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Rechtsextremismus:
Sie treten wie Skinheads auf, wollen sich jedoch nicht
öffentlich als solche bezeichnen. Sie tragen Stahlkappenschuhe,
um sich «im
Notfall» zu verteidigen: gegen Ausländer, denen sie
zeigen wollen, dass die
Schweiz sie nicht braucht. Von
Regula Wenger
QU: Basellandschaftliche Zeitung, 31. August 2002
Röschenz.
Als «sehr rechts» beschreibt sich eine 15-köpfige
Gruppe
Jugendlicher aus Röschenz. T. und S. (Namen der Redaktion
bekannt) sind 18
und 16 Jahre alt und bezeichnen sich gegenüber der bz als
«Laufentaler
Patrioten».
bz:
Warum habt ihr euch an unsere Zeitung gewandt?
T.: Es gab einen negativen Bericht in der Presse über Rechte
und Skinheads
in Röschenz. Wir wollten einmal darauf hinweisen, dass wir
Schweizer auch
Probleme mit Ausländern haben.
Wer seid ihr denn und was unternehmt ihr zusammen?
T.: Wir sind Laufentaler Patrioten. Wir machen Feste im Wald,
laden andere
dazu ein. Wir grillieren dort, hören Musik und saufen.
Sind das immer die gleichen Leute mit der gleichen Gesinnung?
T.: Ja, wir denken alle gleich. Wir lassen uns nicht unterdrücken
von den
Ausländern, die in die Schweiz kommen. Wir lassen uns nicht
alles gefallen
von ihnen. Sie sollen sich uns anpassen und nicht umgekehrt.
Habt ihr selber Kontakt mit Ausländern?
T.: Ich bin mit einem Türken in die Schule gegangen. Aber
er zieht sich
normal an, nicht mit Goldkettchen. Er spricht auch Schweizerdeutsch
wie
seine ganze Familie. Wenn ich ihn sehe, komme ich gut mit ihm
aus. Sonst
verstehe ich mich mit keinem.
Hast du es denn versucht?
T.: Ja, ich bin mit mehreren in die Schule gegangen.
Was heisst für euch anpassen?
T.: Die Frauen mit ihren Kopftüchern stören mich. Die
Ausländer können nicht
richtig Deutsch, laufen in Gruppen rum und machen die Leute blöd
an.
Inwieweit provoziert dich denn eine Frau mit Kopftuch?
T.: Wenn ich gleich vier Stück mit Kopftuch sehe, denke ich,
dass sie sich
in der Öffentlichkeit anpassen sollten. S.: In ihrem Land
müssen wir
uns auch an sie anpassen.
Ihr lauft auch nicht gerade angepasst rum.
S.: Wir sind früher auch anders rumgelaufen. T.: Aber
sobald man in Laufen ist, gerät man in Konflikte rein. Wenn
man dorthin
geht, kommen sie und machen deine Kollegen blöd an. Mein
Bruder ist eher
links, hat längere Haare und kifft. Auch er wurde von Ausländern
angepöbelt.
Als er sich wehrte, schlugen sie ihn zusammen. Solche Sachen hört
man die
ganze Zeit. S.: Wir suchen den Streit nicht. Wir gehen ihm aus
dem Weg.
Was unternehmt ihr denn, um Konflikte zu vermeiden?
S.: Wir gehen nicht mehr in Laufen in den Ausgang. T.: Wir
haben auch keine Lust mehr dazu.
Und wenn es zu einem Konflikt kommt: Versucht ihr zuerst zu
reden?
S.: Reden nützt nichts. Die kommen und schlagen drein.
Diesen Ruf habt aber ihr.
T.: Das wird eben von den Medien so weitergegeben. Alle denken,
dass wir so
Schlimme sind. Es gibt sicher solche, aber in unserer Gruppe nicht.
Und wenn ihr euch dann prügelt: Habt ihr Spass dabei?
