UNEINSICHTIGER BUCHHÄNDLER
Antisemitisches Buch bleibt im Verkauf

Jüdische Rundschau: 18. Dezember 1997

Ein Basler Buchhändler weigert sich, ein Buch mit einem antisemitischen Nachwort aus dem Verkauf zu ziehen. Die «Aktion Kinder des Holocaust» wird demnächst Klage einreichen. VON KATIA SCHÄR

Das Buch kann man lesen - oder auch nicht. Je nachdem, wieviel Interesse man einem Werk entgegenbringt, das 1930 von einem von der Anthroposophie begeisterten Juden verfasst wurde. Wie auch immer, gewisse Zitate, wie etwa «Ihn (Ahasverus) aus seiner düsteren, gebeugten Gestalt in ein Lichtwesen zu verwandeln, die dem Christus (...) dient, ist die Mission des gegenwärtigen und zukünftigen Judentums» sprechen da schon eine etwas eigenartige Sprache. Wie dem auch sei, die neuste Ausgabe von «Das Rätsel des Judentums» von Ludwig Thieben, erschienen 1991 in zweiter Auflage im Basler Perseus Verlag, sollte man definitiv nicht in die Hände nehmen. Ergänzt wurde das Buch nämlich mit einem Nachwort von Thomas Meyer, das mit antisemitischen Inhalten und Anspielungen gespickt ist. So sieht dies jedenfalls die «Aktion Kinder des Holocaust», welche die Verbreitung dieses Buches verhindern will - nicht aber die anthroposophische Buchhandlung Pegasus in Basel. Der Wunsch der «Aktion», das Buch aus dem Verkauf zu ziehen, fiel nicht auf fruchtbaren Boden. «Wir appellieren primär an die Einsicht der Buchhändler, antisemitische Werke nicht mehr zu verkaufen», erklärt Samuel Althof, Sprecher der «Aktion Kinder des Holocaust». Aber selbstverständlich müssen auch der Verleger und Autor in Personalunion, Thomas Meyer, und, falls uneinsichtig, das Schweizerische Buchzentrum in Olten, mit Sanktionen, sprich einer Klage rechnen. Und jedenfalls auch der Pegasus-Buchhändler Beat Hutter, denn auf dessen Einsicht ist wohl kaum zu zählen. «Ich habe das Buch prüfen lassen und der Vorwurf, das Nachwort sei antisemitisch, stimmt einfach nicht», meint Hutter gegenüber der JR. Man müsse eben das ganze Nachwort anschauen und nicht die Worte isoliert betrachten, wie dies die «Aktion Kinder des Holocaust» tue. So einfach hat es sich die «Aktion» aber nicht gemacht, wenngleich es vorab die Wortwahl ist, welche die Judaistin Heidy Zimmermann, die über das Nachwort ein wissenschaftliches Gutachten erstellt hat, kritisiert. «Es macht einen grossen Unterschied, ob man sich heute wie vor 60 Jahren ausdrückt.» Thomas Meyer benutze eindeutig völkisches Vokabular, oder anders gesagt: Nazi-Slang. Es sei aber schwierig, konkrete Kritik an Meyers Ausführungen zu üben, denn: «Er gibt sich nicht offen antisemitisch, sondern fordert in einer verqueren Argumentation die geistige Vorherrschaft von Deutschtum und Judentum.» Vollkommen ahistorisch bewege sich Meyer in einem Bereich, wo sich beliebig mit Geschichte und Fakten umgehen lasse. Meyer scheue sich auch nicht, so Heidy Zimmermann in ihrem Gutachten, den Zionismus allein als Reaktion auf den deutschen Nationalismus zu interpretieren und beide als Abfall vom wahren geistigen Volkswesen zu bezeichnen. Die Juden hätten, schreibe Meyer, «in welthistorischer Tragik den Messias übersehen» und hoffentlich würden sie ihn wenigstens das nächste Mal erkennen.... Für Beat Hutter jedenfalls sind dies keine antisemitischen Äusserungen. Das Buch bleibt im Verkauf - und die «Aktion Kinder des Holocaust» wird demnächst Klage wegen Verstoss gegen das Anti-Rassismusgesetz einreichen. Hutter jedoch wird dieser Anzeige ruhig entgegen sehen - sie entbehre jeder Grundlage. Aber wieder sieht dies jemand anders: Professor Ekkehard Stegemann, Dozent an der Theologischen Fakultät der Universität Basel. Er kritisiert aber allem voran den Text von Ludwig Thieben, «diese abwegige und widerwärtig antisemitische Seite der Steinerschen Anthroposophie», wie er in einem Brief an die «Aktion» schreibt. Als klar rassistsich bezeichnet er denn auch Thiebens Formulierung, es sei die jüdische «Blutsveranlagung» der Grund dafür, dass das Judentum sich gegen das Christentum wehre. Beruhigend für die «Aktion» wenigstens, dass nicht alle Buchhandlungen wie die Pegasus Buchandlung denken, sondern viel eher im Sinne von Stegemann: Basels grösste Buchhandlung, die Jäggi AG, hat den Hinweis der «Aktion» dankend zur Kenntnis genommen. Das Buch mit dem antisemitischen Inhalt wird nicht im Sortiment geführt, und, so der Geschäftsführer: «Wir werden auch künftig davon absehen, den Titel zu verkaufen.»

 

 
 


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