aktuell

archiv

home


 


 

Auf der Suche nach den verlorenen Kindern
QU: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. Februar 2001


Vorgeschichte zum Artikel:

1. Die Fett gedruckten "Zitate" sind falsch und wurden nicht von der AKdH geäussert. Herr Rötzer hat nur per Mail (siehe weiter unten) Kontakt aufgenommen.
Die "Zitate" wurden von Herrn Rötzer aus dem Tages-Anzeiger abgeschrieben!

2. Am 17.02.01 schrieb Herr Rötzer an die AKdH, zu einer Zeit, da sein Text - fast gleichen Inhalts wie heute in der FAZ - bereits bei www.heise.de (der Artikel bei heise.de)veröffentlicht war:

Guten Tag,
ich haben eben die Meldung gelesen, dass Sie Provider dazu bringen
konnten, den Zugang zu einem Anbieter von rassistischen Websites zu
sperren. Nun habe ich in diesem Fall nichts konkret einzuwenden, aber
prinzipiell stellt sch die Frage, ob Sie meinen, dass ein solches
Vorgehen unter Vermeidung gesetzlichen Vorgehens wirklich der Verfassung
und einer demokratischen Ordnung enstpricht. Jetzt beugen sich die
Provider noch dem vermeintlichen Mehrheitsdruck gegen Rechts, schwankt
die Stimmung einmal um, was ja durchaus sein könnte, werden eben andere
Seiten durch Selbstzensur gesperrt. Mich würde interessieren, ob Sie
sich dazu Gedanken gemacht haben und wie Sie in diesem Kontext Ihre
Aktion gerechtfertigt sehen. Um eine schnelle Beantwortung wäre ich
dankbar, ich würde sie dann noch in den Artikel einbauen. Für
www.heise.de bin ich gerade am Schreiben einer Meldung

Schöne Grüße
Florian Rötzer
www.telepolis.de

Unsere Antwort:
Sehr geehrter Herr Rötzer

1. Unsere Interventionen bewegen sich sehr wohl im Rahmen der gestzlichen
Ordnung.
2. Die Provider beugen sich keinem vermeindlichen Mehrheitsdruck gegen
Rechts. Sie bieten Rechtsextremisten keine Plattform (siehe Aussage z.B.
Burgener des Providers SUNRISE)
3. Bewerten Sie das Recht auf Freespeech höher als die Würde des Menschen und den Minderheitenschutz?

Rückfragen unter (Telefonnummer)

Samuel Althof

Herr Rötzer nahm sich nicht die Mühe für seine Recherche bei der AKdH anzurufen.


Auf der Suche nach den verlorenen Kindern
Dürfen Provider den Zugang zu bestimmten Websites sperren?

Am Samstag gab die Schweizer Menschenrechtsorganisation "Aktion Kinder des Holocaust" bekannt, sie habe die größten Internet-Provider des Landes dazu bewegen können, den Zugriff auf Hunderte von Websites auf einem amerikanischen Server zu sperren. Gemeinhin nennt man das Zensur - und sollte eigentlich nur aufgrund von Gesetzesverstößen und im Einklang mit der Verfassung nach richterlicher Prüfung erlaubt sein, nicht aber in der Hand einzelner Provider liegen.

In diesem Fall wird sich allerdings kaum jemand beschweren, ist die Intention doch untadelig, auch wenn im einzelnen nicht geprüft wurde, ob die Inhalte, die gesperrt wurden, tatsächlich in der Schweiz verboten sind. Der beanstandete amerikanische Internet-Provider front14.org versorgt ausschließlich erklärte Rassismusanhänger mit Web-Hosting und E-Mail-Diensten. "Online hate at its best", lautet der Slogan des rechten Nischenanbieters, Die Schweizer Aktion nun hat die Provider Sunrise, Diax und IP-Plus, den Internet-Service von Swisscom, dazu gebracht, für ihre Kunden den Zugang zu front14.org zu sperren.

In keiner Weise ist ein solcher Anbieter schutzwürdig, und schon gar nicht geht es darum, die von ihm dargebotenen Inhalte zu verteidigen. Dennoch ist es problematisch, wenn Provider, auf Druck welcher Interessenvertretungen auch immer, mehr oder weniger willkürlich ihren Kunden, die Bürger eines demokratischen Staates sind, den Zugang zu bestimmten Seiten verwehren können. Dabei spielt es keine Rolle, daß solche Blockaden leicht zu umgehen sind.