T.: Kommt darauf an. Ohne Grund mache ich es nicht. Aber wenn
einer meinem
Kollegen ohne Grund die Schnauze poliert, hau ich auch gerne rein.
Das tönt nach viel Aggression.
S.: Innerlich ja. Wenn ich zum Beispiel am Bahnhof einen Ausländer
mit
Goldkettchen sehe, der meint, er sei der Grösste, dann denke
ich: Der soll
verschwinden. Aber ich gehe nicht zu ihm und sage ihm «Scheiss-Ausländer».
Was für Gefühle habt ihr gegenüber Ausländern?
T.: Wenn ich sie rumhocken sehe, dann spüre ich Hass in mir.
Würdet ihr euch selber als Rassisten bezeichnen?
S.: Türken sind auch Rassisten, wenn sie «Scheiss-Schweizer»
sagen.
Und ihr selber?
S.: Inwiefern Rassist?
Denkt ihr, dass bestimmte Menschentypen oder auch Völker
in Bezug auf ihre
kulturelle Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus überlegen
sind?
S.: Nein, das denke ich nicht. T.: Ich auch nicht.
Und warum grinst ihr dabei?
S.: Vielleicht sind wir schon ein wenig rassistisch. Wir haben
Vorurteile.
Vorurteile könnte man abbauen.
S.: Ich denke halt so. Solange man es nur denkt, macht man ja
niemandem
etwas.
Was wollt ihr mit eurem Äusseren mit kahlgeschorenen
Köpfen, Bomberjacken,
Stahlkappenschuhen aussagen?
T.: Die Ausländer sollen sehen, dass sie nicht überall
herzlich willkommen
sind. Es muss auch Leute geben, die sagen: Euch brauchen wir hier
nicht.
Werdet ihr in Röschenz wegen eurem Auftreten kritisiert
oder erfahrt ihr
auch Zustimmung?
T.: Es kommt darauf an. Viele alte Leute denken gleich wie wir,
nur zeigen
sie es nicht. Wir sind auch schon in die Beiz gegangen und die
Leute
dachten: «Was sind denn das für Schläger?».
Dann trinken wir zusammen und
haben es am Schluss lustig zusammen.
Ihr tragt alle Stahlkappenschuhe. Für was braucht ihr
die?
T.: Für die Arbeit. Wenn man im Metallbau arbeitet, muss
man Schuhe mit
Stahlkappen tragen. Wenn ich in den Ausgang gehe, muss ich meine
Schuhe ja
nicht wechseln. S.: Und vor allem darum: Ein Türke hat ein
Messer im Sack, und wir haben die Stahlkappenschuhe. Wenn es zu
einer
Schlägerei käme, würden wir sie schon benutzen.
Aber wir haben sie noch nie
eingesetzt.
Ihr tretet wie Skinheads auf. Seid ihr Skinheads?
S.: Nein, wir sind Patrioten.
Was bedeutet es, ein Patriot zu sein?
T.: Stolz auf die Schweiz zu sein und sich von Ausländern
nicht alles
gefallen zu lassen. S.: Skinheads heisst übersetzt:
gewaltbereite Jugendliche. Und das sind wir ja nicht.
Doch, gewaltbereit seid ihr schon.
T.: Ja, aber nur, wenn einer von uns angegriffen wird. Wir sind
bereit zur
Verteidigung. Wir hauen nicht ab. S.: Skinheads sind nicht stolz
auf
ihr Land. Die wollen eine weltweite Organisation aufbauen. Skinheads
gibt es
ja nicht nur in der Schweiz. Wir wollen nur mit unserem Land zu
tun haben.
Habt ihr Kontakt mit Skinheads?
T.: Vielleicht schon. S.: Ja, wir kennen ein paar.
Geht ihr an gemeinsame Treffen?
(Grinsen)
Was ist mit dem Hitlergruss?
