Beispiel: 1896 wurde in Erfurt der "Nationalsoziale Verein" gegründet, der sich für ein "soziales Kaisertum" aussprach, die Arbeiterschaft einem "Nationalbewusstsein" zuführen wollte und sich für eine expansionistische Aussenpolitik einsetzte. Der Verein löste sich bereits 1903 wieder auf, nachdem er in den Reichstagswahlen 1903 nur ein Mandat hatte gewinnen können.

Schon diese zwei Beispiel zeigen, dass es kein fest ausgearbeitetes Konzept eines "nationalen Sozialismus" gab, dass äusserst unterschiedliche Schwerpunktsetzungen möglich waren und daher die Zuordnung, vor allem auch für die anzusprechende Wählerschaft, sehr schwer war.

Zwei weitere Bespiele für die Verbindung sozialistischer mit nationaler Terminologie seien hier nur kurz als Erläuterung angeführt: Karl Radeks Versuch zu Beginn der 1920er Jahre, beide Strömungen zu vereinen, der in einer Art "nationalem Kommunismus" münden sollte, führte dann vor allem während des Ruhrkampfes zu den Forderungen nach einer nationalen Einheitsfront, die auch von einer, allerdings sehr kleinen, Gruppe vertreten wurde, die sich selbst als Nationalbolschewisten bezeichnete. Führender Kopf dieser Gruppe war Ernst Niekisch.

Adolf Hitler hat offensichtlich den Begriff des "Nationalsozialismus" aus der oben genannten sudetendeutschen Partei gekannt (so schreibt es der "Chefideologe" der Nazis, Alfred Rosenberg, in "Letzte Aufzeichnungen"), ihn dann allerdings mit einem klar gefassten Programm versehen. Die Deutsche Arbeiterpartei wurde 1919 in München gegründet, entwickelte sich aber erst nach dem Eintritt Hitlers zu einer straff geführten Partei, wurde unter seinem Einfluss (ab 1921 auch Vorsitzender der Partei) schon 1920 in "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" umbenannt und erliess, ebenfalls 1920, erliess das sogenannte "25-Punkte-Programm". Diese Programm war ein Gemisch aus populistischen, nationalistischen, antikapitalistischen, sozialrevolutionären und völkisch-antisemitischen Forderungen.

In den 1920er Anfangsjahren der NSDAP haben vor allem die Brüder Gregor und Otto Strasser den Begriff des "Sozialismus" im Parteinamen für ein zu verwirklichendes Konzept im Sinne sozialrevolutionärer Forderungen gehalten und versucht es umzusetzen. Doch für Hitler bedeutete Sozialismus, wie es Karl Dietrich Erdmann in "Gebhardts Handbuch der deutschen Geschichte" nennt "nationale Volksgemeinschaft mit sozial-egalitärer Tendenz". Die sozialistische Opposition (die aber in ihrer Definition des Sozialismus auch sehr diffus war) um Gregor Strasser (Otto Strasser hatte die NSDAP schon 1930 verlassen) wurde Ende 1932/Anfang 1933 von Hitler ausgeschaltet. Gregor Strasser wurde 1934 während des sogenannten "Röhmputsch" ermordet.

Der Begriff des "Nationalsozialismus" wurde von Hitler und seinen Parteigenossen zu einem klaren Programm gemacht. Spätestens ab dem Ende der 1920er Jahre war dies im Bewusstsein der deutschen Gesellschaft eine klar definierte Bewegung. Die Schwerpunkte "deutsch-völkischer Nationalismus", "egalitäre Gesellschaftsform mit hierarchisch gegliedertem Überbau" und vor allem der Antisemitismus wurden eindeutig mit der NSDAP verbunden, was im übrigen auch im Ausland so aufgenommen wurde. Die ursprüngliche, wenn auch sehr diffuse Bedeutung eines "nationalen Sozialismus" ging ebenso verloren wie die das Bewusstsein für den offensichtlichen Widerspruch des Begriffspaares "National" und "Sozialismus". Hitler gelang es, sein Programm in der Wahrnehmung der Gesellschaft mit dem Label "Nationalsozialismus" zu versehen und damit klar abzugrenzen gegen alle andern Parteien oder Vereine mit "national sozialistischen" Tendenzen.

Literatur:

Benz, Wolfgang, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des
Nationalsozialismus, Stuttgart 1997
Erdmann, Karl Dietrich: Die Weimarar Republik, in: Gebhardt, Handbuch
der deutschen Geschichte, Band 19, Stuttgart 1985
Erdmann, Karl Dietrich: Deutschland unter der Herrschaft des
Nationalsozialismus 1933-1939, in: Gebhardt, Handbuch der deutschen
Geschichte, Band 20, Stuttgart 1985
Hofer, Walter (Hrsg.): Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933-1945,
Frankfurt/Main 1982
Taddey, Gerhard (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte, Stuttgart
1983


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