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Wie rassistisch sind die Waldorfschulen?
QU: Junge Welt, 1. August 2000

Das Bundesfamilienministerium will ein Buch, das für den Unterricht an den Waldorfschulen empfohlen wird, wegen rassistischer Passagen indizieren lassen. Der Journalist Peter Bierl beschäftigt sich seit Jahren kritisch mit der Anthroposophie. Im vergangenen Jahr hat er im Konkret-Literatur-Verlag das Buch "Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister - die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik" veröffentlicht.

Junge Welt: Das Buch des Anthroposophen Ernst Uehli soll auf den Index gesetzt werden. Hat Sie das überrascht?

Peter Bierl: In der Bundesrepublik ist das ein Novum und insofern überraschend. Sonst tolerieren die zuständigen Behörden die obskuren Lehren der Waldorfpädagogik. Der rassistische Inhalt des Uehli-Buches ist dagegen nur für Leute überraschend, die keine Ahnung von Anthroposophie haben. Waldorf-Eltern, die gelegentlich die Schulhefte ihrer Kinder anschauen, müsste auffallen, dass dort von Atlantis und Menschenrassen und Ariern die Rede ist. Es gibt sogar in der Waldorfliteratur eine Empfehlung für Lehrer, Steiners Werk "Aus der Akasha-Chronik" zu benutzen, um den Geschichtsunterricht vorzubereiten. In diesem Buch beschreibt er die Rassen auf Atlantis und ihre Missionen.

JW: In den Niederlanden befasste sich erstmals ein anthroposophisches Gremium offiziell mit dem Rassismus in Steiners Werk. Was war der Anlaß und wie lautet das Ergebnis?

PB: Die Waldorfschulen haben in den Niederlanden leider und völlig unverdient einen ähnlich guten Ruf wie hierzulande. Eine Frau hatte den Mut, rassistische Inhalte in einem Schulheft ihrer Tochter zu veröffentlichen. Das stand drin, das Neger dicke Lippen haben und einer kindlichen Rasse angehören und das Asiaten ewig grinsen.Unter dem Druck der Öffentlichkeit mussten die niederländischen Anthroposophen dieses Gremium einsetzen. Vor einigen Wochen legte die Kommission ihr Ergebnis vor: 16 Passagen in Steiners Werk wären nach niederländischem Recht strafbar. Etwa 60 Stellen stuft die Kommission als "problematisch" ein. Entscheidend ist, daß diese sieben Anthroposophen ihrem Meister einen Persilschein ausstellen: Demnach gibt es zwar rassistische Entgleisungen, aber keine Rassenlehre.

JW: Sie vertreten dagegen die Meinung, der Rassismus sei der Anthroposophie eingeschrieben?

PB: Steiner entwickelte ein Evolutionskonzept, wonach sieben sogenannte Wurzelrassen, wiederum gegliedert in Unterrassen, aufeinander folgen. Das Konzept wird bis heute von Anthroposophen verteidigt, auch wenn sie von "Kulturepochen" sprechen. Steiner wies den meisten Rassen eine geistige "Mission" für eine bestimmte Zeit zu. Rassen, deren Zeit als abgelaufen gilt, werden als dekadent und vergreist geschmäht. In der Gegenwart sollen weiße, germanische Arier zur Entwicklung des Geistes vorherbestimmt sein, lehrte Steiner. Abgesehen davon, daß der Begriff der Rasse und die Einteilung von Menschen in Rassen selbst schon Rassismus ist. Die Liste mit der empfohlenen Waldorfliteratur, auf der Uehlis Buch steht, folgt in ihrer Gliederung Steiners Lehre von den sieben arischen Unterrassen.

JW: Steiner war Mitglied im Verein zur Abwehr des Antisemitismus. Wieso werfen Sie ihm Antisemitismus vor?

PB: Steiner schrieb 1888, die Juden hätten als Volk keine Daseinsberechtigung. Um die Jahrhundertwende engagierte er sich kurze Zeit im Verein zur Abwehr des Antisemitismus, aber mit Argumenten, die antisemitisch waren: Er behauptete, die Zionisten seien schuld am Antisemitismus. Nach seiner Wende zur Esoterik um 1900 griff Steiner auf den christlichen Antisemitismus zurück: Die Juden seien verstockt und spirituell erstarrt, weil sie sich dem Christentum verschließen. Sie hätten ihre "Mission" mit der Geburt von Christus erfüllt. Der Anthroposoph Ludwig Thieben, selbst jüdischer Herkunft, schrieb 1931, das jüdische Blut sträube sich im Gegensatz zum arischen Blut vor der Erkenntnis des wahren Christus.