T.: Ich mache höchstens den Rütlischwur (hebt den Arm
und spreizt den
gestreckten Zeige- und den Mittelfinger).
Was sind für dich die Unterschiede zwischen Patrioten
und Skinheads?
S.: Bei den Skinheads hat es mit der Nazizeit zu tun. Darum geht
es uns
nicht. Damit wollen wir nichts zu tun haben.
Wie denkt ihr über die nationalsozialistische Zeit?
T.: Es war schon Scheisse. S.: Das interessiert mich gar nicht.
Ihr habt also Kontakt mit der Skinhead-Szene. Die haben ein
geschlossenes
Weltbild. Manchmal werden sie auch mit einer Sekte verglichen.
Wie erlebt
ihr das?
S.: Unter einer Sekte verstehe ich etwas anderes. T.: Es
ist eine Bewegung, und wenn man dabei ist, hat es vielleicht einen
Grund.
Wenn man nicht in einer extremen Vereinigung ist, kann man auch
wieder
austreten.
Welches Ziel hat diese «Bewegung»?
T.: Sie hat das Ziel, dass die Länder rein bleiben.
Rein?
T.: Dass es weniger Ausländer hat.
Das ist auch euer Ziel?
T.: Für die Schweiz sicher, ja. S.: Rein geht ja nicht. Aber
Ausländer, die sich danebenbenehmen und kriminell werden,
sollte man
ausweisen. T.: Aber es gibt auch Ausländer, die wir brauchen.
Zum
Beispiel Tamilen: Die arbeiten gut und maulen auch nicht rum.
Bei uns in
Röschenz gibt es einen Tamilen, der arbeitete und ausgeschafft
werden
sollte. Das ganze Dorf hat sich dann für diesen Tamilen eingesetzt.
Solche
Leute sollten bleiben können. Aber die, die nur rumhängen...
Sie haben ja
nichts zu tun, und dann kommen sie auf schlechte Ideen, verkaufen
Drogen und
solchen Scheiss.
Gibt es nicht überall schwarze Schafe?
S.: Sicher. T.: Aber man spürt heraus, dass es von diesen
mehr schwarze Schafe gibt.
Seid ihr euch bewusst, dass ihr auch Schweizern Angst macht
mit eurer
Gesinnung und eurem Auftreten?
T.: Ja, das haben wir auch schon gemerkt. Aber wir haben nichts
gegen
Schweizer. Die merken das, wenn sie uns kennenlernen.
Naja, ihr wirkt nicht gerade einladend.
S.: Die haben uns gegenüber halt Vorurteile. T.: Wir
wollen ja gar nicht, dass man auf uns zugeht. Wir möchten
unter uns bleiben,
weil wir gleich denken und Spass zusammen haben. S.: Seit
einiger Zeit gehen wir in ein Pub. Dort hatte man am Anfang auch
Vorurteile
gegen uns. Jetzt kommen wir dort mit allen gut aus.
Haben dort alle die gleiche Gesinnung?
T.: Nein. Aber es gibt dort keine Ausländer.
Was macht euch denn am meisten Freude?
T.: Wenn wir ein geiles Fest haben.
Sind Ausländer dann immer ein Thema?
T.: Sie sind sicher ein Thema. Das ist nämlich das, was mir
am meisten
stinkt. S.: Mir macht Sorgen, dass es immer mehr werden.
Seht ihr Einwanderer auch als Chance für die Schweiz?
T.: Es gibt sicher solche, zum Beispiel Krankenschwestern aus
Ungarn. Es
gibt nicht genug in der Schweiz, die das machen wollen. Den Ungarinnen
gönne
ich diese Chance. Aber ich bin nicht für Ausländer,
die hierher kommen und
uns ausnützen.
Der Schweiz geht es ja sehr gut im Vergleich mit anderen Ländern.
Wir hätten
die Möglichkeit, anderen zu helfen.
T.: Wir helfen genug. Die Schweiz hat Afrika alle Schulden erlassen.
