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Ich
bin die Wiedergeburt
von Anne Frank
BASEL Sie
glaubt, sie sei die Wiedergeburt von Anne Frank. Barbro Karlén
schrieb sogar ein Buch über ihr Leben als Anne Frank.
Dass sie damit die Familie von Anne Frank vor den Kopf stösst,
kümmert sie wenig.
Siehe
weiter unten:
Woher wohin? Jüdische Runschau,
23.11.00
VON
MURIEL SPITZER
QU: Blick, 18. November 2000 |
Inserat:
Basler-Zeitung
22. November 2000
Veranstalter: Perseus Verlag Basel, Thomas Meyer
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Schon
als kleines Kind habe sie Bilder von Verfolgungsszenen gesehen,
behauptet Barbro Karlén.
Unter dem Pseudonym Sara Carpenter beschreibt Karlén ihre
angeblichen Erlebnisse als Anne Frank. Sie versteckte sich als
Kind nie gerne, hatte Angst vor dem Duschen und vor Uniformen.
Sie fragte sich, warum die Menschen sie nicht Anne riefen und
fühlte sich von ihren Eltern und von Psychiatern unverstanden.
«Als ich zwei Jahre alt war, merkte ich, dass ich Anne war»,
behauptet die gebürtige Schwedin.
Mit diesen Aussagen stösst Karlén die Holocaust-Überlebenden
vor den Kopf. «Anne Frank und ihr Tagebuch sind eine einmalige
Erscheinung der Geschichte. Jeden Versuch, ihren Körper von
ihrer Seele zu trennen, ist zurückzuweisen», sagt Nazijäger
Simon Wiesenthal (92).
Karlén wollte sogar mit Anne Franks Vater sprechen. Der
reagierte schockiert, als er von der angeblichen Wiedergeburt
hörte. Otto Franks Freund Cornelius Sujik berichtet: «Er
wurde blass und sagte: <Nie im Leben will ich eine Frau sehen,
die behauptet, meine Tochter gewesen zu sein>.»
Was treibt die Autorin zu ihrer ungeheuerlichen Behauptung? Psychotherapeut
Udo Rauchfleisch: «Sie ist vermutlich völlig überzeugt,
eine bestimmte Person einer früheren Epoche zu sein
eben Anne Frank. Ich halte es nicht für eine reale Wiedergeburt,
sondern für eine starke psychische Identifizierung.»
Barbro Karlén wollte an den Basler PSI-Tagen auftreten,
wurde nach Protesten aber ausgeladen. Am 24. November tritt sie
dennoch in Basel auf: Ihr Verlag veranstaltet ein Podiumsgepräch
ausgerechnet zum Thema «Reinkarnation und Holocaust».
Sami Althof, Sprecher der «Aktion Kinder des Holocaust»,
empört: «Karlén und ihr anthroposophischer Verlag
missbrauchen die wichtigste Integrationsfigur der Shoa und missachten
die Trauer der Überlebenden.»
Das
Tagebuch der Anne Frank
AMSTERDAM Am 12. Juni 1943 bekommt das jüdische
Mädchen Anne Frank ein Tagebuch zum 13. Geburtstag geschenkt.
Sie beginnt sofort zu schreiben. Über ein Jahr ist das Tagebuch
ihre beste Freundin. Anne lebt mit ihrer Familie und anderen jüdischen
Flüchtlingen versteckt im Geschäftshaus von Annes Vater
Otto.
Am 1. August 1944 schreibt Anne zum letzten Mal in ihr Tagebuch:
Anne und ihre Familie wurden verraten am 4. August werden
sie von den Nazis verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Nach
langem Leidensweg stirbt Anne Frank im Konzentrationslager Bergen-Belsen
an Typhus. Nur Annes Vater Otto überlebte.
Freunde entdeckten Annes Tagebuch nach ihrer Verhaftung. 1946 erschien
es auf Holländisch. Inzwischen wurde «Das Tagebuch der
Anne Frank» weltweit viele Millionen Mal verkauft. |
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Basel
/ Kongress
- Die PSI-Tage und ihre Vorläufer
QU: Jüdische Rundschau, 23. November 2000
Woher und
wohin?
Morgen
Freitag beginnen in Basel die 18. Basler PSI-Tage zum Thema «Wiedergeburt
- Wahn oder Wirklichkeit?» Im Vorfeld des Kongresses, der
sich als Plattform für «Grenzgebiete der Wissenschaft»
in der äusserst heterogenen New-Age-Szene etabliert hat,
sind einmal mehr die Schwierigkeiten der vom Westen adaptierten
Form der Reinkarnationslehre klar hervorgetreten.
von
Esther Müller
Die
Basler PSI-Tage ziehen seit vielen Jahren ein buntes Völkchen
an. «Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was ist unsere Aufgabe
in diesem Leben? Gibt es Sinnhaftigkeit in Geschehnissen oder
unterliegen wir alle dem Zufall?», diese und andere existentielle
Fragen mehr begleiten die Menschheit seit jeher. In unserer pluralistischen
Zeit, in der nicht nur die Welt kleiner geworden ist und wir Wissen
über Kulturen erlangen können, die noch vor 100 oder
auch 50 Jahren als «primitiv» etikettiert wurden und
deren mythologischer Überbau nur als ein Ausdruck eben jener
«Primitivität» gesehen wurde, ist auch die Sehnsucht
v.a. der westlichen Menschen nach neuen Erklärungsmodellen
der alten Gottesfrage gewachsen.
