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Sympathisant der Pnos bleibt im Amt
QU: Basellanschaftliche Zeitung, 18. April 2002

LETZTE CHANCE / Der Stift, der mit dem Rechtsradikalismus liebäugelt, darf im Vermessungsamt
bleiben, muss jedoch Auflagen einhalten.

LIESTAL. Der Lehrling, der vom Arbeitsplatz des Baselbieter Vermessungsamtes aus privaten E-Mail-Verkehr mit Mitgliedern der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) hatte, ist mit einem blauen Auge davon gekommen. Dies, obwohl er ein entsprechendes «E-Mail-Verbot» übertrat, das er im Beisein seiner Mutter unterzeichnet hatte. Das Amt kam ihm auf die Schliche (vgl. bz vom Dienstag). Wäre es nach dem Willen des Leiters des Vermessungsamtes gegangen, Karl Willimann, wäre der Bursche, der auch der Polizei in Zusammenhang mit Rechtsradikalismus kein Unbekannter ist, nach den jüngsten Vorfällen in der vergangenen Woche auf die Strasse gestellt worden. Aber auf Intervention des Sprechers der Aktion Kinder des Holocaust (AKdH), Samuel Althof, und auf Rat des Rechtsextremismus-Experten Franz Kohler aus Rodersdorf, kann der Geometer seine Lehre nun doch zu Ende führen. Am Dienstagabend hatte eine Aussprache stattgefunden.

Lehrling suchte Halt, fand ihn aber am falschen Ort
Warum das Amt den Stift nicht «spickte», begründet Leiter Willimann. Er hat damit die Argumentation der Rechtsextremismus-Experten übernommen: Der Lehrling, der nicht in besten familiären Verhältnissen lebe, suche Halt in seinem Leben, leider aber am falschen Ort. Es sei nicht klug, ihm mit einer Kündigung nun auch noch den restlichen Boden unter den Füssen weg zu ziehen. «Zudem hat sich unser Lehrling schriftlich glaubwürdig entschuldigt», sagt Willimann. Beschränkten sich erste Weisungen des Amts gegenüber dem Stift auf so genannt «technische Anweisungen» (er darf vom Arbeitsplatz aus keine politischen Aktivitäten ausüben, keine privaten E-Mails verschicken und hat wöchentlich zwecks Aufbesserung seiner schulischen Leistungen Sonderaufgaben abzuliefern), so will man den Jungen nun auch «ideologisch rückbauen».

Geschichtsunterricht bei Karl Willimann
«Ich habe mir den Schwachsinn, den die Pnos im Internet publiziert, ausgedruckt und den Lehrling zitiert», sagt der Leiter des Vermessungsamts. Dabei soll der Stift Geschichtsunterricht bei Willimann «genossen» haben. Der Leiter klärte ihn über den braunen Hintergrund der Partei und die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg auf. «Eigentlich habe ich im Vermessungsamt "weiss Gott" anderes zu tun», sagt Willimann. Das Vermessungsamt beschäftigt elf Lehrlinge. Die Türen zum Lehrmeister stehen für den Pnos-Sympathisanten offen, versichert Willimann ­ auch für Privates. Und zudem sei der Lehrling angehalten worden, mit dem Sprecher von AKdH, Samuel Althof, ins Gespräch zu kommen. «Wir begrüssen eine selbstkritische
Auseinandersetzung mit seinem Verhalten», sagt Althof.

Versteckter Rechtsextremismus am Arbeitsplatz
Dass Jugendliche in rechtsextremistische Kreise abdriften und in den Fängen sektenhafter Parteien wie Pnos landen, ist, wie in diesem Fall, manchmal nur schwer zu erkennen. «Es ist nicht mehr so, dass Rechtsradikale nur in Bomberjacken am Arbeitsplatz auftreten», sagt Althof. Dennoch: Wer das persönliche Gespräch mit dem Lehrling suche, spüre auch, auf welchen ideologischen Schienen sich dieser bewege. Und immer könne der Rat des Rechtsextremismus-Experten Franz Kohler eingeholt werden. (wah)

Hotline des Rechtsextremismus-Experten
Franz Kohler: 079 763 95 89.


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