S.: Die dort drüben sind selber schuld. Sie bekriegen sich
gegenseitig.
Warum seid ihr als «Laufentaler Patrioten» so stolz
auf die Schweiz?
T.: Wegen der Leistungen, die wir erbringen. Das Land ist wunderschön
und
sicher. Eigentlich. S.: Früher waren wir stolz. Und heute
immer
noch auf die Innerschweiz. Aber auf Basel sind wir nicht mehr
stolz wegen
der Ausländer, aber auch der Schweizer, die dort am Bahnhof
Drogen
verkaufen.
Würdet ihr euch in der Innerschweiz wohler fühlen?
T.: Es hat weniger Ausländer dort.
Im Internet war für kurze Zeit eine Seite von «Laufentaler
Patrioten»
aufgeschaltet. Ist das eure Seite?
S.: Nein, wir haben nichts gemacht. Ich weiss ja nicht mal, wie
das geht.
Aber ihr nennt euch doch «Laufentaler Patrioten».
T.: Wir haben nichts damit zu tun.
Es handelt sich bei den Urhebern der Seite nach eigenen Angaben
um Personen,
die «die Schnauze voll haben, im eigenen Land nicht mehr
sicher zu sein».
T.: Stimmt ja. Eine alte Frau traut sich ja nicht mal mehr an
den Bahnhof in
Laufen. Da wird sie überfallen.
Auf der Internet-Seite waren auch rassistische Witze zu lesen.
Was haltet
ihr von solchen Sprüchen?
T.: Sie können schon lustig sein.
Steht ihr einer politischen Gruppierung nahe?
S.: Kann sein. Das muss ich ja nicht sagen.
Werdet ihr mal einer Partei beitreten?
S.: Vielleicht bin ich ja schon.
Kannst du nicht dazu stehen?
T.: Wir wollen nichts dazu sagen.
Habt ihr in der Schweiz ein Vorbild?
S.: Vielleicht schon. Ich habe vergessen, wie er heisst
T.:
(nennt einen Namen, nimmt ihn wieder zurück) Schreiben Sie
das nicht. Wir
wollen keine Namen nennen.
Wie stehen eure Eltern zu eurem Auftreten?
S.: Am Anfang hatten sie vielleicht schon Stress damit. Aber es
ist mein
Leben, nicht ihres. Ich hatte schon viele Diskussionen mit ihnen.
T.: Sie verstehen es nicht, weil sie älter sind. Wir haben
Konflikte mit
jungen Ausländern, sie nicht.
Ihr sagt, ihr geratet vor allem mit Ausländern der zweiten
Generation, mit
«Secondos», in Konflikt. Habt ihr eine Idee, wie man
das ändern könnte?
S.: Wir wehren uns ja nur und können uns nicht alles gefallen
lassen.
Ihr könntet euch ja mal zusammensetzen und reden.
T.: Ich will mit ihnen nichts zu tun haben. Die interessieren
mich nicht.
Wir mögen sie nicht. Sie mögen uns nicht. Das wird immer
so sein.
Könntet ihr euch vorstellen, euch in eine Ausländerin
zu verlieben?
S.: Nein. T.: In eine Schwedin oder Holländerin schon.
In eine vom Balkan sicher nicht.
Und wenn es eine «angepasste» Ausländerin
wäre?
T.: Ohne Kopftuch? Ich glaube nicht.
«Wir
behalten die Laufentaler Patrioten im Auge»
Röschenz.
Der Begriff «Laufentaler Patrioten» sei ihm neu, erklärt
René
Merz, Gemeindepräsident von Röschenz und Präsident
der Baselbieter CVP. Doch
er kann sich vorstellen, wer damit gemeint ist. «Diese Jugendlichen
fallen
vor allem durch ihren übermässigen Alkoholkonsum auf.
Von politischen
Aktivitäten ist mir jedoch nichts bekannt.»
