Crème für KZ: Weleda bedauert
Sonntags Zeitung vom 12. April 1998, Nr. 15
ARLESHEIM - Die Basler Aktion Kinder des Holocaust
wirft der Firma Weleda vor, sie stehle sich mit Nichtwissen aus
der Verantwortung. Die deutsche Tochterfirma hatte einem berüchtigten
KZ-Arzt in Dachau Frostschutzcrème geliefert.
Wenn Samuel Althof, Sprecher der 1992 gegründeten
Aktion Kinder des Holocaust, Antisemitismus oder Rassismus entdeckt,
kennt er kein Pardon. Dies musste auch die Geschäftsleitung der
Heilmittel - und Naturkosmetikfirma Weleda in Arlesheim erfahren,
die dem anthroposophischen Gedankengut von Rudolf Steiner verpflichtet
ist. Es geht um eine Lieferung von 20 Kilo Frostschutzcrème der
Weleda -- Tochter in Schwäbisch-Gmünd an den KZ-Arzt und SS - Hauptsturmführer
Sigmund Rascher im Kriegsjahr 1943, der in Dachau Unterkühlungsversuche
an Häftlingen vornahm.
Rascher, ein Protégé von SS - Chef Heinrich
Himmler, forschte nach Lösungen für die Probleme von ins Meer abgestürzten,
unterkühlten Piloten. Für die grausamen Kälteexperimente benutzte
der skrupellose Arzt Häftlinge aus dem KZ Dachau, die in voller
Fliegeruniform ins Wasser gelegt wurden. «Sobald die Unterkühlung
28 Grad erreicht hatte, starb die Versuchsperson mit Sicherheit,
trotz aller Versuche zur Rettung», schrieb er in einem Zwischenbericht.
Tatsache ist auch, dass der langjährige Betreuer der Weleda -Heilkräuteranlagen
in Schwäbisch-Gmünd von 1941 bis 1945 Obergärtner im KZ Dachau war.
Dass die Weleda den Stabsarzt Rascher beliefert
hatte und im Gegenzug aus Beständen des SS - Sanitsätshauptamts
die zur Herstellung der Frostschutzcréme benötigte Vaseline als
Rohstoff erhielt, führte bereits in den achtziger Jahren in Deutschland
zu Vorwürfen an das Unternehmen.
Jetzt wehrt sich Moritz Aebersold, Weleda-
Gruppenleitungsmitglied am Stammsitz in Arlesheim. Die Frostschutzcréme
sei in den Kriegszeiten von verschiedenen Stellen der Wehrmacht
für deutsche Soldaten bestellt worden, «um diese an der Front vor
starkem Kälteeinfluss zu schützen». Rascher habe die Créme in seiner
Funktion als Wehrmachtsoffizier bestellt und an seine Münchner Privatadresse
liefern lassen, ohne zu sagen, wofür er sie brauche. «Über die menschenverachtende
Verwendung war die Geschäftsleitung nicht informiert», versichert
Aebersold. Weleda verurteile und bedaure die Menschenversuche zutiefst.
Die Stellungnahme der Firmenleitung genügt
Althof nicht: «Das Unternehmen soll sich ihrem Nichtwissen stellen
und einen konkreten Tatbeweis ihres Bedauerns liefern.» Aebersold
sieht jedoch kein Bedürfnis nach Wiedergutmachung. Doch werde jetzt
ein Historiker gestützt auf die Weleda -Archive - eine umfassende
Darstellung der Vorgänge abliefern. Iso Ambühl
Anmerkung AKdH: Die Aktion Kinder
des Holocaust hat nie eine finanzielle Wiedergutmachung von Weleda
gefordert! Die folgenden 2 Forderungen wurden in einem Schreiben
der Aktion Kinder des Holocaust an WELEDA gestellt:
1. WELEDA soll die eigene Firmengeschichte in der Zeit des Zweiten
Weltkrieges von unabhängigen Historikern erforschen lassen und die
Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich machen.
2. Die Aktion Kinder des Holocaust fordert WELEDA auf die Lieferung
von WELEDA an die Deutsche Wehrmacht sowie an den KZ-Arzt Rascher
gesamthaft und eindeutig zu verurteilen und dazu unmissverständlich
Stellung zu beziehen.
Nachdem WELEDA sich bei der AKdH schriftlich
für die oben beschriebenen Vorgänge entschuldigte und
distanzierte und der Universität Basel (Historisches Seminar)
die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Untersuchung (öffnung
der Archive) zugesichert hat, betrachtet die AKdH diese Angelegenheit
als erledigt.
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