Es wird bunt gemischt und der schwierige Weg hin zum Individualismus
hat eine religiöse Haltung hervorgebracht, die mit Versatzstücken
aus verschiedensten Kulturkreisen jedem seine «Bausteinreligiosität»
erlaubt. So sind völlig neue, zutiefst moderne Gedankengebäude
entstanden, die sich alle auf alte Lehren beziehen, diese jedoch
in einer zeittypischen Art vermischen. «Religion ist Privatsache»
- dieses Credo der modernen Staatsauffassung gilt für uns
alle. Jeder hat das Recht zu glauben, was er für richtig
hält. Nur: es gibt Ideen, deren Potenzial nicht logisch zu
Ende gedacht wird. Dies gilt gewiss für die Reinkarnation.
Die uns v.a. aus Hindu-Religionen und Buddhismus bekannte Idee
der Seelenwanderung gewinnt im Westen zunehmend an Popularität.
Ein Teil ihrer Attraktivität liegt darin, Erfahrungen des
Leids und der Ungerechtigkeit, die bei monotheistischen Religionen
mit ihrem Kernglauben an einen allmächtigen Gott oftmals
nicht erklärbar sind, einem Phänomen zuzuordnen, das
mit dem Begriff des «Karmas» bezeichnet wird. All
unsere Unzulänglichkeiten, unser unfaires Verhalten, unser
Machtstreben, bindet uns an diese Welt. Wir beladen uns mit Karma,
das in einem nächsten Leben verringert werden muss. Ein Leben
voller Leid und Entbehrung kann so als eine Abbitte verstanden
werden, als ein Schritt hin zur endgültigen Erlösung.
In Basel sind hochkarätige Anhänger und Kritiker dieses
Gedankengutes als Referenten eingeladen worden. Sowohl der Deutsche
Thomas Hockemeyer, alias «Trutz Hardo», als auch die
Schwedin Barbro Karlen, die aufgrund von Protesten wieder von
der Rednerliste gestrichen worden sind, zeigen die Gefährlichkeit
eines aus seinem religions- und kulturgeschichtlichen Rahmen gelösten
Gedankensystems. In einer äusserst zynischen Weise werden
bei Hardo die Opfer zu Tätern, die durch ihr Leiden und Sterben
ihr «angehäuftes Karma» abbauen mussten - jedes
Schoaopfer wird so zum Eigenverantworlichen seines Schicksals.
Barbro Karlen, die sich selbst als Reinkarnation von Anne Frank
sieht, bedient sich in einer nur schwer erträglichen Weise
das Schicksal eines der bekanntesten Schoaopfern. Ob es nun um
die Opfer des NS geht oder um einen Namenlosen, der in einer lateinamerikanischen
Diktatur zu Tode gefoltert worden ist - zu Ende gedacht, führt
die westlich adaptierte Reinkarnationslehre zu einer Haltung,
die letzlich eine gefährliche Verharmlosung menschlichen
Handelns beinhaltet. Wieso, so fragt man sich, sollen wir überhaupt
noch Verletzungen der menschlichen Würde oder der Integrität
des Körpers ahnden, wenn doch vielleicht genau diese Verletzung
die letzte Stufe zur Erlösung ist? Müssten wir dann
nicht den Henkermeistern dieser Welt dankbar sein dafür,
dass ihre Gewalt uns eventuell erlösen kann? Religionen sind
Systeme, die es uns ermöglichen, unserem Leben Sinnhaftigkeit
zu verleihen, uns in einer chaotischen Welt zu verorten. Die im
Westen vertretene Reinkarnationslehre kann in unerträglicher
Weise aus Opfern erneut Opfer machen. Damit kann sich ein jeder
bequem zurücklehnen und in fatalistischer Weise die Welt
ihren Gang gehen lassen. Ob dies denn auch noch gelten mag, wenn
das Leid auf einem selbst fällt? Es wäre vielen angeraten,
sich mit jenen heiligen Texten auseinanderzusetzen, auf die sie
sich immer berufen. Sie würden erstaunlich andere Antworten
finden.
Auf
dem Rechtsweg
Im
Juli 2000 haben Proteste sowohl von Seiten Ekkehard Stegemanns,
Theologieprofessor in Basel, als auch einiger Mitglieder der IGB
dazu geführt, dass zwei Referenten der Basler PSI-Tage ausgeladen
worden sind. Tom Hockemeyer ist in Deutschland rechtskräftig
dafür verurteilt worden, in einem Roman die Schoaopfer als
eigenverantwortlich für ihr Schicksal darzustellen - schlechte
Taten aus einem früheren Leben wären so «abgebaut
worden». Barbro Karlen hat schon häufig von sich reden
gemacht. Sie hat mehrfach öffentlich und in Buchform behauptet,
die Reinkarnation Anne Franks zu sein.
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