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Anthroposophie-Debatte geplatzt
Die für gestern Abend von linken Parteien
geplante Informationsveranstaltung zum Thema «Antisemitismus,
Rassismus und Sexismus in der Anthroposophie?» wurde überraschend
kurzfristig abgesagt.
Basler Zeitung 8. September 1999 cf.
Das Thema ist heikel. Und offensichtlich lässt
sich kaum darüber sprechen. Zumindest nicht öffentlich oder halböffentlich,
wie dies an einer Veranstaltung, welche die Basler Linke (Basta,
Grüne Partei, SP Basel-Stadt und Frauenliste) zusammen mit der Aktion
Kinder des Holocaust organisiert hatte, geplant war.
Eingeladen war der deutsche Journalist und
Politologe Peter Bierl, der über die «Wurzelrassenlehre Rudolf
Steiners - Das zentrale Element des anthroposophischen Rassismus»
referieren wollte, sowie Ekkehard Stegemann, Professor an der Theologischen
Fakultät der Uni Basel und Präsident der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft.
Sein Thema: «Antijüdische Stereotypen in der anthroposophischen
Tradition - Fragezeichen?» Moderieren sollte das Gespräch
Ständerat Gian-Reto Plattner. Doch zu einem Gespräch kam es nun
gar nicht.
Die Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt.
Die Aktion Kinder des Holocaust sagte bereits in ihrer Presseerklärung
vom 6. September ihre Teilnahme an der Veranstaltung ab. Aber nicht
nur die Aktion Kinder des Holocaust zog sich aus der Veranstaltung
zurück, auch Peter Bierl liess sich entschuldigen. Der Grund ist
bei beiden der «nachnominierte» Stefan Leber. Leber
ist Mitglied im Vorstand des Bundes der Waldorfschulen und Verfasser
des Werkes «Anthroposophie und Waldorfpädagogik in den Kulturen
der Welt». Darin schreibt Leber Sätze wie: «Das
des Schwarzen mit seiner stoffwechselhaften, bewegungsfähigen Natur
wird nur scheinbar abschätzig beurteilt (bei Steiner, Anm. d. Red.):
in Wirklichkeit erweist es sich als Überlegenheit und Vorzug, nämlich
als Schutz vor dem Fall in den Materialismus und damit auch den
Sozialdarwinismus, dem der Weisse leicht erliegt.»«Solche
und ähnliche Auffassungen sind für mich», so Bierl, «nicht
diskussionsfähig. Über die angeblich besondere Triebnatur von Schwarzen
kann ich auch in München an jedem Stammtisch diskutieren.»
Leber wurde von Gian-Reto Plattner als Vertreter
der anthroposophischen Seite und hinsichtlich eines kontradiktorischen
Gespräches eingeladen. Gegenüber der BaZ bedauert Plattner, dass
ein aufgeklärtes Gespräch zwischen den Podiumsteilnehmern offenbar
unmöglich sei. Die in diesem Zusammenhang von einem der Podiumsteilnehmer
getroffene Feststellung, man könne «nur über, nicht mit»
der Gegenseite reden, hält Plattner für diskriminierend und undemokratisch.
Er sieht sich inskünftig ausserstande, Gespräche zwischen «zerstrittenen
Gruppen» zu leiten. Er vertritt jedoch die Ansicht, dass die
Werke Rudolf Steiners und seiner Exegeten nach dem entsetzlichen
Ereignis der Shoah nicht mehr ganz so unbefangen interpretiert werden
könnten: «Eine offene und für Öffentlichkeit transparente
Auseinandersetzung mit der gegen diese Werke vorgebrachte Kritik
scheint mir», so Plattner in einer Medienerklärung, «im
Eigeninteresse der in unserer Region unbedrängt lebenden und stark
verwurzelten anthroposophischen Bewegung zu liegen.»
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