Dass sie rechtsextremem Gedankengut nicht abgeneigt sind, überrascht
Merz
nicht. Es gebe in Röschenz wie auch andernorts immer wieder
derartige
Gruppierungen. «Sie wollen provozieren und auffallen. Das
ist eine Phase der
Entwicklung. Man könnte es Ðpostpubertärð nennen.»
Bagatellisieren dürfe man
die ganze Sache jedoch nicht. «Wir werden das Thema weiterhin
beobachten.»
Es komme rund um die Zentrumsgemeinde Laufen immer wieder zu
Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppierungen, meint
Merz. «Als
Behörde kann man jedoch nicht ohne konkreten Anlass mit repressiven
Massnahmen reagieren. Wir wollen verhältnismässig und
vor allem präventiv
aktiv sein.»
Der Gemeindepräsident weist darauf hin, dass es nur ein paar
Röschenzer
Jugendliche seien, die so aufträten und sich lautstark in
Szene setzten.
Daraus solle man nicht auf die überwiegende Mehrheit schliessen.
«Ausserdem
haben wir in Röschenz für Laufentaler Verhältnisse
idyllische Zustände und
sicher kein Ausländerproblem: Unser Ausländeranteil
beträgt 6,8 Prozent. Als
Vergleich: Grellingen hat einen Anteil von 28,7 Prozent.»
Die Szene ist stetigen Wechseln unterworfen
Die Baselbieter Polizei weiss von der Existenz der «Laufentaler
Patrioten».
Im ganzen Kanton seien ihr etwa 80 Personen bekannt, die sich
im
«Dunstkreis» der rechtsextremen Szene bewegten, sagt
Barbara Umiker. «Diese
Szene ist aber stetigen Wechseln unterworfen und alles andere
als homogen»,
erklärt die Sprecherin der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion.
Ob es sich bei den «Laufentaler Patrioten» um Skinheads
oder «nur» um
Patrioten handelt, hält Barbara Umiker nicht für entscheidend.
«Wichtig
scheint uns, dass nicht alle Rechtsextremen Skinheads sind. Und
nicht jeder,
der Springerstiefel und eine Glatze trägt, ist ein Skinhead.»
Ausschlaggebend sei, ob gegen die Rechtsordnung gehandelt werde.
Erst bei
Verstössen gegen Leib und Leben oder gegen die Antirassismus-Gesetzgebung
würde die Polizei einschreiten. «Ansonsten behalten
wir die ÐLaufentaler
Patriotenð im Auge.» Aber es sei der erklärte Wille
des Regierungsrates,
keine extremen Szenen im Kanton zu dulden.
Anti-Rassismus-Bestimmungen wurden nicht verletzt
Eine Waldhütte, die von den «Laufentaler Patrioten»
regelmässig aufgesucht
wird, hat die Baselbieter Polizei zum Missmut der Jugendlichen
bereits
durchsucht. Dabei ist nichts Wesentliches gefunden worden. Die
beschlagnahmten Gegenstände habe man den Besitzern wieder
ausgehändigt, sagt
Barbara Umiker. «Verletzungen der Anti-Rassismus-Bestimmungen
wurden nicht
festgestellt.»
Die Baselbieter Polizei hat die Aufgabe, die Eltern schriftlich
darauf
aufmerksam zu machen, wenn ihr Kind durch eine rechtsextreme Gesinnung
aufgefallen ist. «Es stimmt, dass wir seit kurzem solche
Briefe
verschicken», bestätigt Barbara Umiker. Im Fall der
jungen Leute von
Röschenz müssten jedoch erst die Namen der Erziehungsberechtigten
bekannt
sein.
Fachleute befürchten, dass «rechts denkende»
Jugendliche von organisierten
Szenen wie der PNOS (Partei
National Orientierter Schweizer) rekrutiert
werden. Ob die PNOS Verbindungen ins Laufental hat, ist Umiker
nicht
bekannt. Auch komme es im Laufental nicht öfters als anderswo
im Baselbiet
zu Konflikten zwischen Schweizer und ausländischen Jugendlichen.