Der Vorgang in der Schweiz ist für westliche Demokratien bislang einzigartig, obgleich gerade antirassistische Organisationen schon seit einiger Zeit versuchen, die nationale Rechtsprechung durch Einführung von Grenzen im Internet zu sichern. In dem exemplarischen Prozeß gegen Yahoo.com hatte ein französisches Gericht den Klägern recht gegeben und von dem amerikanischen Unternehmen verlangt, mit Filtern französische Bürger daran zu hindern, auf Auktionsseiten mit Nazidevotionalien zugreifen zu können, deren Präsentation und Verkauf in Frankreich verboten ist. In Deutschland entschied der Bundesgerichtshof im Dezember letzten Jahres, daß die hierzulande verbotene Leugnung des Holocaust dem Straftatbestand der Volksverhetzung auch dann erfüllt, wenn derartiges im Internet von einem ausländischen Staatsbürger bei einem ausländischen Provider geäußert wird. Der Autor kann in Deutschland bestraft werden, aber weder dem französischen noch dem deutschen Gericht fiel dabei ein, von deutschen Providern zu verlangen, ihre deutschen Kunden Inhalte vorzuenthalten, die in Frankreich oder Deutschland verboten sind.

Bislang suchte die "Aktion Kinder des Holocaust" nach Websites mit rassistischen, antisemitischen und rechtsradikalen Inhalten und meldete die Adressen an Polizei und Provider zur Überprüfung und Sperrung weiter. Über hundert solcher Seiten wurden bereits vom Netz genommen. Dabei handelten sie, so der Sprecher der Aktion Samuel Althof, auf der Grundlage des deutschen und schweizerischen Strafrechts. Die Aktion weist darauf hin, daß inzwischen "für Skinheads, Nazis und Rassisten das Internet die wichtigste Informations- und Werbeplattform" geworden ist. Jetzt aber wehe den "braunen Gruppen in der Schweiz ein rauer Wind ins Gesicht". Den Providern, die den Zugang zu den rechtsextremen Seiten nicht sperren, wirft die Aktion vor, daß sie mit dem Inhalt bestimmter Seiten, die, wohlgemerkt, nicht von ihnen gehostet wird, "antisemitisches und rassistisches Gedankengut" transportieren würden und deswegen auch dafür "verantwortlich" seien. Mit diesem Argument müßte auch die Post zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie Briefe mit Morddrohungen transportiert.

Die Schweizer Organisation kann sich auf die Rückendeckung der Polizei berufen. Schon letztes Jahr wurde ein Positionspapier der Bundespolizei über die "strafrechtliche Verantwortung von Internet-Service-Providern" veröffentlicht. Provider, die den Zugang zu bestimmten Webseiten ermöglichen, sollen demnach nicht nur illegale Seiten sperren oder löschen, sondern auch Hinweisen nachgehen, selbst dann, wenn diese nicht von der Polizei stammen. Neben rassistischen und pornografischen Inhalten soll damit auch die organisierte Kriminalität bekämpft werden. Schon im vergangenen Jahr verschickte das Bundesamt für Polizeiwesen eine Sperrliste an alle Schweizer Provider mit dem Hinweis auf problematische Seiten.

Providern in der Schweiz nahezulegen, Websites mit rassistischen Inhalten vom Netz zu nehmen, ist die eine Sache. Auch in Deutschland wurde im Zuge der Initiativen gegen Rechts vielfach so gehandelt. Und wenn es sich dabei um in der Schweiz verbotene Inhalte handelt, ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Doch die Frage bleibt, ob ein Provider überhaupt das Recht hat, aus welchen Gründen auch immer unerwünschte Seiten vom Netz zu nehmen. Ganz anders nämlich sähe die Lage aus, wenn nicht rechtsextreme Gruppierungen von dem Ausschluß betroffen wären, sondern etwa Menschenrechtsorganisationen. Zur Diskussion steht heute also nicht nur, ob Provider für Inhalte auf ihren Websites verantwortlich gemacht werden können, sondern auch, welche Verpflichtungen sie im Rahmen der Gesetze gegenüber ihren Kunden haben.

FLORIAN RÖTZER

 




© Aktion Kinder des Holocaust