JW: Woher rührt die Begeisterung für Waldorfschulen in deutschen Alternativkreisen?

PB: Sie ist Teil der allgemeinen Rechtsentwicklung und Verblödung. Übrigens haben auch Helmut Kohl, Genscher, die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier oder Eberhard Diepgen ihre Kinder auf Waldorfschulen geschickt. Die Schule liegt im Trend: Eine fast ausländerfreie Privatschule, scheinbar soft, aber im Kern auf subtile Weise autoritär, mit Frontalunterricht, Auswendiglernen, Aufsagen im Chor, sozialer Kontrolle bis ins Elternhaus, wo kein Fernseher stehen darf, Fußballverbot und Diskriminierung, etwa wenn Kinder sich weigern, die religiösen Morgensprüche aufzusagen.

JW: Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter des verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, hat Anzeigen geschaltet, in denen sie die Waldrofschulen verteidigt. Alles Propaganda?

PB: Frau Hecht-Galinski hat in einem Interview gesagt, daß sie sich weder während ihrer Waldorfzeit noch später mit der Anthroposophie beschäftigt hat. Sie kann nur von ihren Erlebnissen an einer Schule berichten. Wenn sie als Tochter eines Prominenten dort gute Erfahrungen gemacht hat, wird ihr das keiner bestreiten. Daß Hecht-Galinski die Erfahrungen und Erkenntnisse anderer bestreitet, finde ich dagegen kühn. Ich empfehle, die Werke Steiners oder Uehlis zu lesen.

JW: Was soll man tun im Umgang mit den Waldorfschulen?

PB: Anthroposophie ist eine irrationale Weltsicht, die die Existenz von Engeln und Dämonen, Volks- und Rassengeistern behauptet, sie ist antidemokratisch und elitär und lehrt, daß das Leben der Menschen von Karma aus früheren Leben bestimmt ist. Auf subtile Weise fließt das in den Waldorfunterricht ein. Wir sollten alles tun, um Kinder davor zu bewahren. In Kalifornien klagen Eltern bisher mit Erfolg dagegen, daß eine solche mittelalterliche Pädagogik mit Steuergeldern subventioniert wird.

Leserbriefe
Dank

* Zu jW vom 19./20. August. »Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister«, jW vom 1.August: Interview Peter Bierl »Wie rassistisch sind Waldorf-Schulen« und jW-Leserbrief vom 23. August

Meinen Dank an Peter Bierl von einem ehemaligen Waldorf- Schüler für seine präzisen und sachkundigen Formulierungen. Sein Quellennachweis in seinem Buch hierzu ist für mich die Summe meiner anthroposophischen Erziehung in meinem Elternhaus und durch meine Paten sowie meiner Erfahrungen an der Freien Waldorf-Schule.

Im Epochen-Unterricht der Waldorf-Schule wurde zum Thema »Rasse« von meiner Klassenlehrerin so formuliert: »Es gibt Menschen mit Gebrechen und auch unterschiedlicher Hautfarbe, die vor allen Dingen unsere Hilfe brauchen, damit sie ihr Karma verbessern und in einer nächsten Reinkarnation als helle Gestalten wiederkommen können. Dieses gilt auch für körperbehinderte Kinder.«

Die Toleranz, von der im Leserbrief vom 23.8. mit warmen Worten gesprochen wird, kann die Gleichwertigkeit der Menschen auf unserer Erde - jeder nach seinen Begabungen und Kräften - nicht beinhalten, sondern die Toleranz auf dem Boden der Waldorf-Pädagogik hat immer etwas mit der Aufbesserung und Stärkung des eigenen Karmas zu tun. So wurde es nach dem Willen R. Steiners konzipiert und in den entsprechenden Unterrichtsepochen formuliert. Diese Form der Toleranz beinhaltet auch die verordnete Abgrenzung zu Spielgefährten außerhalb der Waldorf-Pädagogik.

Diejenigen, die die arische Substanz in ihrem Blut nicht tragen, gehören für die arische Rasse zu den karmischen Begegnungen zur Abarbeitung des derzeitigen Karmas für das zukünftige Leben. Auf diesem geistigen Boden werden auch Konflikte innerhalb der Schule bezüglich zwischenmenschlicher Beziehungen ausgetragen. Schulische Leistungen wurden und werden dominierend nach den Erkenntnissen des Klassenlehrers auf der Basis der Bestandsaufnahme vorwiegend technischer Einrichtungsgegenstände im Elternhaus wie Computer, Fernseher, Radio, Comic-Hefte sowie nicht geistgemäßer Literatur bewertet.

Dieses als Erfahrung eines Waldorf-Schülers aus der Rasse der direkten Nachfahren von Atlantis.

K. D.




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