«Leider
gibt es im ganzen Kantonsgebiet solche Auseinandersetzungen, wobei
sich die
Gruppen auch durchmischen.»
Die viel diskutierte Frage, ob Rechtsextremismus bei Jugendlichen
eher ein
politisches oder ein soziokulturelles Phänomen ist, beschäftigt
auch Barbara
Umiker: «Es trifft wohl beides zu. Unsere Gesellschaft ist
zunehmend anonym,
technisiert und materialistisch ausgerichtet. Es fehlen Wärme
und Zuwendung,
und man nimmt sich in den Familien nicht mehr genügend Zeit
für einander.»
Gerade Jugendliche würden zwischen Ablösung und dem
Bedürfnis nach
Aufgehobensein schwanken und diese Erlebnisse in einer Gruppe
suchen. «Nicht
wegzudiskutieren ist aber auch die Tatsache, dass unsere politischen
Sitten
anders, der Umgangston rauer, aggressiver geworden sind. Es wird
mit
Feindbildern gearbeitet», bedauert Umiker. Leider würden
die Probleme und
deren Lösungen nicht mehr differenziert betrachtet. (rew)
«Ein
vereinfachendes Schwarz-Weiss-Weltbild»
Von
Regula Wenger
Basel. Samuel Althof von der «Aktion Kinder des Holocaust»
trifft in seiner
Arbeit auf Jugendliche wie T. und S.; zu seinen Aufgaben gehört
die
Extremismus-Prävention.
bz:
Samuel Althof, muss sich die Gesellschaft Sorgen über rechtsextreme
Tendenzen machen?
Samuel Althof: Die Gesellschaft sollte sich vielleicht über
ihre eigene,
etwas zu wenig ausdifferenzierte Wahrnehmung und Beurteilung bezüglich
des
Rechtsextremismus Sorgen machen. Jugendliche Skinheads und Neonazis
werden
oft mit Bildern, die unsere Generation vom Nationalsozialismus
hat,
identifiziert. Dies ist eine grosse Gefahr, denn daraus entstehen
zum
Beispiel Überreaktionen, wie es erst letzthin anlässlich
einer Veranstaltung
der PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) in Basel geschah.
Inwiefern wurde da überreagiert?
Die Partei organisierte im Kleinbasel eine geschlossene Veranstaltung,
an
welcher etwa 100 Personen der PNOS und deren Umfeld anwesend waren.
Die
Veranstaltung verlief ordnungsgemäss. Die Polizei marschierte
mit 70
Polizisten in Kampfmontur auf, Tränengaswerfer und Strassensperren
inklusive. Alle Teilnehmer wurden kontrolliert und fotografiert.
Dieses Vorgehen ist aus meiner Sicht kontraproduktiv, denn es
fördert das
von der rechtsextremen Szene gewünschte Märtyrertum
und die Opferrolle.
Damit wird die Polarisierung zwischen Rechts und Links gefördert,
denn
Linksextreme werden nicht in diesem Mass «kontrolliert».
Dieses Vorgehen
bedeutet für unsere Präventionsarbeit einen Rückschlag
von bis zu eineinhalb
Jahren. Die Präventionsgrundlagen wurden zerstört, denn
Kontakt ist die
Basis für Normalität.
Warum wird ein Jugendlicher rechtsextrem?
Nicht nur Rechtsextremismus, Extremismus überhaupt ist für
Jugendliche wegen
des hohen Provokationspotentiales interessant. Extremismus bietet
vereinfachende Schwarz-Weiss-Erklärungsmuster für eigentlich
komplexe
Fragen. Er vermag damit verunsicherte, schwache oder mangelnde
Identität
scheinbar und schnell zu stabilisieren.
Haben Sie Verständnis für den Unmut, den T. und S.
