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NZZ am Sonntag; 01.08.2004
Die
rechtsextreme Partei National Orientierter
Schweizer (PNOS) ist nach dem Skinhead-Aufmarsch auf dem Rütli
vom 1. August 2000 gegründet worden. Ihr grösster Erfolg
ist, dass es sie immer noch gibt. Von Markus
Steudler
Es
hätte eine jener beschaulichen Podiumsdiskussionen zum Thema
Rechtsextremismus werden sollen, wie sie nach dem 1. August 2000
in der Schweiz zuhauf organisiert wurden. Doch an diesem 30. Januar
2001 lag an der Sektionsversammlung der SP Gelterkinden (BL) auf
einmal Spannung in der Luft. 13 kahl rasierte Männer und
zwei Frauen in Springerstiefeln waren unerwartet ins Gelterkinder
«Rössli» marschiert und hatten sich inmitten
der Sozialdemokraten niedergelassen. «Erst habe ich gedacht,
die seien zum Provozieren da», sagt der Basler Historiker
Ruedi Brassel, der an jenem Abend über das Parteiprogramm
der neu in der Region aufgetauchten Partei National Orientierter
Schweizer (PNOS) referierte. «Doch sie waren anständig
und diskutierten mit.» Brassel erinnert sich, wie der Wortführer,
der damals 19-jährige PNOS-Vizepräsident Jonas Gysin,
die Nähe zu Nazi- Deutschland von sich wies, sich aber derselben
Argumentationsmuster bediente, und wie er sich selbst als Opfer
der Diskriminierung und Kriminalisierung darstellte. «Zum
Abschied drückten mir einige der Jugendlichen die Hand»,
sagt Brassel. «Sie hatten massiv Kreide gefressen.»
Weniger
Schreibfehler
Es
war der erste Auftritt von PNOS- Mitgliedern in der Öffentlichkeit;
weitere sollten folgen. Die brachial anmutenden Rechtsextremen
waren um eine Imagekorrektur bemüht. Eine politische Partei
schien das richtige Instrument dafür. Am 1. September 2000
hatten die beiden einstigen Mitglieder der Skinhead-Organisation
«Blood & Honour», Jonas Gysin und Sacha Kunz,
in Liestal die PNOS gegründet. Kunz, auf dessen Faust die
tätowierte Aufschrift «SKIN» prangt, fungierte
damals noch als Präsident der Nationalen Partei Schweiz (NPS).
Diese war erst wenige Monate alt, in der rechtsextremen Szene
aber bereits abgeschrieben, weil sich ihr Hauptexponent, der Berner
D.M., mit diversen Entgleisungen - zum Beispiel Morddrohungen
gegen «Linke» - angreifbar gemacht hatte. Die PNOS
sollte nun schaffen, was der NPS und anderen kurzlebigen Parteikonstrukten
nicht gelungen war: «Die PNOS ist die Chance, aus dem Dunstkreis
der Gewalt herauszukommen und unsere Meinung öffentlich zu
pflegen», erklärte Gysin nach der Parteigründung.
Es galt, die Gunst der Stunde zu nutzen: Durch den Skinhead-Aufmarsch
auf dem Rütli am 1. August 2000 war die Öffentlichkeit
für das Thema sensibilisiert; die Medien vermeldeten jede
kleinste Bewegung aus der rechtsextremen Szene.
Heute
produziert die PNOS die mediale Aufregung selbst. Durch Provokationen
oder Mobilisierungen - wie beispielsweise für die diesjährige
1.-August-Demonstration in Brunnen (SZ) und auf dem Rütli
- schafft sie es immer wieder, Medien und zum Teil auch Behörden
in Alarmstimmung zu versetzen. Obwohl die meisten Rechtsextremen
weiterhin in traditionellen Skinhead-Gruppierungen organisiert
sind, kann die PNOS das Gros der öffentlichen Aufmerksamkeit
für sich beanspruchen. Dabei wird ihre Mitgliederzahl auf
lediglich 130 geschätzt. Ihr Ziel, auch Mitglieder ausserhalb
der Szene anzuwerben, hat sie verfehlt.
Der
grösste Erfolg der PNOS ist, dass es sie immer noch gibt.
