buecher.de wirbt mit rechtem Titel

Verbotenes Buch ist Lieblingslektüre von Thomas Berthold

Von Jutta Heeß 3Sat Kulturzeit 30. Juni 1999

Sein Konterfei sowie der handgeschriebene Zettel sind auf der Anzeige des Online-Anbieters abgebildet - abgedruckt unter anderen im Spiegel. Auch andere Prominete haben für buecher.de ihre literarischen Neigungen preisgegeben - Otto Graf Lambsdorff, Hera Lind und André Kostolany. Alle werben sie für den Münchner Internet-Buchhändler.

Die Anzeige mit Thomas Berthold hat es jedoch in sich. Auch er nennt sein Lieblingsfachbuch: “Die Geheimgesellschaften des 20. Jahrhunderts” von Jan van Helsing. Sehr bedenklich, ein Buch mit antisemitischen Inhalten zu empfehlen! Denn in den “Geheimgesellschaften” wird auf 700 Seiten u.a. vor der “jüdischen Weltverschwörung” gewarnt und der Holocaust geleugnet.

Kurz nach seinem Erscheinen 1995 wurde das Buch von der Staatsanwaltschaft Mannheim verboten. Die Restbestände wurden beschlagnahmt und gegen den Autor und seinen Verleger ein Strafverfahren wegen Volks- verhetzung eingeleitet. Allerdings hatte sich der heute 33jährige Jan van Helsing bereits eine große Fangemeinde gesichert - “Die Geheimgesellschaften” verkauften sich bis dahin bereits über 100.000 Mal.

Der buecher.de-Steckbrief von Thomas Berthold Und nun, knapp vier Jahre später wirbt buecher.de via Thomas Berthold für diese Schrift. Die große Empörung blieb bislang aus, lediglich die Aktion “Kinder des Holocaust” verlangte eine Erklärung von den Verantwortlichen. Per e-mail wies Georg Heusgen, Mitglied des Vorstandes von buecher.de, darauf hin, daß die Angaben in den Inseraten die persönliche Ansicht der befragten Personen sei und nicht die Meinung der Redaktion widerspiegele. Auch sei das Buch nicht käuflich bei buecher.de zu erwerben - das ist weder ein Zeichen für geschickte Werbestrategie (“buecher.de, weil ich da die beste Auswahl habe”) noch läßt es - was weitaus schlimmer ist - auf eine gründliche Kontrolle der Anzeigeninhalte schließen.

“Sollten wir durch die Anzeige, einzelne Personen, Personengruppen oder Volksgruppen verletzt haben, so entschuldigen wir uns ausdrücklich”, schrieb Heusgen weiter und versprach, die Anzeige aus dem Druck zu nehmen. Dieses Abschieben der redaktionellen Verantwortung auf die Werbeträger reicht der Aktion “Kinder des Holocaust” nicht aus: “Gemeinsam mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes überlegen wir, eine Strafanzeige gegen buecher.de einzureichen”, erklärt Samuel Althof im Namen der “Kinder des Holocaust” gegenüber Kulturzeit.

Eine Kette von Unachtsamkeiten machte es möglich, die umstrittene Anzeige überhaupt zu veröffentlichen. Scheinbar bemerkte niemand, daß Thomas Berthold eine Schrift mit faschistischem Inhalt in den Fragebogen eintrug. Abgesehen von der Nachlässigkeit der Verantwortlichen bei buecher.de fragt man sich, ob nicht auch der Spiegel - der sich ja bekanntlich den investigativen Journalismus auf die Fahnen schreibt - etwas aufmerksamer und vorsichtiger beim Abdruck von Anzeigen sein sollte.

 

 
 
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