äussern?
Man muss die Ansichten der Jugendlichen auf jeden Fall sehr ernst
nehmen und
sie nach den Ursachen ihrer Erfahrungen oder Meinungen fragen.
Bestimmt gibt
es Ausländer, wie die Jugendlichen sie erwähnen. In
ihrer Verallgemeinerung
wird aber das erwähnte vereinfachende Schwarz-Weiss-Weltbild
deutlich. Es
wird ein Sündenbock kreiert, der für alles verantwortlich
gemacht wird.
Die Ausländer zweiter Generation würden sie ja auch
nicht mögen, sagen T.
und S. im Interview. Warum kommt es immer wieder zu Konflikten
zwischen
diesen Parteien?
Es handelt sich hier um eine Art «Territorialkonflikt»,
aber auch um ein
Identitätsproblem: Schwache Identitäten werden durch
klare Identitäten auf
ihren Mangel hingewiesen dies gilt für Schweizer ebenso
wie für Ausländer.
Aus der Abwehr entsteht der Hass.
Nehmen Prügeleien zwischen jugendlichen Rechten und jugendlichen
Ausländern
zu?
Aus meiner Sicht eher nicht. Es muss hier aber auch klar gesagt
sein, dass
ausländische Jugendliche ebenfalls gewalttätig sein
können. Gewalt ist ein
Problem, das nicht an eine Nationalität gebunden ist.
Sind die «Laufentaler Patrioten» Ihrer Meinung
nach Rassisten?
Ich würde sie nicht als Rassisten bezeichnen, denn bei ihnen
fehlt die
ideologische Programmatik; aber eine gewisse Neigung ist nicht
zu verneinen.
Sie könnten jedoch schnell zu Rassisten werden, wenn es einer
rechtsextremen
Partei gelänge, sie für sich zu gewinnen und mit dem
entsprechenden
rassistischen Wertemodell «Wir sind die Besseren White
Power»
auszustatten. Rekrutierungsversuche dieser Art beobachte ich bei
der PNOS.
Diese Jugendlichen aus Röschenz treten auf wie Skinheads,
bezeichnen sich
jedoch gegenüber der bz als «Laufentaler Patrioten».
Wie wichtig ist es,
zwischen diesen Begriffen genau zu unterscheiden?
Wenn die Jugendlichen für sich einen Unterschied machen,
so muss das ernst
genommen werden, denn nur sie haben das Recht, ihre Identität
zu bestimmen.
Man kann aber mit ihnen darüber diskutieren, was ein Skinhead
und was ein
Patriot ist.
Einige haben Angst vor diesen Jugendlichen, andere bezeichnen
sie als
«harmlose Lausbuben». Wo liegt die Wahrheit?
Ich würde sagen: so etwa in der Mitte. Gerade das Imponiergehabe
zeigt,
dass es meist nicht eigentlich um Gewalt geht. Vielleicht kann
man es so
verstehen: Je beeindruckender ich wirke, desto sicherer bin ich,
dass ich
jemand bin.
Sie machen mobile Jugendarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen,
die wohl
kaum daran interessiert sind, «umgepolt» zu werden.
Nein. Wer so etwas will und versucht, landet in einer Sackgasse.
Das wäre
psychische Gewalt und moralisch wie auch pädagogisch unglaubwürdig.
In den
Beratungen geht es darum, ihnen im kritischen Dialog die Möglichkeit
zu
geben, geschlossene Gedankengebäude zu öffnen. Indem
wir über alles mögliche
reden, gehen wir gegen Realitätsverlust und Vereinsamung
an.
Wie werden sich T. und S. entwickeln?
Das ist von sehr, sehr vielen Faktoren abhängig. Für
den einen kann die
Szene attraktiv bleiben, weil es ihm nicht gelingt, eigene Werte
aufzubauen,
andere lachen vielleicht bald über ihren jugendlichen Extremismus.
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