Das Verbot des Schwarzbuch Anthroposophie
Ein Beispiel für Zensur durch Religionsgemeinschaften
aus: Die Zeitung des AStA der Universität zu Köln, 6. Oktober 1997
Bei der Bewertung der Gefährlichkeit
von Sekten wird teilweise mit kuriosen Kriterien gearbeitet -die
einen sehen angesichts der "Scientology"-Präsenz
Hannibal ante portas. Andere, mindestens genauso dubiose und antihumanistische
Lehren werden hingegen mit öffentlichen Mitteln großzügig
gefördert, schaffen es, ihre AnhängerInnen in allen Bundestagsparteien
unterzubringen und kritische Veröffentlichungen über sich
zu unterdrücken: Die Rede ist von der Anthroposophie und von
den SteinerinanerInnen.
Die Lehre
Rudolf Steiner (1861-1925) war ein bekennender
Antisemit, Rassist, Deutschnationaler und okkultistischer Spinner.
Konsequent unterstützte Steiner den deutschen Imperialismus
im 1. Weltkrieg. Er pries den Krieg als Lehrmeister der "Spiritualität"
und der "Selbstlosigkeit". 1921 verfaßte er einen
Aufruf zur "Rettung Oberschlesiens".
Er war der Gründer der Anthroposophie.
Alle anthroposophischen Einrichtungen (z. B. Waldorf-Schulen, Weleda-Werke,
Demeter) und Anhänger-Innen berufen sich auf seine Bücher
und Lehren. Das gilt zumindest in der BRD; der Bundesvorstand der
niederländischen Anthros hat sich 1996 mehrheitlich von den
rassistischen Äußerungen des Meisters distanziert.
Die Anthroposophie versteht sich als eine
Elitetheorie, als ein geheimes Wissen, das Eingeweihten den Kontakt
zu höheren Geistwesen" verschafft. Zwischen Menschen verschiedener
Bewußtseinsstufen herrsche daher eine natürliche Hierarchie.
Zentrale Dogmen der Anthroposophie sind die Lehre von der Wiedergeburt
und von der Existenz von Engeln, die den Menschen führen. Die
anthroposophische Reinkarnationslehre ist ein glitschiger Saumpfad
in den Abgrund der nazistischen Auschwitzlüge. Auf einem Vortrag
mit dem Titel Holocaust und Reinkarnation" im Goetheanum, dem
Hauptquartier der SteinerianerInnen war zu hören: Die körperliche
Wiedergeburt sei eine von "mannigfachen Konsequenzen, die aus
der Notwendigkeit erwüchsen, Leiden, die man anderen zugefügt
habe, am eigenen Leib zu erfahren" (Wassermann Nr. 4/97, S.
13). Und darum kehren Juden immer wieder auf den irdischen Planeten
zurück, um "Heilungsarbeit für die Erde zu leisten."
Der Streit um das Buch
Die Ankündigung eines "Schwarzbuch
Anthroposophie - Rudolf Steiners okkult-rassistische Weltanschauung"
von Guido und Michael Grandt mit einer Fülle von Dokumenten
über und Berichten von Opfern systematischer Menschenrechtsverletzungen
in Waldorfschulen drohte Anfang `97 die Idylle der AnthroposophInnen
zu stören. Sofort begann eine publizistische und juristische
Kampagne, an der an führender Stelle die anthroposophische
Zeitschrift INFO 3 beteiligt war, um das Erscheinen des Buchs in
der BRD zu verhindern.
In der Weltwoche versuchten Steiners Verteidiger
die Nähe der Anthroposophie zum NS-Faschismus zu leugnen: Einzelne
Schulleiter hätten sich "angepaßt". Tatsächlich
gibt es einen offiziellen Brief der Anthroposophischen Gesellschaft
an Hitler. Dort wird auf die eigene Kompatibilität mit den
"Werten" des NS-Systems verwiesen, denn auch Steiner sei
"arischer Abstammung" und habe sich für das "Deutschtum"
engagiert. Am 6. Juni 1933 bekannte das Vorstandsmitglied G.Wachsmuth,
daß die "Anthroposophen mit Sympathie auf das schauen,
was z. Zt. in Deutschland geschieht" und wie die Führer
des "neuen Deutschland" sich auf tapfere und mutige Weise"
der Probleme bemächtigen. Zu finden sind diese und mehr belastende
Dokumente im besagten Schwarzbuch; diese Enthüllungen über
die "menschenfreundliche" Lehre wären wohl äußerst
peinlich geworden.
