Presseerlärung:

Am Dienstag 7.September soll in Basel im Gewerkschaftshaus eine Veranstaltung zum Thema Antisemitismus, Rassismus und Sexismus in der Anthroposophie stattfinden. Als Autor eines Anthroposophie-kritischen Buches, das im März im Konkret Literatur Verlag erschienen ist, sollte ich neben Herrn Professor Stegemann als Referent auftreten.

Ich werde an dieser Veranstaltung nicht teilnehmen. Der Grund dafür ist, daß auf Druck aus den Reihen der Anthroposophen der Moderator, Ständerat Gian-Reto Plattner, Herrn Stefan Leber, Mitglied im Vorstand des Bundes der Waldorfschulen, als weiteren Referenten eingeladen hat. Herr Leber hat in einem Aufsatz die rassistischen Äußerungen Rudolf Steiners über angeblich dekadente Indianer und die angeblich besondere Triebnatur von Schwarzen verteidigt. Als Diskussionspartner kommt Herr Leber für mich daher nicht in Betracht.

Vor mehr als drei Monaten bin ich zu dieser Veranstaltung eingeladen worden unter der Maßgabe, daß es sich um eine interne, d.h. nicht öffentliche Veranstaltung mit Seminarcharakter handelt, die von der Aktion Kinder des Holocaust, den Basler Sozialdemokraten, Grünen, Frauenliste und BaSTA organisiert wird.

Vergangenen Mittwoch wurde mir mitgeteilt, ein Vertreter der Allgemeinen Antrhoposophischen Gesellschaft (AAG) dürfe nach den Referaten das erste Statement abgeben. Damit war aus der nichtöffentlichen Informationsveranstaltung eine öffentliche Diskussionsveranstaltung geworden.

Am Donnerstag wurde mir mitgeteilt, Herr Andreas Heertsch werde als Vertreter der AAG auf dem Podium sitzen. Herr Heertsch ist nach meinen Recherchen der Chefideologe der AAG in Sachen Computer und Internet. Die Steiner-Fans glauben, daß in Computern und anderen technischen Produkten der böse Ahriman sitzt, gemäss der wirren Lehren ihres Begründers Rudolf Steiner. Andererseits kann eine Organisation wie die Anthroposophen - die in einem neuen Bericht des französischen Parlaments als Sekte gelten - nicht auf Computer verzichten, wenn sie ihren Einfluß ausdehnen will. Herr Heertsch ist also für entsprechende ideologische Verrenkungen zuständig.

Die Bitte, mit ihm zu diskutieren, entspricht etwa der Forderung, allen Ernstes mit jemandem öffentlich zu debattieren, der behauptet, die Erde sei eine Scheibe.

Am Freitag nachmittag teilte mit Herr Plattner per E-Mail mit, daß anstelle von Heertsch nun Herr Stefan Leber die AAG vertreten werde. Auf meinen Protest hin, teilte mir Herr Plattner mit, ich dürfe Herrn Leber in meinem Vortrag auf keinen Fall persönlich angreifen.

Erstens lasse ich mir keinen Maulkorb umhängen. Zweitens bin ich nicht bereit mit jemandem auf dem Podium zu sitzen, der den anthroposophischen Rassismus in der Tradition Rudolf Steiners vertritt. Aufgabe von Demokraten ist, über Rassismus aufzuklären und Rassimus politisch zu bekämpfen, nicht aber mit Verfechtern solcher absurden Wahnvorstellungen gesittet zu plauschen.

Lebers Position ist nachzulesen in seinem Aufsatz «Anthroposophie und die Aufgabe des Menschengeschlechts», der im März 1998 in der anthroposophischen Zeitschrift «Die Drei» sowie in dem von Leber herausgegebenen Werk «Anthroposophie und Waldorfpädagogik in den Kulturen der Welt» (Stuttgart, 1997) erschienen ist.

Leber distanziert sich in diesem Aufsatz zunächst mit Verweis auf die Karmalehre vom Rassismus und erklärt den genetischen Begriff der Rasse für ungültig. Für die spezifische Form des Rassismus nach Steiner ist das nicht relevant: Anthroposphen glauben, daß ein Mensch nicht durch seine Gene, sondern durch sein Karma und von allerlei Geistern aus höheren Welten bestimmt wird. Die Distanzierung ist darum irreführend, sie ist reine Taktik: So fordert Leber (1997, S.247) Steiners «Gesamtübersicht über die Leibeigentümlichkeiten» nicht zu verwerfen. Er verteidigt Steiners Position, wonach Indianer dekadent und zum Untergang bestimmt sind. Sie gehören nämlich der Rasse des «späten Alters» an. Leber verteidigt auch Steiners Äußerungen über «Mulattenkinder» (S.250) und dessen ekelhafte Behauptungen über die angebliche besondere Triebnatur von AfrikanerInnen (S.252f.)

Leber schreibt: «Das ´Triebleben' des Schwarzen mit seiner stoffwechselhaften, bewegungsfähigen Natur wird nur scheinbar abschätzig beurteilt (bei Steiner, P.B.); in Wirklichkeit erweist es sich als Überlegenheit und Vorzug, nämlich als Schutz vor dem Fall in den Materialismus und damit auch den Sozialdarwinismus, dem der Weiße leicht erliegt.» (S.252)

Leber ist nicht einmal so selbstkritisch wie die holländischen Glaubenbrüder, die in einer Untersuchung einräumten, es gebe zwölf nach niederländischem Recht strafbare Passagen in Steiners Werk. Leber spricht stattdessen von sogenannten Rassismus-Äußerungen (S.248).

Solche Auffassungen sind für mich nicht diskussionfähig. Über die angeblich besondere Triebnatur von Schwarzen kann ich auch in München an jedem Stammtisch diskutieren, dazu muß ich nicht nach Basel kommen. Ich werde solche widerlichen Ansichten nicht dadurch salonfähiger machen, indem ich mit ihren Vertretern in aller Öffentlichkeit von gleich zu gleich diskutiere. Wenn Herr Plattner jemandem wie Leber eine Plattform bieten, fällt das auf ihn zurück.

Peter Bierl

 
 

© Aktion Kinder des Holocaust