Militanter
Antisemitismus von links
QU: Tagesanzeiger, 20. Februar 2002
Alles über unsere Strafanzeige gegen Indymedia Switzerland
hier
Das wichtigste Internetforum militanter Globalisierungsgegner,
die Seite Indymedia Schweiz, ist vom Netz. Wegen Antisemitismus.
Von
Sascha Buchbinder
Bei
den Schweizer Autonomen hängt der Haussegen schief: Seit
Dezember streiten sich verschiedene Gruppen auf der Internetseite
http://www.switzerland.indymedia.org
erbittert über die eigene Diskussionkultur. Auslöser
sind Beiträge auf der frei zugänglichen Diskussionsseite
von Indymedia Schweiz. Diese ist das wichtigste Forum der Globalisierungsgegner.
Der
Streit entzündete sich an einer Zeichnung
des brasilianischen Karikaturisten Latuff. In dem Bild
wurde die Situation der Palästinenser mit der eines jüdischen
Gettos parallel gesetzt, indem Latuff einen eingesperrten palästinensischen
Jungen mit Davidstern und Kleidern im Stil der 40er-Jahre zeichnete.
Im
Kielwasser der Diskussion tauchten Beiträge auf Indymedia
auf, in denen der Holocaust bezweifelt und antijüdische Verschwörungstheorien
verbreitet wurden. Schliesslich platzte der Gruppe "Für
einen progressiven Antikapitalismus" der Kragen. Sie begnügte
sich nicht mehr mit Entgegnungen, sondern verlangte die Entfernung
der Beiträge.
Bei
Indymedia aber scheut man jede Handlung, die nach Zensur riecht.
Die Betreiber wählten einen Mittelweg, indem sie einen "Zensurkübel"
einrichteten. In dem Unterverzeichnis wurde die Debatte versenkt,
war aber weiterhin frei zugänglich. Prompt tauchte der Inhalt
immer wieder auf. Am 14. Dezember dann wurde Indymedia Opfer eines
klassischen Internetprotestes: Durch Überflutung mit Anfragen
wurde der Server überlastet und ging ein erstes Mal vom Netz.
Manchen
Linken scheint Antisemitismus aus den eigenen Reihen schlicht
undenkbar. So vermuteten
viele Indymedia-Nutzer, hinter der Attacke steckten
nicht eigene Leute. Wahlweise werden Polizeispitzel, Faschisten,
der Mossad, die CIA beziehungsweise die "Antideutschen"
hinter den Protesten vermutet.
Als
Anfang Februar auch noch die "Aktion Kinder des Holocaust"
(AKDH) die Moderatoren von Indymedia bei den Bundesbehörden
anzeigte, liefen Teile der Autonomen endgültig im roten Bereich.
Samuel Althof, der die Anzeige erstattete, erhält seither
täglich 10 bis 15 Schandbriefe und Todesdrohungen
(ein Beisp. veröffentlicht).
"So viele und so heftige Reaktionen wie nie zuvor",
sagt Althof. Dabei hat die AKDH Erfahrung mit der Bekämpfung
von Antisemiten im Netz. Auch auf der Schweizer Indymedia-Homepage
nahmen die Drohungen überhand. Jetzt ist Indymedia Schweiz
vorübergehend vom Netz, "um zu einer Abkühlung
des Klimas beizutragen", wie die Betreiber schreiben. Sie
wollen die Diskussion aus der Anonymität holen und öffentliche
Foren veranstalten. Titel der ersten Runde: "Vom Vertrauen
zur Klage".
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