Ein Eigentor schossen die Buchverbieter in
der Weltwoche vom 3.4.1997 (Autor: L. Hartmann). Zuerst zitierten
sie Steiners Tiraden über das "starke Triebleben der Neger"
und kolportierten seine Warnung, wonach "schwangere weiße
Frauen" keine "Negerromane" lesen sollten, weil sie
sonst Mulattenkinder gebären würden". Aber - so die
rhetorisch gemeinte Frage - ist Steiner deswegen Rassist?".
Tatsache ist, daß es sich bei Steiner
nicht um "rassistische und antisemitische Entgleisungen"
handelt, sondern seine Lehre basiert im Kern auf der Wahnidee von
den "menschlichen Wurzelrassen", die in verschiedenen
Etappen der Geschichte aufgetreten seien. Dabei sei eine "Höherentwicklung
vom Affen über den Neger" bis zum Arier vollzogen worden,
letzterer stelle die höchste menschliche Entwicklungsstufe
dar.
Die wertvollste Unterstützung für
die Steinerianer kam übrigens von der TAZ, die regelmäßig
Sonderseiten zur Anthroposophie veröffentlicht und die viele
ihrer Einrichtungen zur Stamm-Anzeigenkundschaft rechnet. Die TAZ
(5.2.1997) traute sich seinerzeit zwar nicht, direkt die dokumentierten
Fakten über Steiners Rassismus zu leugnen. Aber man versuchte,
die Kritik durch Übertreibung zu karikieren ("Ein Gruselhandbuch").
Waldorfpädagogik - eine Qual für
Kinder
Durch viele Dokumente und Berichte von ehemaligen
Opfern der Waldorfschule gibt das Schwarzbuch einen Überblick
über die systematischen psychischen Schädigungen und die
Mißhandlungen, die durch die Anwendung der Steiner-Religion
auf die praktische Pädagogik bewirkt werden. Steiners Rassismus
hat vollständig Eingang in den Unterricht genommen: Im sogenannten
Epochenunterricht (gemäß des zyklischen Weltbildes der
Anthros) wird die Abfolge der "Wurzelrassen im Weltenplan"
gelehrt und das Auftreten von Göttern, Dämonen und die
Heldensagen als Realereignisse gelehrt. Im 5. und 6. Schuljahr steht
der Mythos des versunkenen Atlantis" auf dem Lehrplan samt
der darauffolgenden Wanderungen der "Arier" bis nach Indien
und zu ihren "Gott Manu". Dessen Gesetzbuch schreibt u.
a. grausame Strafen für die widersetzlichen Angehörigen
niedriger Kasten vor; Frauen müßten in Manus Lehre unterworfen,
gezüchtigt und gedemütigt werden.
Zwar ist es den Anthros nicht gelungen, die
Ausstrahlung eines kritischen Filmbeitrags der Brüder Grandt
verbieten zu lassen. Nachdem der Verlag in der zweiten Instanz des
gegen ihn angestrengten Prozesses einige Stellen im Buch schwärzen
mußte (und die Dokumentation in dieser Form im Buchhandel
legal weitervertrieben werden konnte) stellte er den Vertrieb ein.
Schade, denn es hätte trotz einiger Schwächen dazu beitragen
können, eine breitere Öffentlichkeit über die abstrusen
Wahnvorstellungen Rudolf Steiners aufzuklären und den "geheimen
Lehrplan" der beliebten Waldorfschulen aufzudecken.
Und das wäre nötig: Die Anthro-Einrichtungen
erhalten reichlich öffentliche Unterstützung. In NRW wird
gar eine ganze private Hochschule (Witten-Herdecke) vom Land mit
Millionenbeträgen gesponsort - übrigens die einzige Hochschule
in NRW mit Studiengebühren! An manchen erziehungswissenschaftlichen
Fachbereichen gehört die Waldorfpädagogik zu den anerkannten
Ansätzen. Und Waldorfschulen erhalten von städtischen
Verwaltungen oft eine bevorzugte Behandlung (z. B. in Köln).
Wer mehr Kritisches über die anthroposophische
Erziehung lesen möchte, der/dem sei z. B. Wie frei ist die
Waldorfschule" von Paul Albert Wagemann empfohlen. Das zensierte
Buch von G. und M. Grandt kann im Ökologiereferat des Uni-AStA
eingesehen werden, der Konflikt ist von Peter Bierl dokumentiert
in ÖkoLinX Nr. 26.
Dieter Asselhoven (Alternative Liste), Ökologiereferat
AStA Uni Köln
* Schwarzbuch Anthroposphie, Guido und Michael
Grandt; Verlag Ueberreuther, Wien 1997
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