«Dass die Partei eine recht stabile Existenz hat aufbauen
können, ist zwar kein sensationeller Erfolg. Wir hätten
es ihr vor vier Jahren aber nicht zugetraut», sagt der oberste
Staatsschützer, Urs von Daeniken, Chef des Dienstes für
Analyse und Prävention im Bundesamt für Polizei. Diese
Einschätzung teilt der Berner Rechtsextremen-Ideologe Roger
Wüthrich. «Die haben etwas relativ Solides aufgebaut»,
sagt er. Fortschritte zeigten sich konkret in der Partei- Zeitschrift,
die orthographisch viel weniger Fehler aufweise als früher.
Heute würden die Texte von drei Personen mit Rechtschreibeprogrammen
korrigiert. Dennoch: «Auch wenn die PNOS nicht gleich wieder
von der Bildfläche verschwindet, wird sie nie auf einen grünen
Zweig kommen. Im Volk fehlt die Akzeptanz», sagt Wüthrich.
Gewalt
trotz Verzicht
«Die
Partei ist politisch vollkommen irrelevant», sagt auch Samuel
Althof, Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust, der die Entwicklung
der PNOS seit deren Gründung intensiv mitverfolgt. «Sie
ist in ihrer gefährlichen nationalsozialistisch orientierten
Ideologie gebunden und somit politisch nicht kompromissfähig.»
Staatsschützer von Daeniken, der die PNOS als rechtsextreme
Organisation mit einer stark revisionistischen Haltung bezeichnet,
mahnt zur Vorsicht: «Die deutsche NPD hat vor Jahren gleich
begonnen», sagt er. «Dadurch, dass die PNOS sich wählbar
gemacht hat, werden ihre Ideen mehr oder weniger legitimiert.
Das ist das Gefährliche.»
Bei
den Nationalratswahlen 2003 erzielte die PNOS im einzigen Kanton,
in dem sie es schaffte, einen Kandidaten aufzustellen, einen Wähleranteil
von 0,13 Prozent. Das reichte nicht annähernd für einen
Nationalratssitz, wenngleich der PNOS-Kandidat, ein 21-jähriger
Plattenleger, 1335 Kandidatenstimmen erzielte, von welchen ein
Drittel von SVP-Wählern stammte, wie aus der statistischen
Analyse hervorgeht. Diese ist für die Partei viel wichtiger
als das Resultat. «Die PNOS hat gewusst, dass sie null Chancen
hat», sagt Wüthrich. «Die Teilnahme an den Wahlen
hat den Vorteil, dass die Behörden für einen gratis
Promotionsmaterial an alle Stimmberechtigten senden müssen.
Zudem dienen Wahlen als Stimmungsbarometer.» Sie zeigten,
so Wüthrich, in welchem Bezirk man wie viele Stimmen gemacht
habe, wo es sich lohne, eine Ortsgruppe zu gründen, Veranstaltungen
zu organisieren oder Flugblätter zu verteilen.
Der
heutige «Parteivorsitzende», wie sich Jonas Gysin
nennt, will das nicht abstreiten. Dank der PNOS werde ein Teil
«der Rechten» jetzt anders wahrgenommen, sagt er zufrieden.
«Heute kann einer für unsere Meinung einstehen, ohne
sich in ein mit Gewalt vorbelastetes Milieu zu begeben»,
behauptet er. Die PNOS habe einen Rückgang der Gewalt herbeigeführt.
Seit ihrer Gründung hat die Zahl der Gewaltdelikte rechtsextremer
Kräfte in der Schweiz abgenommen, was ihr seitens der Staatsschützer
teilweise tatsächlich zugeschrieben wird. Als ebenso sicher
gilt jedoch, dass der propagierte Gewaltverzicht nur Mittel zum
Zweck ist im Hinblick auf die eigene Wählbarkeit. So verurteilte
das Strafgericht Baselland im November 2003 Sacha Kunz wegen Körperverletzung
zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 16 Monaten und 15
Tagen, weil er - unter anderem - im Sommer 2001 mit Jonas Gysin
einen Minderjährigen spitalreif geschlagen hatte, der angeblich
seine Freundin belästigt hatte. Gysin erhielt eine bedingte
Gefängnisstrafe von 30 Tagen. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig
und werden im Herbst 2004 in zweiter Instanz beurteilt.
«Wir
haben Lehrgeld bezahlt», sagt Gysin. «Die Strafen
waren für uns mit ein Grund, uns anders, gewaltlos, zu engagieren.»
Dass die Gewalttaten ein Jahr nach der Parteigründung geschahen,
erwähnt er nicht. «Mein Gott, ich war 19 Jahre alt,
als ich die Partei gründete», erwidert er. Das Spiel
mit den Medien hat der Vorsitzende gelernt.
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