|
Antisemitismus
im Zensurkübel
QU: 15.02.02, "Volksstimme", Wochenzeitung der KPÖ
Alles über unsere Strafanzeige gegen Indymedia Switzerland
hier
Am 1. Februar reichte Samuel Althof im Namen der Organisation
Aktion Kinder
des Holocaust (AKdH) eine Strafanzeige
gegen Indymedia-Schweiz ein. Die
Diskussion um antisemitische Inhalte auf der Website der autonomen
GlobalisierungsgegnerInnen hat damit erstmals eine juristische
Komponente
erfahren. Seit Monaten waren auf den verschiedenen Websites des
weltweit
tätigen Indymedia-Netzwerks Postings mit antisemitischen
Inhalten zu lesen.
Insbesondere die Zeichnungen des brasilianischen Karikaturisten
Latuff, der
zuletzt eine Zeichnung mit einem jüdischen
Jungen in einem NS-Ghetto
dargestellt hatte, der in einer Sprechblase bekannte, Palästinenser
zu sein,
hatten immer wieder zur Kritik an Indymedia geführt.
Das Problem hat letztlich mit der Struktur von Indymedia also
"offenes"
Medienprojekt zu tun. Das in den USA entstandene Projekt hat immer
auf die
"free speach" der US-Linken großen Wert gelegt
und als wichtigstes
Veröffentlichungsprinzip das System der "open postings"
eingeführt.
Indymedia Österreich etwa besteht in seinem Selbstverständnis
auf einen
"generell offenen und transparenten Zugang, wodurch Indymedia
Austria zu
einer Plattform für all jene kritischen Meinungen wird, die
in den zunehmend
vereinheitlichten und monopolisierten Mainstream-Medien keinen
Platz mehr
finden." Dazu zählten in den letzten Monaten nicht nur
linke antisemitische
mails, sondern auch Propaganda islamistischer Gruppen und religiöser
FanatikerInnen. Alle Inhalte können unzensuriert auf der
Website abgeladen
werden. Erst nachträglich ist es möglich diese nach
begündeten Protesten
anderer UserInnen wieder hinauszulöschen. Dies hat nicht
nur eine
Dauerbeschäftigung antisemitismuskritischer Linker zur Folge,
sondern auch
die Möglichkeit antisemitische Postings stunden- oder gar
tagelang auf der
Website abzurufen, ehe die Indymedia-RedaktuerInnen davon überzeugt
sind,
daß diese gelöscht werden sollten.
In der Schweiz führte diese Vorgangsweise bereits im Herbst
zu massiven
Protesten einer Guppe von Personen, die sich auch mit linkem Antisemitismus
beschäftigt hatten. Als nach einem Cartoon von Latuff, der
die in den
Gehirnen von Antisemiten beliebte Mähr von der "jüdischen
Dominanz" in
Holywood zum Inhalt hatte und nicht von der Website gelöscht
wurde, am 3.
Dezember ein neuer Artikel auf switzerland.indymedia.org gepostet
wurde, der
antisemitische Verschwörungstheorien verbreitete und den
Holocaust als
Erfindung der Jüdinnen und Juden bezeichnet, riß der
Gruppe F.E.P.A. (Für
einen progressiven Antikpitalismus) endgültig die Geduld.
"Auch bei diesem
von rechtsextremem und geschichtsrevisionistischem Gedankengut
durchzogenen
Artikel brauchte es einen ganzen Tag lang Anstrengung, ein Ultimatum
mit
Androhung einer Klage wegen Verstoss gegen das Antirassismusgesetz,
und
einen persönlichen Besuch bis der Artikel wenigstens in den
Zensurkübel
gesteckt worden ist." so die F.E.P.A. in einer Erklärung
die der
kurzfristigen Lahmlegung der Website durch AktivistInnen der Gruppe
folgte.
Indymedia löschte aber auch nach dieser handfesten Kritik
diese Beiträge
nicht, sondern verschob sie nur in einen "Zensurkübel"
in dem die
Diskussionsforen, die die Kommentierung aller Indymedia-Artikel
erlauben,
weiterhin aktiv blieben und reichlich von AntisemitInnen zur Selbstbeweinung
genützt wurden.
Genau dagegen richtete sich die Kritik der "Aktion Kinder
des Holocaust",
sie seit Jahren aktiv gegen antisemitische Propaganda kämpft.
Schließlich
wußte sich Samuel Althof, der Sprecher der AkdH, nicht mehr
anders gegen
Indymedia zu helfen, als eine Anzeige nach dem Schweizer Antirassismusgesetz
gegen die MacherInnen von Indymedia-Schweiz einzubringen. Da die
Schweiz -
im Gegensatz zu Österreich - ein Antirassismusgesetz besitzt
nach dem auch
immer wieder RechtsextremistInnen, RassistInnen und AntisemitInnen,
darunter
der Obmann des Schweizer Vereins gegen Tierfabriken, Erwin Kessler,
verurteilt wurden, und der von der AKdH beanstandete Artikel von
der
offiziellen Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus bereits
als
"antisemitisch eingefärbt" beurteilt wurde, stehen
die Chancen nicht
schlecht, daß die Schweizer Behörden auch tatsächlich
gegen Indymedia aktiv
werden.
In den Diskussionsforen von Indymedia war die letzten Tage aber
keinerlei
Einsicht zu bemerken. (Linke) AntisemitInnen sahen sich in der
Anzeige einer
jüdischen Organisation nur in ihren Weltverschörungstheorien
bestätigt,
sahen Geheimdienste und Polizei hinter der AKdH und drohten "Verrätern"
mit
physischer Gewalt.
Thomas Schmidinger
http://www.kpoenet.at
|
|